Kennen Sie … den Kulturkiosk?

Neue Ausstellungen in der „Bühne“ sorgen für Kommunikation und Austausch. Foto: Bettina LeuchtenbergIn Berlin ist es die Trinkhalle, am Niederrhein das Büdchen, in Frankfurt das Wasserhäuschen, in Österreich die Trafik und in Trier ganz klassisch der Kiosk. So wird ein meist freistehendes Häuschen genannt, welches dazu dient, Kleinigkeiten wie Zeitungen, Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten im Vorbeigehen zu erwerben. So tolle Sachen wie einzelne Stücke Kokosschokolade oder je nach Taschengeldlage individuelle Tüten mit buntem, süßem Gummi wandern jedoch nur noch selten über Kiosktheken, seit mehr über Hygiene nachgedacht wird und fast alles – zumindest in abgepackter Form – Tag und Nacht in Tankstellen erhältlich ist. Und so wie sich die Kaufgewohnheiten gezwungenermaßen ändern, so gibt es auch neue Konzepte für die noch stehenden Trinkhallen, Büdchen oder auch Kioske.

TRIER. In Trier steht eines der Exemplare aus den späten Fünfziger bis frühen Sechziger Jahren am östlichen Ende des Fuß- und Fahrradweges zwischen Südallee und Kaiserstraße Richtung Kaiserthermen. An der Ecke zur Saar- und Neustraße ist der Kiosk an der großen Kreuzung von Fußgängern, Radlern und Autofahrern immer gut im Blick und unübersehbar. Kein Wunder eigentlich, denn in seiner genuinen Funktion als Zeitungs- und Zigarettenbude konnten die Werbeschilder, Plakate und Aufsteller so auch am besten wahrgenommen werden.

„Kiosk“ ist ein persisches Wort, welches ursprünglich eine Ecke oder einen Winkel beschrieben hat. Später bezeichnet man mit Kiosk auch ein Gartenhaus oder einen Pavillon. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kommt das Wort aus Vorderasien nach Frankreich und wird hier direkt in die Sprache übernommen. Die „ciosques“ prägen bis heute an zahlreichen Straßenecken das Stadtbild von Paris. Zusammen mit den Schaufenstern, blinkenden Werbungen und Laternen bilden sie die Kulisse für die Autos, Taxis, Busse und auch Fußgänger, die in der „post-liberalen“ Stadt leben, wie der Stadthistoriker Leonardo Benevolo die Großstädte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nennt. Über die Nutzung der Grundstücke entscheiden die Besitzer, und in den städtischen Häusern befinden sich öffentliche und private Bereiche in unmittelbarer Nachbarschaft: unten die Läden mit Schaufenstern und darüber private Wohnungen oder Büros. Die Stadtkerne entwickeln sich in der post-liberalen Stadt ganz eindeutig nach dem Primat des Verkehrs und des Handels. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Begriff der „Boulevardzeitung“, also der Postillen, die direkt auf der Straße mit großen Lettern und neugierig machenden Überschriften um die Gunst der vorbeieilenden Leser ringen und zum Verkauf anregen. Das Prinzip funktioniert bis heute.

Direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich am Standort des heutigen Kiosk in der Südallee eine Bretterbude, in der Obst und Gemüse verkauft wurde. Einige Zeit später wurde der Verkauf in einem gemauerten Häuschen fortgeführt, bis dann der jetzige filigrane Kiosk errichtet wurde. Er hat sein vielfältiges Angebot an Printmedien auch nach außen immer gut sichtbar dargestellt. Über Jahrzehnte prangte der große Schriftzug der örtlichen Tageszeitung über dem ausladenden Dach mit dem breiten blauen Rand. Die grau gefassten Glasscheiben an der Vorderfront waren in der Mitte horizontal geteilt und ein Blick in den nur für den Verkäufer zugänglichen knapp 20 Quadratmeter großen Raum war nur durch ein in der Mitte befindliches Fensterchen möglich.

1983 erhielt der Kiosk in der Südallee einen Anbau im hinteren Bereich, in dem Toiletten und eine Teeküche untergebracht waren. 1996 wurde an dieser Stelle eine Trafo- und Gasregelstation errichtet. Fotos: Stadt Trier, Amt für Bodenmanagement und GeoinformationDas Ende des Kiosks war in dem Moment gekommen, als sich die Ladenöffnungszeiten ausweiteten und die Tankstellen ein immer größeres Warensortiment bereitstellten. Seit Sommer 2008 wurde der Kiosk immer mal wieder von Studenten und Dozenten der damaligen Fachhochschule Trier als Kunstraum genutzt. Zu sehen waren digitale Entwürfe, Fotografien oder Designerstücke aus der kreativen Hochschule am Irminenfreihof. 2010 endete das Zwischenspiel und der Kiosk war dem Verfall preisgegeben. Nur ein Spray „Guck mal Design“ auf den monatelang heruntergelassenen Jalousien erinnerte auf die abwechslungsreichen Ausstellungen mitten im urbanen Stadtraum.

Es ist die Trierer Gesellschaft für Urbane Projektentwicklung, kurz EGP GmbH, die Initiative ergreift und die gute Idee unter professionellem Management wieder aufleben lässt. Sie pachtet das Gebäude, welches der Stadt Trier gehört und konzipiert eine neue Nutzung. Herbert Hofer vom Trierer Architekturbüro „9+“ befreit den Kiosk von seinem zu hoch und unförmig geratenen blauen Dach und setzt großflächige Scheiben vor die schmalen Betonpfeiler, die vorher die dahinterliegenden zweiteiligen Fenster umrahmten und das Dach halten. Dadurch erhält der Kiosk die Optik eines gleichmäßigen Kubus, der das Auge im Verkehrsbrausen beruhigt und zu einem Einhalten einlädt. Heute zeigt sich der Kiosk in einem puristischen und zeitlosem Weiß, der Fokus liegt klar auf den dort präsentierten Bildern und Objekten. Mit der Umwidmung der Nutzung erhält der Kiosk auch einen neuen Namen.

Der Kiosk wird zur „Bühne“. Eine Bühne für Städtebau, Architektur und Design. Bespielt wird sie seit Oktober 2013 mit Wechselausstellungen, die jeweils etwa zwei Monate lang zu sehen sind. Vor dem Start der „Bühn“ gingen 31 Bewerbungen bei der EGP ein, inzwischen sind es über 50. Gezeigt werden Arbeiten von Künstlern, Fotografen, Designern und ab September auch von einer Kunsthistorikerin. Die Autorin dieser Zeilen präsentiert dort die Serie „Kennen Sie Trier?“. Nach den Präsentationen von Orgeldesign, Schauspiel und Intermedialem Design werden vom 1. September bis zum 19. Oktober Städtebau und Stadtentwicklung thematisch abwechslungsreich und multimedial dargeboten.

„Kennen Sie Trier?“ – auf einen Blick:


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