„Für einen Totgesagten war das gut“

Mit einer wahren Energieleistung hat die DJK/MJC Trier am Freitagabend das erste von voraussichtlich zwei Abstiegsduellen gewonnen. Die Miezen siegten letztlich hochverdient und souverän gegen den SVG Celle mit 28:24 (16:14) Toren. Damit verlässt die DJK den Abstiegsplatz in der Handball-Bundesliga der Frauen. Alleiniges Schlusslicht ist jetzt Celle. Die Trierer Fans unter den 1800 Zuschauern in der Arena waren vom Auftritt ihrer Mannschaft restlos begeistert. Trainerwechsel, Finanzkrise und Negativschlagzeilen – nichts war davon auf dem Parkett zu bemerken. „Wir wollten die Probleme in den 60 Minuten einfach ausblenden“, sagte eine sichtlich erleichterte Silvia Solic, „das ist uns gelungen.“ Von der ersten Minute an habe die Mannschaft gezeigt, dass sie das Spiel gewinnen wolle. „Und dieser Sieg tut so etwas von verdammt gut, das kann sich kaum jemand vorstellen“, frohlockte die Trierer Kapitänin.

TRIER. „Na also, geht doch!“, murmelt Heinz Rühmann in seiner Paraderolle als legendärer Hauptmann von Köpenick. „Na also, geht doch“, wird sich am Freitagabend auch Interimstrainer Dago Leukefeld gedacht haben. Im Gegensatz zum Schuster Wilhelm Voigt brauchte der Thüringer allerdings keinen Säbel, keinen Offiziersrock und keine schimmernden Epauletten, um seinen Frauen Beine zu machen. Die liefen nämlich an diesem für die Miezen so erfolgreichen Abend ganz von selbst. Folglich konnte auch Leukefeld frohlocken: „Ich bin einfach nur froh, dass wir dieses Spiel gewonnen haben.“ Seine verbale Verbeugung galt nicht nur seinen Spielerinnen, sondern auch den Rängen: „Ich kann mich bei diesem phantastischen Publikum nur für die Unterstützung bedanken.“

Während Leukefeld auf seinem kleinen Hocker mitten auf dem Feld der weiten Arena seine Analyse abgab, genoss ein anderer den Triumph mit stiller Genugtuung. Immer wieder schaute Jürgen Brech zu den Plätzen hinauf, die Stimme heiser, das Hemd durchschwitzt, die Haare vom vielen Raufen während der Anspannung von knapp zwei Stunden wirr und wild. „Ich muss jetzt erstmal ‚runterkommen“, krächzte der Miezen-Vorstand mit Entzückung. „Der Frauenhandball in Trier ist nicht tot, wie das in der Zeitung in dieser Woche geschrieben wurde“, sagte er gegenüber 16vor. „Für einen Totgesagten war das heute nämlich gut – mit fast 2000 Zuschauern und dem Sieg unter diesen Voraussetzungen.“ Brechs Blick ging in die nahe Zukunft. „Ich hoffe jetzt einfach, dass die Sponsoren und Geldgeber sehen, welche Arbeit wir hier leisten, und dass die vom Publikum auch honoriert wird.“

Wo Fußballer und andere Profisportler angesichts ausgebliebener Gehälter längst kapituliert hätten, spielten die Miezen heuer so, als wäre für den Sieg über Celle sogar eine Sonderprämie zu erwarten. Deutlich sichtbar war allerdings die Nervosität auf beiden Seiten. Celle kam anfangs damit besser zurecht. Trier hingegen hatte vor allem gegen den Rückraum der Norddeutschen seine Probleme. Renee Verschuren und Natasja Antonewitch kamen zunächst gegen die flatterhafte Deckung der Miezen zu leicht zum Wurf. Die Abstimmung in der Trierer Verteidigung stimmte nicht. „Natürlich waren wir nervös“, räumte Leukefeld ein. „Aber das war ja bei der Konstellation auch verständlich. Schließlich ging es hier für beide Mannschaften um sehr, sehr viel.“

Als die überragende Jasmin Kukic-Radojicic nach zwölf Minuten Trier mit 9:8 in Führung warf, war der Bann gebrochen. Zuvor war es ein Hin und Her gewesen, jetzt aber hatten sich die Miezen den Gegner endgültig passend zurecht gelegt. Celle wirkte fahrig, während bei Trier die Schnelligkeit zunahm. Es war beileibe kein gutes Spiel, aber das war im Kampf der beiden noch sieglosen Mannschaften auch kaum zu erwarten gewesen. „Wir konnten dieses Spiel nur über unseren Kampfgeist gewinnen, nicht mit Schönspielen“, sagte Silvia Solic. Die Trierer Kapitänin ging mit leuchtendem Beispiel voran. Trotz Verletzung ließ sie sich immer wieder einwechseln, motivierte, monierte und führte. Auf der Bank sprach Leukefeld geradezu beschwörend auf seine Spielerinnen ein. Mit erhobenem Zeigefinger, Gesicht an Gesicht, gab der Thüringer seine taktischen Anweisungen.

Sie hörten zu, sie folgten, und das zahlte sich aus. Trier spielte, Trier kämpfte, während Celle sukzessive abbaute. Beim 16:14 zur Pause war die Begegnung zwar noch keineswegs entschieden. Doch die Tendenz war klar, weil die Miezen auch körperlich mehr zuzusetzen hatten. Obendrein kamen die schwachen Leistungen der Celler Torfrauen den Triererinnen zupass. Viele leichte Würfe der Miezen fanden ihr Ziel. Auf der Gegenseite aber parierte Sladjana Dieric auch in schwierigen Situationen. Folgerichtig baute Trier nach dem Wechsel seinen Vorsprung aus. Als Celle sieben Minuten vor Schluss den 26. Gegentreffer kassierte und zudem Desiree Comans mit Zwei-Minuten-Strafe verlor, war das Spiel entschieden.

„Natürlich muss man im Handball immer mit allem rechnen“, sagte Solic. „Aber zu diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass wir das Spiel gewinnen.“ Ihr selbst blieb es vorbehalten, die beiden letzten Trierer Tore zu erzielen. Eifrig schrieb auch die Spielführerin nach dem verdienten 28:24-Erfolg Autogramme für die kleinen Fans. „Was jetzt noch kommt, werden wir sehen, jetzt bin ich einfach nur froh, dass wir die beiden wichtigen Punkte geholt haben.“

Damit lag Solic auf einer Ebene mit Brech: „Ich habe es ja schon einmal gesagt: Wir müssen jetzt den Weg der kleinen Schritte gehen – in der Trainerfrage wie bei den Finanzen.“ Planen muss der Vorstand der Miezen aber definitiv ohne Leukefeld. Denn für den Interimstrainer war das Spiel gegen Celle eine einmalige Aktion auf der Trierer Bank. „Ich habe anderweitige Verträge, die ich erfüllen muss“, betonte der Thüringer. Vieles deutet – wie von 16vor bereits berichtet – auf Elena Vereschako hin, die frühere Trainerin der zweiten Mannschaft.

„Darüber werden wir uns in den nächsten Tagen Gedanken machen“, erklärte Brech. Das gilt dann auch für die Finanzsituation des Vereins. Denn nach Informationen von 16vor sind die von Manager Martin Rommel für den letzten Mittwoch avisierten 100.000 Euro, mit denen ein Teil der offenen Forderungen beglichen werden sollten, bisher noch nicht eingegangen. „Aber ich hoffe eben, dass die Sponsoren uns nach dem heutigen Sieg unterstützen, weil der Frauenhandball in Trier eben nicht tot ist, wie bereits prognostiziert wurde“, betonte Brech.

DJK/MJC Trier: Monz, Kockler, Dieric – Wilamowska (5), Vojcic (5/1), Zelmel (1), Premm (1), Vallet (2), Arnosova, Derbach (5), Kukic-Radojicic (9/3), Lennartz, Rost (2), Solic (2).

SVG Celle: Tanaka, Grimm – Comans (5), Geier, Lehnhoff, Verschuren (5), Antonewitch (6), Schulz E., Arens, Vasilescu (3), Meomartino (2), Loest, Schulz K. (2), Büttner (1).

Schiedsrichter: Immel/Klein

Zuschauer: 1800

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