Geht da doch noch was?

Die Liga spielt verrückt. Lotte verliert, Dortmund verliert, Gladbach verliert. Und Eintracht Trier gewinnt. Am Samstagnachmittag zum vierten Mal in Folge. Diesmal mit 3:1 (1:1) Toren gegen den VfL Bochum II. Geht da jetzt doch noch was? „Nein“, sagte Roland Seitz mit einem leicht ungläubigen Blick auf die überraschenden Ergebnisse, „weil sich die Ausgangslage nicht geändert hat, weil immer noch drei Teams vor uns stehen.“ Mehrdeutig schob Triers Trainer nach: „Wir wollen in Schalke gewinnen.“ Was dann folgen kann, ließ er offen. „Nein“, sagte auch Thomas Drescher. „Weil wir immer noch zu weit weg sind, um zu hoffen.“ Diplomatisch fügte er hinzu: „Ich glaube zwar nicht, dass da noch was geht, aber – wir können noch 15 Punkte holen.“

TRIER. Köpfchen muss man haben. Wie Chhunly Pagenburg, wie Thomas Kraus, wie Fahrudin Kuduzovic. Trier entschied das Spiel gegen letztlich harmlose Bochumer vor 1298 Zuschauern im Moselstadion durch drei Treffer aus der Luft. Völlig zurecht, wie auch Thomas Reis meinte. Bochums Assistenztrainer, von 2004 bis 2005 selbst für die Eintracht in der zweiten Bundesliga am Ball, ließ keinen Zweifel am gerechten Ergebnis aufkommen. „Natürlich hat Trier verdient gewonnen“, sagte er. Seitz hätte seine Kopfbedeckung vor der Mannschaft gezogen, so er denn nicht barhäuptig zur Pressekonferenz erschienen wäre. „Hut ab, kann ich nur sagen, wie wir nach dem Rückstand trotz der kraftraubenden Wochen zurückgekommen sind“, sparte Triers Trainer nicht mit Lob für seine Spieler.

Dass die Eintracht gegen den VfL einen klassischen Fehlstart hinlegte, dürfte wohl kaum mit Hans-Joachim Doerfert zu tun gehabt haben. Der ehemalige Präsident weilte unter den Zuschauern. Schließlich wird den aktuellen Spielern noch nicht einmal der Name jenes Mannes etwas sagen, in dessen betrügerischem Sog der Verein das wohl bitterste Kapitel seiner inzwischen 107-jährigen Geschichte durchlaufen musste. Doerfert hatte nach Schlurfschritten hinauf zur Tribüne kaum Platz genommen, da lag sein alter Klub bereits in Rückstand. „Wir waren noch nicht richtig wach, da war es schon passiert“, stellte Seitz nüchtern fest.

Torge Hollmann gab Laurenz Wassinger 18 Meter vor dem Tor nur Geleitschutz, anstatt den Zweikampf konsequent zu suchen. Der Bochumer zog einfach mal ab, André Poggenborg war machtlos. Triers Torwart streckte sich zwar, konnte das 0:1 aber nicht verhindern. Der Trierer Kapitän hingegen schaute betreten zu Boden. Hollmann wusste: Das Ding ging auf seine Kappe. Andererseits war der Bochumer Treffer wie ein früher Weckruf. Von da an spielte – von wenigen sporadischen Kontern der Gäste abgesehen – nur noch der Favorit von der Mosel. „Unser Selbstbewusstsein ist seit dem Sieg über Köln zurück“, sagte Drescher. „Und das hat man dann auch gesehen.“

Chhunly Pagenburg eröffnete das Trierer Spektakel im Bochumer Strafraum in der 12. Minute. Der ehemalige Nürnberger verzog knapp. Zwei Minuten später hätten sich Julian Wolff und Daniel Fernandes beinahe selbst ein nachösterliches Ei ins Nest gelegt. Wollfs Rückpass auf seinen Torwart geriet völlig daneben. Der Ball hoppelte gegen den Pfosten; Pagenburg kam im Nachsetzen einen Schritt zu spät. Dann war es an Thomas Kraus, der erneut für Jeremy Karikari in der Startelf stand, den Ausgleich zu erzielen. Mit einem Heber wollte der Franke Fernandes überwinden. Nur um Zentimeter strich das Spielgerät am langen Pfosten vorbei (16.).

Das Tor für die Eintracht lag in der Luft. Und es kam – im Anschluss an den bis dahin schönsten Spielzug. Drescher schlug die Flanke von der Grundlinie aus wie im Lehrbuch beschrieben nach innen. Pagenburg lauerte dort, wo ein Stürmer stehen muss. Schulmäßig wuchtete er den Ball zum 1:1-Ausgleich über die Linie. Fernandes war ebenso machtlos wie zuvor der Kollege Poggenborg auf der Gegenseite. Der Treffer war überfällig gewesen, weil die Eintracht die Szene klar dominierte. Bochum kam bis zur Pause nur noch einmal gefährlich auf. Kevin Freiberger nutzte Hollmanns Stellungsfehler für seinen Lauf gegen Poggenborg. Fabian Zittlau störte noch, und so setzte der Bochumer die Kugel über die Querlatte (33.).

Kuduzovic macht den Sack zu

Mehr kam nicht von der Elf aus dem Ruhrgebiet. Bochum war mit dem Unentschieden zum Seitenwechsel noch gut bedient. Seitz hingegen konnte seinen Spielern den Vorwurf nicht ersparen, dass sie zu wenig aus ihrer klaren Überlegenheit gemacht hatten. Einsatz und Engagement stimmten aus Sicht des Trierer Trainers – nur das Ergebnis nicht. „Klar hätten wir zur Pause führen müssen“, sagte auch Drescher. „Wir waren zwar deutlich überlegen, aber vielleicht auch etwas zu hektisch.“

Das sollte sich auch durch die Hereinnahme von Alon Abelski ändern. Der lange verletzte Spielmacher kam für den angeschlagenen Pagenburg, der mit muskulären Problemen vom Platz musste. Kraus spielte fortan neben Ahmet Kulabas in der Sturmspitze. Die erste Möglichkeit hatte jedoch erneut Bochum. Wieder lief Freiberger allein auf Poggenborg zu, der genau im richtigen Moment aus seinem Tor eilte und klären konnte (48.). Der VfL hätte wiederum vorlegen können, das Tor aber machte der Gegner.

Dafür brauchte Kraus insgesamt drei Anläufe. Zwei in der 49. Minute, als er nach präziser Vorarbeit von Kuduzovic doppelt aus nur wenigen Metern vergab. Den dritten Anlauf nutzte der Franke dann mit dem Kopf zum 2:1. Kulabas hatte auf seinen Sturmpartner geflankt. Kraus sprang am höchsten und vollstreckte diesmal ohne Probleme. Bochums Gegenwehr ließ spürbar nach. Dennoch hatten die Gäste ihre Möglichkeit zum Ausgleich. Der Freistoß von Maximilian Jensen sorgte für Gefahr, weil Christoph Caspari am Ende einer Fehlerkette in der Trierer Hintermannschaft unbedrängt an den Ball kam. Den setzte der Bochumer allerdings unüberlegt über das Trierer Tor (64.).

Weil bei der Eintracht die Kräfte langsam nachließen, der VfL es nicht besser konnte, plätscherte das Spiel hernach langsam, still und leise vor sich hin. Dabei hätten die Ergebnisse von den anderen Plätzen durchaus für mehr Feuer sorgen können. Alle drei Aufstiegskandidaten lagen zurück: Lotte gegen Wuppertal (2:4), Dortmund, die Übermannschaft der Rückrunde, gegen den Tabellenletzten Koblenz (1:3) und Mönchengladbach in Idar-Oberstein (0:1). „Wir waren wirklich etwas platt“, räumte Drescher ein. „Aber das ist bei den vielen englischen Wochen ja normal.“

Als hätte ihnen dann doch ein guter Geist die Zwischenstände zugeflüstert, gaben Drescher und Kollegen in der Schlussphase noch einmal Gas. Kuduzovics Kopfballtreffer in der Nachspielzeit (90.+3) zum 3:1 nach feiner Vorarbeit des eingewechselten Olivier Mvondo machte den Sack endgültig zu. Was jetzt noch gehen könnte, wollte keiner so richtig aussprechen – auch der Trainer nicht. „Wir wollen weiter gewinnen, mehr nicht“, sagte Seitz. Als er dann noch vom Pokalgewinn sprach, der das große Ziel sei, spielte ein spitzbübiges Lächeln um seinen Mund. „Na ja, schau’n wir mal“, war alles, was er sich noch entlocken ließ.

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Zittlau, Hollmann, Drescher – Bauer – Pintol (ab 61. Mvondo), Kuduzovic, Kraus (ab 80. Karikari) – Kulabas, Pagenburg (ab 46. Abelski).

VfL Bochum II: Fernandes – Caspari, Götze, Kalina, Semlits – Wolff, Freiberger, Wassinger (ab 50. Hrustic), Thomas (ab 61. Opiola) – Jansen, Bulut (ab 72. Feldkamp).

Tore: 0:1 Wassinger (2.), 1:1 Pagenburg (23.), 2:1 Kraus (52.), 3:1 Kuduzovic (90.+3)

Schiedsrichter: Thomas Stein (Homburg/Main)

Zuschauer: 1298

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