„Heute waren wir alle gut“

Nimmt man das öffentliche Interesse als Maßstab, liegt der Patient nach wie vor festgezurrt auf der Intensivstation. Nur 1248 Zuschauer wollten am Mittwochabend das Heimspiel von Eintracht Trier gegen Fortuna Köln sehen. So die offizielle Zahl, in der alle nicht erschienenen Dauerkartenbesitzer eingerechnet waren. Netto sahen rund 1000 Besucher den 1:0-Sieg des SVE über den Aufsteiger vom Rhein – Minusrekord trotz der mitgereisten Kölner Fans. Sportlich meldete sich die Eintracht nach zuletzt sechs Spielen ohne Sieg mit dem 1:0-Erfolg über die Fortunen im prallen Fußball-Leben zurück. „Das tut uns allen gut“, sagte ein zufriedener Roland Seitz. Triers Trainer sprach von einem „guten Heimspiel, das wir geboten haben“. Kollege Uwe Koschinat schloss sich an. „Da gibt es keine zwei Meinungen: Die Eintracht hat verdient gewonnen“, sagte der Kölner Übungsleiter.

TRIER. Zehn Minuten vor dem Ende ging er. Sven Demandt verpasste das Tor durch den verwandelten Foulelfmeter von Fahrudin Kuduzovic, hatte aber dennoch genug gesehen. Der gebürtige Kölner war keineswegs aus Lokalpatriotismus nach Trier gefahren. Demandt ist Trainer von Borussia Mönchengladbach II. Am Samstag tritt der Aufstiegsaspirant vom Niederrhein im Moselstadion an. Dann will der ehemalige Stürmer von Fortuna Düsseldorf mit seinen Fohlen dort siegen, wo die Fortuna aus Köln verlor. Für Demandt geht es im Titelkampf mit Lotte und Dortmund um den Aufstieg. „Es wird schwer für uns“, sagte er, „weil die Eintracht sich wohl gefangen hat und sicher nicht zu unterschätzen ist.“

Was Demandt auch gesehen hatte, war, dass Triers Bester nach 73 Minuten den Platz verließ. Chhunly Pagenburg war überraschend von Seitz nominiert worden. Er spielte anstelle von Christoph Anton neben seinem Freund und Wohngenossen Ahmet Kulabas im Sturm. Triers Trainer hatte die Rotation angeworfen. Für den ohnehin gesperrten Denny Herzig rückte Fabian Zittlau in die Innenverteidigung. Thomas Drescher war auf seiner angestammten linken Abwehrseite zurück in der Startelf. Rechts bot Seitz ebenfalls überraschend Benjamin Pintol im Mittelfeld auf. Daniel Bauer sollte im zentralen Mittelfeld die zuletzt so schmerzlich vermissten Ideen produzieren.

Ohne Eisbeutel geht es aber immer noch nicht. Den hielt Pagenburg nämlich in der Hand, als er nach Spielschluss in Richtung Kabine schritt. Die gepeinigten Muskeln brauchten Hilfe. „Ach, ich weiß nicht, ob ich heute wirklich der Beste war“, sagte er, „das sollen andere beurteilen.“ Das zufriedene Lächeln im erschöpften Gesicht aber sprach Bände. „Ich bin einfach nur froh, dass ich nach der langen Leidenszeit mit den vielen Verletzungen endlich wieder spielen konnte.“ Die Mannschaft habe ihre beste Leistung in der Rückrunde abgeliefert – das sei entscheidend. An der Einstellung habe es nie gemangelt. „Nein, ganz sicher nicht. Wir hatten einfach zum ungünstigsten Zeitpunkt ein Tief – leider.“ Der Druck sei weg. „Und auf einmal läuft es.“

Befreit von eben diesem lästigen Druck des Siegenmüssens präsentierte sich der ehemalige Titelkandidat von der Mosel gegen den Aufsteiger aus der Kölner Südstadt erfrischend spielfreudig. Kulabas und Pagenburg schienen ihre alte sportliche Liebe zueinander neu entdeckt zu haben. Symbolisch dafür die elfte Minute: Kulabas schickte den Freund vertikal auf die Reise. Pagenburg hatte aus spitzem Winkel die Führung auf dem Fuß, zog den Ball jedoch knapp am langen Pfosten vorbei. Schon vier Minuten zuvor war der ehemalige Nürnberger nach weitem Abschlag von André Poggenborg allein auf Kölns Torwart Dieter Paucken zugeeilt. Michael Kessel hatte Pagenburg nicht folgen können. Der setzte das Spielgerät allerdings in die zweite Etage über dem Tor der Gäste.

Köln war nur dann gefährlich, wenn schnell über die Flügel gespielt wurde. Als Fabian Montabell aus vollem Lauf in den Strafraum passte, fehlte Michael Lejan ein Schritt zum Abschluss. Der Fortune war frei vor Poggenborg aufgetaucht (14.). Lejan hatte auch die erste Möglichkeit des Spiels gehabt – nach Freistoß von Christian Pospischil (3.). Auch da fehlten nur Zentimeter zum Abschluss. Die weitaus besseren Möglichkeiten aber besaß die Eintracht. Etwa durch Kulabas nach Flanke von Pintol. Triers Stürmer setzte das Spielgerät mit dem Kopf an die Latte (25.). „Trier war einfach geiler auf den Sieg“, räumte Koschinat ein. „Und wir wollten wohl nur einen Spaziergang in dieser schönen Stadt unternehmen“, zürnte Kölns Trainer.

Kuduzovics Strafstoß bringt die Entscheidung

Im Gegensatz zu den schwachen Auftritten in den letzten Wochen versuchten die Trierer heuer, Fußball nicht nur zu arbeiten, sondern zu spielen. Pagenburgs Hereinnahme wirkte sich positiv auf den kreativen Fluss im Spiel aus. Immer wieder ließ er sich ins Mittelfeld zurückfallen, um dort Bauer im Aufbau zu unterstützen, um Überzahl zu schaffen und sich die Bälle notfalls auch selbst zu holen. Weil Kölns technische Möglichkeiten beschränkt waren und die Elf von Koschinat dem Gegner zudem durch ihre tiefe Verteidigung bereitwillig das Mittelfeld überließ, konnte die Eintracht kombinieren und dominieren. Was fehlte, war das Tor. Die Führung zur Pause wäre verdient gewesen. Das torlose Unentschieden schmeichelte hingegen den Rheinländern.

Koschinat muss seinen Spielern in der Kabine mächtig die Leviten gelesen haben. Die Fortunen versuchten jetzt zumindest, etwas höher zu verteidigen, um so selbst auf den Spielverlauf Einfluss nehmen zu können. Aktion statt Reaktion hatte Kölns Trainer seiner Elf als Motto mit auf den Weg durch die zweite Halbzeit gegeben. Das aber änderte nichts am klaren Trierer Chancenplus. Wieder war es Pagenburg, der die große Möglichkeit zur Führung vergab. Thomas Drescher hatte geflankt, Hollmann perfekt mit dem Kopf verlängert. Pagenburg aber zögerte frei vor Paucken einen Augenblick zu lange. Kölns Torwart konnte klären. Den zweiten Ball setzte Pagenburg über den Querbalken (57.).

Dann prüfte Drescher Paucken mit einem präzisen Freistoß. Wieder reagierte der Kölner Schlussmann glänzend, fischte den Ball aus dem Winkel (61.). Und auch Pintol scheiterte nach Eckball von Kuduzovic. Knapp strich die Kugel, vom Kopf des Trierers gelenkt, am Pfosten vorbei (62.). Die Eintracht machte zu wenig aus ihren Möglichkeiten. Nur das hielt Köln im Spiel. Als Lejan dann in der 70. Minute Poggenborg aus knapp 30 Metern vom Freistoßpunkt aus prüfte, wäre der Spielverlauf beinahe auf den Kopf gestellt worden. Triers Torwart aber stand dem Kollegen auf der Gegenseite in nichts nach. Mit den Fingerspitzen wehrte Poggenborg den Ball zur Ecke ab.

Angesichts der vielen vergebenen Möglichkeiten war es geradezu folgerichtig, dass die Begegnung durch eine Standardsituation entschieden wurde. Kuduzovic schickte Kulabas steil. Der war von Paucken nur durch eine Regelwidrigkeit zu bremsen. Schiedsrichter Pascal Müller entschied sofort: Strafstoß für die Eintracht. Kuduzovic verwandelte gewohnt sicher zur 1:0-Führung (84.). Dass der eingewechselte Hamdi Dahmani kurz vor Schluss vor dem leeren Tor vergab, passte zum schwachen Auftritt der Fortunen. Der Ausgleich wäre nach dem klaren Spielverlauf aber auch nicht verdient gewesen.

„Heute waren wir alle gut“, sagte Pagenburg. Dem hätte sich wohl auch Demandt widerspruchslos angeschlossen. „Angeschlagene Boxer sind immer gefährlich“, machte Mönchengladbachs Trainer die Anleihe beim Kampfsport. „Die Eintracht war angeschlagen, ist aber jetzt zurück im Geschäft.“ An Demandts Auftrag für Samstag ändert das aber nichts. „Wir wollen hier gewinnen, um im Titelrennen dabei zu bleiben.“ Sprach’s und verschwand von der Tribüne. In drei Tagen ist er zurück – dann auf der Tartanbahn als Trainer seiner Fohlen.

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Zittlau, Hollmann, Drescher – Karikari – Pintol (ab 71. Mvondo), Bauer, Kuduzovic – Kulabas (ab 89. Spang), Pagenburg (ab 73. Anton).

Fortuna Köln: Paucken – Yilmaz, Laux, Schäfer, Moritz – Kühn (ab 64. Dahmani), Nottbeck (ab 86. Caspers) – Pospischil, Lejan, Kessel (ab 76. Bartsch) – Montabell.

Tore: 1:0 Kuduzovic (84./FE)

Schiedsrichter: Pascal Müller (Löchgau)

Zuschauer: 1248

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