Fashion für Fortgeschrittene

Mintgrüne Ledershorts, Rockstar-Chic und nachhaltige Kreationen – bei der Abschlussmodenschau der Modedesign-Absolventen der Fachhochschule Trier zeigten am Samstag elf Jungdesigner ihre Kollektionen. Unter dem Motto „Preview“ wurden in zwei interdisziplinär konzipierten Shows in der ehemaligen Reichsabtei St. Maximin sowohl funktionale Mode, als auch untragbare Looks für beiderlei Geschlechter vorgestellt. Vor allem die fulminante Schlusspräsentation von Dandie Zimmermann stieß beim Publikum auf große Begeisterung.

TRIER. Die Musik: pulsierende Beats. Das Publikum: jung, stylisch und gut gelaunt. Auf dem Catwalk: Mode, von extravagant bis absolut tragbar. Nur eines fehlt: die großen Stars. Ansonsten ist die Modenschau der Designstudenten der FH in St. Maximin kaum von den großen Defilees der Fashionweeks in Paris, New York oder Mailand zu unterscheiden. Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr treffen Absolventen, Dozenten und modebegeisterte Zuschauer aufeinander, um die Abschlussarbeiten der Jungdesigner bei zwei aufeinanderfolgenden Shows unter Augenschein zu nehmen. „Weniger Tamtam, mehr Professionalität“ scheint die Devise des Abends zu lauten, denn keine langen Reden oder Planungsfehler stören den Ablauf.

Das Konzept setzt Wert auf Interdisziplinarität. Die Modedesigner arbeiteten im Vorfeld mit benachbarten Bereichen zusammen: Studierende der Fachrichtung Intermediales Design setzten die Kollektionen äußerst gekonnt in Form von Inspirationsfilmen in Szene, außerdem durften Kommunikationsdesigner und Innenarchitekten mitwirken. Die Kooperation vor und hinter den Kulissen scheint zu funktionieren, denn der Abend läuft reibungslos ab. Im Zentrum stehen die elf Absolventen, die ihre Arbeiten während einer rund zweistündigen Show nicht nur Familie, Freunden und Publikum, sondern auch dem Prüfungsausschuss vorführen.

Religion, Weiblichkeit und Minimalismus

Gleich die erste Kollektion, „Dubai Dreams“ von Belkis Baharcieva, überrascht: Die Absolventin wagt – wie viele andere an diesem Abend – einen Blick in die Zukunft. Ihre Vision: fließende Stoffe, gerade Schnitte, Sarouel-Hosen, sakral wirkende Kapuzenumhänge und moderne Varianten des Kopftuchs. Die schlanken Models ziehen ihre Kreise zu Achtziger-Pop in bequem wirkenden Roben in den Farben Sand, Blau und Braun. Sicherlich eine Spur zu gewagt für manchen Sittenwächter im Mittleren Osten, jedoch eine gelungene Interpretationen von religiöser Mode. Eine vollkommen andere Form von Weiblichkeit findet man bei Johanna Pscheidt. „Bohemian Rhapsody“ nennt sie ihre Kollektion mit süßen Kleidchen, kurzen Röcken und Tights. Lockerleicht und sinnlich – mit wenigen Worten lassen sich die feinen Entwürfe in Pastell- und Nudetönen beschreiben. Farbakzente werden durch Prints im Stile von Matthew Williamson gesetzt. Kurzum: eine Prise Landhaus, vermischt mit Romantik für den modernen Hippie.

Diese Beschreibung passt ganz und gar nicht auf die Kollektion „F(X)=C; X=C“ von Markus Junker. Der Jungdesigner setzt auf klare Schnitte, metallisch schimmernde Stoffe und Transparenz. Vorherrschend sind wieder Nudetöne, aber einige Farbtupfer – ein Minikleid in Apricot oder zitronengelbe Kurzhandschuhe – versöhnen. Alle Entwürfe scheinen tragbar, vor allem das, was von den wenigen Männermodels am muskulösen Leib vorgeführt wird. Weniger für denn Alltag, aber dafür ähnlich futuristisch: die graphischen bis organischen Werke von May Bernardi. Sie setzt in ihrer Arbeit unter dem schmucklosen, jedoch funktional wirkenden Titel „FW 2012/13“ ebenfalls auf Transparenz und überrascht mit Raffungen, gamaschenähnlichen Strumpf-Schuh-Kombinationen und Materialien wie Neopren und Loden.

Natur versus Stadt

Auch bei Stephan Schmitt finden sich sowohl natürliche, als auch artifizielle Strukturen. Die Models – übrigens auch einige älteren Jahrgangs – wandeln in Schwarz, Rot, Grau und Nude über den Catwalk. Die Kombinationen wirken mal sportlich, mal elegant. Wohlfühlmode, eleganter Business-Look oder das Kleine Schwarze: Schmitt setzt in seiner Kollektion „Gem.“ metallische Stoffe, groben Strick und netzartige Strukturen zu optisch überzeugenden Ensembles zusammen. Eine andere Form der Ideenfindung wählte Miriam Eicke-Schulz, die in „Escapation“ die Geschichte der Tänzerin Anita Berber, einer schillernden Persönlichkeit der Goldenen Zwanziger, in Stoff, Spitze und transparenten Materialien zum Leben erweckt. So abwechslungsreich wie die Vita des früheren Berliner It-Girls ist auch die Kollektion der jungen Designerin. Vor allem die gewagteren Looks, beispielsweise in Kombination mit Overknee-Strümpfen, stechen dem Publikum ins Auge.

Christina Tanneberger ließ sich für ihre Mode unter dem Motto „Fassade“ von der Vielfalt der Architektur inspirieren. Umgesetzt zeigt sich dies in geometrischen Drucken und Schnitten. Die wahren Eyecatcher in ihrer Kollektion sind jedoch die Teile aus mintgrünem Leder, Shorts und Miniröcke, die sie gekonnt mit Strick kombiniert. Auch ein rostrotes Kleid mit Cutouts zeigt ein Gespür für Form und Farben. Dies kann man der Kollektion „Lumineszenz“ von Anna Gronbach, die sich Anregungen in der Unterwasserwelt holte, nicht auf Anhieb bescheinigen. Die Strandmode in Weiß, Türkis, Anthrazit und Zitrusfarben wirkt auf den ersten Blick recht einfach, denn ihre wahre Schönheit entfaltet sie erst unter Schwarzlicht, das fluoreszierende Spielereien zum Vorschein bringt.

Denim und Funktionales

Nur schwer von manchen Outfits der Gäste am Catwalk zu unterscheiden sind die Entwürfe von Sina Steidigner. „Used Unique“ ist der Name ihrer Denimkollektion, die mit dunklen Jeans in diversen Schnittformen und legeren Tops überzeugt. Auffallend: die Oberteile in Altrosa. Wieder etwas weiter weg vom Mainstream dagegen der Look, den Ines Zacharias unter „Connected.“ aufbietet. Bei der Arbeit an der Kollektion verwendete sie nur ökologische Materialien, die sie mit recycelten Stoffen zu einem rockigen Gesamtwerk verbinden konnte. Nachhaltigkeit ist hier das Schlüsselwort.

Auf das Highlight des Abends müssen die Zuschauer jedoch bis zum Schluss warten: die Präsentation von Dandie Zimmermann. Ein nahezu unbekleidetes Model tritt auf den Catwalk und wird dort von zwei männlichen Gehilfen eingekleidet. Der Clou: Die Tasche verwandelt sich in ein Cape, aus dem Mantel mit Ledereinsätzen wird ein Rock. Danach lässt er weitere Teile aus der Kollektion „Anonym“ vorführen, die von cool bis romantisch, von maskulin bis feminin einfach alles in sich vereinen. Welches Kleidungsstück in Wirklichkeit eine ganz andere Funktion inne hat – es bleibt ein Rätsel. Eine Präsentation mit Seltenheitswert, ein echter Wachrüttler!

Nach dem Studium dürfen die elf Absolventen nun in der Berufswelt durchstarten. Einige werden sicherlich bei den Großen wie Michalsky, Hugo Boss oder Wunderkind anklopfen, bei denen sie bereits ein Praktikum absolvierten. Johanna Pscheidt kann sich womöglich noch etwas Zeit lassen, denn sie ist die Erste, die das Fach in Trier nach drei Jahren mit einem Bachelor of Arts abschließt. Jetzt folgt eine neue, jüngere Generation von Studenten und womöglich auch ein überarbeitetes Showkonzept, denn im Gegensatz zu ihren Diplom-Kollegen müssen die Bachelor-Studenten als Abschlussarbeit wohl keine große Kollektion vorführen – schade eigentlich. Die ersten Master-Absolventen werden den Fachbereich Modedesign erst im Frühjahr 2013 verlassen.

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