„Ich stehe hinter diesem Theater, aber…“

"Mir geht es nicht um die Abschaffung des Ensemble-Theaters", sagt Thomas Egger, "aber da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Es gibt etwas, das ich gerne hätte, und etwas, das ich mir möglicherweise in Zukunft nicht mehr erlauben kann." Foto: Christian JörickeMitte Juni wurden im Kulturausschuss von einem Gutachter verschiedene Szenarien vorgestellt – von der Beibehaltung des Drei-Sparten-Hauses bis zur Umwandlung in ein reines Bespiel-Theater. In den vergangenen Tagen haben die ersten Stadtratsfraktionen ihre Einstellung dazu publik gemacht. Bis Ende des Jahres soll eine Entscheidung gefallen sein, wie es im Theater weitergeht. Thomas Egger hat sich bisher mit seiner eigenen Haltung zur Zukunft des Hauses zurückgehalten. Warum dies so ist, wen er bei der Finanzierung des Theaters in der Pflicht sieht, was er unabhängig vom Ergebnis der Diskussion umsetzen möchte und welche Option er bevorzugen würde, erzählt der Kultur- und Wirtschaftsdezernent im Gespräch mit 16vor.

16vor: Sie trafen sich in der vorvergangenen Woche mit der Kultusministerin Doris Ahnen. Worum ging es in dem Gespräch?

Thomas Egger: Wir haben uns über die bisherigen Ergebnisse der Strukturuntersuchung und die Vorschläge des Gutachtens sowie die damit eventuell verbundenen Folgen für die Zuschüsse des Landes unterhalten und haben vereinbart, hierzu weitere Gespräche zu führen.

16vor: Zur Eröffnung von „Maximierung Mensch“ im Juni sagten Vertreter von vier Theatern im Umkreis von 150 Kilometern, dass auch bei ihnen immer wieder Spartenschließungen zur Debatte stünden, die Bevölkerung aber voll hinter den Häusern stehe. Glauben Sie, dass das in Trier auch der Fall ist?

Egger: Das glaube ich schon. Man muss aber auch aufpassen: Manchmal wird in der Diskussion das Thema dahingehend zugespitzt, dass es entweder darum ginge, das Theater ganz zu schließen oder ein Ensemble-Theater zu haben. Dazwischen gibt es viele Facetten. Ich glaube, dass andere Formen von Theater in Trier auch die Akzeptanz in der Bevölkerung fänden.

16vor: Aber zeichnet es nicht das Trierer Theater beispielsweise im Vergleich zum Grand Théâtre in Luxemburg aus, dass es eigene Ensembles hat?

Egger: Natürlich ist das ein Markenzeichen des Trierer Theaters. Mir geht es auch nicht um die Abschaffung des Ensemble-Theaters, aber da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Es gibt etwas, das ich gerne hätte, und etwas, das ich mir möglicherweise in Zukunft nicht mehr erlauben kann. Da kommt die finanzpolitische Verantwortung in meiner Rolle als Dezernent hinzu. Ich fürchte, wenn wir uns langfristig einer Strukturveränderung verweigern, wird irgendwann tatsächlich nur noch die Frage bestehen: Kann es überhaupt noch ein Theater in Trier geben? Das möchte ich verhindern.

16vor: Bei der letzten Kulturausschuss-Sitzung, bei denen über Spartenschließungen gesprochen wurde, hatte man den Eindruck, dass sich manche Fraktion schon mit dieser Entwicklung abgefunden hat. Über Optionen wie die Änderung der Betriebsform des Theaters oder andere Finanzierungsmöglichkeiten wurde kaum gesprochen.

Egger: Das Thema „Neue Betriebsform“ wurde ja bereits im ersten Teil des Gutachtens dargestellt. Eine neue Betriebsform brächte dem Theater ungeheuer viel – nur nicht direkt einen wirtschaftlichen Vorteil. Der Gutachter sollte schließlich über eine reine Organisationsüberprüfung hinausgehen. Das Ziel war, einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten. Sei es durch Festschreiben des städtischen Zuschusses für die nächsten Jahre oder über Einsparungen.

Das gleiche gilt für eine Personalstelle im Marketing und eine Probebühne. Bei all dem hat der Gutachter festgestellt, dass das viel Sinn ergebe, aber im Großen und Ganzen keinen echten Konsolidierungsbeitrag bringe. Mit einer veränderten Rechtsform käme man zumindest aus dem Haushaltsjahr-Zwang heraus. Das Theater könnte seinen Haushalt entsprechend der eigenen Spielzeit planen.

Natürlich ist auch anderes denkbar. Da kommt es jetzt auch ein bisschen auf das politische Zusammenspiel an. Wie verlaufen die Gespräche mit dem Land? Ministerpräsidentin Dreyer und Ministerin Ahnen haben beide betont, wie wichtig ihnen die kommunale Theaterförderung ist. Bleiben die Zuschüsse aber auf dem bisherigen Stand, müssen künftige Kostensteigerungen alleine im städtischen Budget aufgefangen werden. Wenn wir hier eine Anpassung erreichen, gehe ich davon aus, dass wir manches Szenario nochmal anders darstellen können.

16vor: Welche Optionen gäbe es noch?

Egger: Wenn der Kulturausschuss beschließt, auf weitere Einsparung zu verzichten, aber den Zuschuss einzufrieren, verändert dies natürlich die Zeitachse der Szenarien. Letztendlich kann sich auch der Kulturausschuss und der Stadtrat positionieren und erklären: „Wir nehmen es hin, dass wir Kostensteigerungen haben, und müssen das Geld dann woanders einsparen, damit die Gesamtkonsolidierung erreicht wird.“ Auch diese Entscheidung ist denkbar.

Näherliegender dürfte – gerade auch unter Berücksichtigung der jüngsten Positionierungen einiger Fraktionen – eine Mischlösung sein, indem man sagt: „Wir schaffen es jetzt über die und die Maßnahme, die nächsten fünf Jahre zu überstehen, und müssen dann im sechsten Jahr entsprechend der Vorschläge des Gutachters an eine Sparte ran. Der Gutachter ist auch aufgefordert, Vorschläge aus der weiteren Diskussion auf ihren Effekt hin zu prüfen.

„Man hat sich zu lange einer solchen Diskussion verweigert.“

16vor: Warum beziehen Sie keine Position für den Erhalt des Ensemble-Theaters? Das wäre doch auch ein Signal an die Bevölkerung.

Egger: Es ist die ureigene Entscheidung des Rates. Deswegen nehme ich persönlich tatsächlich eher eine Moderatorenrolle ein. Mein vorrangiges Ziel ist eine verlässliche Planungsgrundlage, denn mit „weiter so wie bisher“ geht es nicht. Es sei denn, wir würden Gelder im Haushalt massiv verschieben. Aber wir reden hier über Millionenbeträge, die zugunsten des Theaters verschoben werden müssten.

Ich kann mich bei aller Liebe zum Ensemble-Theater nicht so einfach positionieren. Angesichts unserer finanziellen Lage hielte ich das für unredlich. Ich stehe hinter diesem Theater, aber ich weiß eben auch, dass wir über kurz oder lang erhebliche Finanzierungsprobleme bekommen werden. Man hat sich zu lange einer solchen Diskussion verweigert.

Wir müssen auch noch viel Geld ins Gebäude stecken. Das lässt sich nur rechtfertigen, wenn wir uns auch noch in 15 Jahren und später das Theater leisten können.

16vor: Finanziell auffangen könnte den Betrieb eines Ensemble-Theaters eine Beteiligung des Landkreises oder ein höherer Zuschuss des Landes. 

Egger: Man muss berücksichtigen, dass sich das Land eine Schuldenbremse auferlegt hat. In vielen Bereichen erfolgen gerade massive Einsparungen. Ich weiß auch nicht, ob es alleine ausreichen würde, wenn das Land mehr gibt.

Die Frage, wie sich die Kreise beteiligen, ist in der Tat noch einmal neu zu diskutieren. In dem Zusammenhang war ich über die Aussage von Hendrik Hering, dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, sehr froh, dass man mehr auf Kooperationen und Zweckverbände im Stadt-Umland-Verhältnis setzen müsse. Das stelle ich mir auch für die Theaterstruktur vor. Wir hatten mit dem Landkreis vereinbart, bei der Kulturförderung stärker ins Gespräch kommen zu wollen. Bislang noch ohne konkreten Erfolg.

16vor: Dem Theater wurde im vergangenen Jahr auferlegt, eine Million Euro zu sparen – am Ende stand eine Ersparnis von einer halben Million und die Erkenntnis, dass nicht mehr möglich ist. War diese Vorgabe nicht von Anfang an so, als sagte man zu einem Menschen auf Krücken, er solle zwei Meter hoch springen?

Egger: Das ist kein schlechter Vergleich. Man muss sich aber nochmal die Genese vergegenwärtigen. Diese Vorgabe kam seinerzeit im Haushaltsaufstellungsprozess 2012. Als wir im Herbst 2011 über den nächsten Haushalt verhandelt haben, hatten wir die Situation, dass das Theater einen Mehrbedarf von 1,1 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr angemeldet hatte. In den Vorberatungen über den Haushalt wurde deutlich, dass wir uns das nicht leisten können. Deswegen kam von mir die Vorgabe, dass wir diese Million „einsparen“ müssen.

Es war eine harte Vorgabe. Deshalb habe ich auch in den Haushaltsverhandlungen zu 2013/14 die Position vertreten, hier nicht noch einmal pauschal eine Einsparung zu erbringen, weil wir sie in der bestehenden Struktur gar nicht erbringen können. Auch ohne weitere Konsolidierungsauflage in Richtung Theater werden wir Steigerungen haben – 2014 ungefähr 260.000 Euro mehr als 2013. Das wird sich dann so fortsetzen und irgendwann zu Haushaltsgenehmigungsproblemen führen.

Intendant Gerhard Weber überreichte Kulturdezernent Thomas Egger im Juli über 42.000 Unterschriften für den Erhalt des Ensemble-Theaters. Archiv-Foto: Christian Jöricke16vor: Welchen Einfluss haben die Proteste vor den Kulturausschuss-Sitzungen, die Unterschriftenlisten und die Medienberichterstattung auf die Diskussion um das Theater?

Egger: Der Einfluss von außen ist nicht unbeachtlich. Die Stadträte, die Stadtverwaltung und ich sehen, dass es viele Menschen gibt, die das Theater unterstützen. Man muss nur genau hingucken. Wer hat bei der Petition unterschrieben? Wie ist das Verhältnis von regional und überregional?

Ein schönes Ergebnis der Aktion wäre gewesen: 40.000 Unterschriften und jeder Unterzeichner hätte gesagt: „Ich gebe 100 Euro im Jahr auf jeden Fall dazu.“ Da wäre eine hübsche Summe herausgekommen. Die Privatfinanzierung oder die Teilfinanzierung über eine Stiftung oder den Freundeskreis wäre immer eine Möglichkeit. Zurzeit bewegt sich an dieser Stelle aber zu wenig.

Die Gesellschaft muss generell eine andere Verantwortung für die Kultur übernehmen. Sie ist gefordert, sich nicht nur Bilder in Ausstellungen anzuschauen, sondern sie auch zu kaufen. Der Bürger muss bereit sein, künstlerische Leistungen entsprechend zu honorieren. Das gleiche gilt für die Wirtschaft. Dort ist man gewohnt, sich überwiegend im Sozialen oder im Sport zu engagieren und viel weniger in der Kultur. Da würde ich mir mehr Engagement wünschen. So etwa indem werbewirksam eine ganze Vorstellung an das Unternehmen verkauft wird.

Wir Kommunen werden vom Bund und von den Ländern mit zahlreichen Aufgaben belastet, ohne adäquate Finanzausstattung. Die Gelder, die wir als Kommunen erwirtschaften, müssen wir für Aufgaben einsetzen, mit denen wir Bundes- oder Landesausgaben erledigen. Damit sind wir nicht mehr in der Lage, unsere kommunale Selbstverwaltung zu organisieren.

Die haushalterische Unterscheidung von freiwilligen Aufgaben und Pflichtaufgaben ist gerade vor diesem Hintergrund besonders unglücklich. Einsparbemühungen im Pflichtaufgabenbereich führen nicht dazu, dass Ausgabenausweitungen im freiwilligen Bereich damit aufgefangen werden können. Es muss sich daher dringend etwas im Gemeindehaushaltsrecht ändern. Bund und Länder müssen die Finanzausstattung der Kommunen anders regeln.

16vor: Hat sich die Stadt schon mal über die Konsequenzen von Spartenschließungen Gedanken gemacht? Die Folgen davon wären nicht mehr rückgängig zu machen.

Egger: Da gebe ich Ihnen recht. Das Auseinandersetzen mit solchen Entwicklungen kann aber auf unterschiedlichste Art erfolgen. Ich selbst komme aus einer Stadt, die kein Ensemble-Theater hat. Ich habe nicht den Eindruck, dass dort deswegen die Kultur am Ende wäre. Jetzt ist zwar nebenan Mannheim, und das Nationaltheater verfügt über ein eigenes Ensemble, aber die Menschen lieben Aufführungen in Ludwigshafen genauso wie in Mannheim. Die Identifikation mit dem Ensemble ist sicherlich da. Bei uns wäre das, glaube ich, auch möglich, wenn hier beispielsweise regelmäßig die Kollegen aus Koblenz aufträten. Es gibt ja diese Idee einer dauerhaften Kooperation mit Koblenz und Kaiserslautern, die aus meiner Sicht nur mit einem Theaterverbund und einer Leitungsebene für alle drei Theater funktionieren kann. Es wäre natürlich ein anderes Theater, als wir es bislang haben. Aber möglicherweise eines, das zukunftsfähiger ist. Ich finde diese Lösung von all denen, die in der Diskussion sind, am charmantesten. Wenngleich ich mir auch durchaus bewusst bin, wie schwierig so etwas zu organisieren ist. Die Lust daran mitzuwirken, ist bei den anderen Theatern jedoch nicht vorhanden. Ich kann das verstehen, befürchte aber, dass man auch dort irgendwann merkt, dass man nicht weitermachen kann wie bisher. Und es dann zu spät ist.

„Das Publikum ist viel flexibler, als wir uns das vorstellen.“

16vor: Trier hat mit seinem Ensemble-Theater im Umkreis von 100 Kilometern ein Alleinstellungsmerkmal. Dafür kann die Luxemburger Philharmonie Weltstars verpflichten und sich das Grand Théâtre topbesetzte Gastspiele leisten. Warum sollte ich mir also in Trier ein Gastspiel aus Koblenz anschauen, wenn ich es in Luxemburg drei Nummern größer bekomme?

Egger: Das ist sicherlich ein Argument gegen ein reines Bespieltheater. Ich glaube aber nicht, dass sich jemand davon abhalten lässt, nach Luxemburg ins Grand Théâtre zu gehen, nur weil wir hier ein eigenes Ensemble haben. Es gibt genug Leute, die sagen: „Jetzt möchte ich mal jemand anderen sehen.“ Ich glaube aber auch, dass das Publikum viel flexibler ist, als wir uns das vorstellen. Ich weiß zudem von vielen Menschen in Trier, die regelmäßig hier in die Oper gehen und ein Abo in der Philharmonie haben. Wenn das Trierer Theater ein reines Bespieltheater würde, wäre es allerdings notwendig, sich in der Programmgestaltung von Luxemburg abzusetzen und ein eigenes Profil zu entwickeln.

16vor: Wie geht es weiter in der Theaterdiskussion? 2015 benötigt das Theater einen neuen Intendanten. Oder vielleicht doch nicht?

Egger: Die Frage nach einem neuen Intendanten ist für mich nicht so wichtig wie die Planungssicherheit der Menschen, die im Theater arbeiten. Deswegen wäre es sinnvoll, wenn wir im Herbst oder spätestens bis Jahresende diese Diskussion, wie es weitergehen soll, abschließen können. Das Ergebnis ist vorentscheidend, wie eine neue Intendanz aussehen kann und ob es überhaupt eine gibt. Es wäre unklug, jetzt einen Intendanten zu suchen, den man dann in einen schwebenden Prozess hineinwirft. Diejenigen, die sich darauf bewerben, müssen wissen, was sie erwartet. Umgekehrt muss man überlegen, wen man braucht. Brauche ich einen Manager, der einen künstlerischen Zugang hat, oder brauche ich einen Künstler, der managen kann?

Die Dinge, die vom Gutachter auch in der bestehenden Struktur – wie die rechtliche Verselbständigung des Betriebs oder eine Marketingstelle – jetzt schon als vernünftig angesehen werden, möchte ich unabhängig von einer weiteren Entscheidung in die Wege leiten. Selbst wenn wir ein komplettes Ensemble-Theater behalten, bin ich der Meinung, dass wir über die Grundstruktur der Verwaltung im Theater noch mal nachdenken müssen. Einerseits hat man einen Intendanten, der das Haus nach außen vertritt, andererseits eine Verwaltung, die quasi selbständig daneben steht. Im Rahmen einer GmbH könnte ich mir ein solches Führungsmodell nicht vorstellen. Da müsste es einen Kopf geben, der die Gesamtverantwortung hat.

16vor: Wenn in fünf Jahren Ihre Amtszeit endet, wie wird dann die Kulturszene in Trier aussehen?

Egger: Ich hoffe, dass es mir gelingt, in den nächsten fünf Jahren zu zeigen, dass Kultur nicht im Abbau begriffen ist. Manches wird verlorengehen, anderes hinzukommen. Ich hoffe, alle Kulturinstitutionen mit einer guten Zukunftsperspektive ausstatten zu können. Es ist nur bedauerlich, dass wir immer diese elende finanzielle Schere im Kopf haben müssen. Ich wäre gerne zu Zeiten Dezernent gewesen, als die Möglichkeiten besser waren, zu gestalten. Wir dürfen nicht warten, bis nichts mehr geht, ehe wir etwas ändern.

Weiterer Artikel zum Thema: „Bekenntnisse zum Drei-Sparten-Haus„.

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