Ein rabenschwarzer Tag

Nein, so spielt kein Titelkandidat. Am Tag nach der Vertragsverlängerung mit Trainer Roland Seitz, womit der Vorstand auch ein Zeichen für die Mannschaft setzen wollte, unterlag Eintracht Trier dem SC Idar-Oberstein vor 2076 Zuschauern im Moselstadion mit 0:1 (0:1) Toren. Und das völlig verdient, weil der Aufsteiger von der Nahe sein Potenzial ausschöpfte, derweil der SVE über die gesamte Spielzeit alles schuldig blieb. Seitz machte es kurz und bündig. „Da ist jedes Wort zu viel“, sagte er mit versteinerter Miene. Wortlos schritt er nach der kurzen Erklärung an den Journalisten vorbei. Die Leistung seiner Mannschaft hatte ihm gehörig die Stimmung verhagelt. Durch die Niederlage rutscht die Eintracht auf den dritten Tabellenplatz ab – jetzt fünf Punkte hinter Lotte und einen Zähler hinter Mönchengladbach, die beide noch ein Spiel in der Hinterhand haben.

TRIER. Nach gut 70 Minuten reichte es ihm. Bernhard Trares packte Stift und Block zusammen – er hatte genug gesehen. „Den Rest vom Spiel lese ich mir im Internet durch.“ Viel hat der Trainer von Schalke II da nicht zu lesen. Der ehemalige Profi von Werder Bremen war vom Auftritt der Eintracht ebenso entsetzt wie die meisten der über 2000 Zuschauer. Auch als Trares gegangen war, tat sich kaum noch etwas. Der eingewechselte Wojciech Pollok hätte in der 82. Minute nach scharfer Hereingabe von Thomas Drescher zumindest noch einen Punkt für die Eintracht retten können. Doch auch das sollte nicht sein, weil Pollok den berühmten Schritt zu spät kam.

Der Kapitän musste die Blamage an seinem 30. Geburtstag über 90 Minuten hinweg auf der Bank ertragen. Torge Hollmann kam nicht zum Einsatz. Verschärfte Gedanken zur Niederlage machte er sich dennoch. „Heute haben wir als Mannschaft einfach nicht gut gespielt, so kann man gegen einen solch kompakten Gegner nicht gewinnen.“ Für Idar-Obersteins Trainer Sascha Hildmann war das der Schlüssel zum Erfolg. „Wir hatten uns ja einiges vorgenommen, und genau das haben wir auch umgesetzt“, sagte er. „Ein großes Lob an meine Mannschaft.“ Kollege Seitz konnte nur nicken: „Ich bin sehr enttäuscht. Wir haben es einfach nicht geschafft, den gegnerischen Riegel zu knacken.“

Natürlich wird auch der Druck auf Trier immer höher. Doch das gehört zum Geschäft. Unabhängig vom Tabellenführer aus Lotte: Die Eintracht muss ihre Hausaufgaben erledigen. Die Pflichtaufgaben zudem möglichst souverän. Das sind die Signale, die man im Tecklenburger Land nicht gerne hört. Der Verfolger von der Mosel lässt nicht locker. Lotte kann gewinnen, wie am Freitagabend gegen Schalke, der Konkurrent legt nach. Keine Atempause, es geht voran. Geschichte soll dann im Mai geschrieben werden – mit dem Aufstieg.

Kontraproduktiv ist da, wenn der Anspruch, das Spiel vor und in des Gegners Strafraum festzuzurren, eklatante Nachlässigkeiten in der eigenen Abwehrarbeit bewirkt. Selbst gegen die vermeintlich Kleinen der Klasse muss auch ein Titelaspirant auf der Hut sein. Seitz hatte sich bewusst auch gegen den Aufsteiger für ein verstärktes Mittelfeld mit vier Mann entschieden. Stets hatte Triers Trainer Schwächen bei seiner Mannschaft in der zentralen Rückwärtsbewegung ausgemacht. Die sollten durch kompakte Arbeit in der Platzmitte ausgeglichen werden.

Die sechste Minute bestätigte Seitz in seiner Kritik erneut. Neuzugang Daniel Bauer, der den gesperrten Jeremy Karikari vertrat, hätte die Mitte zumachen müssen. Doch auch sonst fühlte sich niemand für Eric Wischang zuständig. Also nahm Obersteins Mittelfeldspieler einfach mal aus 20 Metern Maß. Wer so frei ist, muss die Gunst der Sekunde auch nutzen. Ein Schuss, ein Strich, ein Tor. Mit dem linken Fuß hatte Wischang das Spielgerät unter die Latte gewuchtet. André Poggenborg konnte sich noch so strecken: Triers Torwart war machtlos. „Da haben wir als Mannschaft auch taktisch schlecht ausgesehen“, beschrieb Bauer die Situation im Rückblick.

Karikari fehlt an allen Ecken und Enden

Statt Lockerheit, Spielwitz und Ideen zu versprühen, schlich sich jetzt der Krampf ins Spiel des Titelaspiranten. Karikari fehlte an allen Ecken und Enden. Er eröffnet normalerweise die Angriffe der Eintracht, er ist es, der die Bälle verteilt, Übersicht ausstrahlt, beruhigt oder beschleunigt. Ersatzmann Bauer mühte sich. Aber offenkundig war, dass der ehemalige Magdeburger noch nicht im System des SVE angekommen ist. Von ihm kamen keine Impulse. „Klar war das nicht einfach für mich“, sagte Bauer. „Aber das war im ersten Spiel auch zu erwarten.“ Enttäuscht sei er, dass er ausgerechnet das vor eigenem Publikum verloren habe. „Idar-Oberstein hat das aber auch gut gemacht, und uns ist kaum etwas eingefallen.“

Die Nahestädter brauchten keine Impulse. Für sie war es nach der Führung ihr Spiel. Stehen, schauen, ab und an mal in der dichten Staffelung vor dem eigenen Strafraum verschieben. Elf Mann sichern ab, und vorne hilft der Zufall oder höchstens noch der liebe Gott. Das reichte, um den hohen Favoriten zurechtzustutzen. Als Ahmet Kulabas in der 26. Minute aus 18 Metern vergab, war dies das erste offensive Lebenszeichen des Titelaspiranten. Kulabas war es auch, der Sekunden vor dem Pausenpfiff von Schiedsrichter Dominik Bartsch erneut nicht konsequent genug abschloss. Da scheiterte Triers Stürmer aus sechs Metern. Mehr kam nicht von der Eintracht. Idar-Oberstein arbeitete den knappen Vorsprung über die Zeit. Beim Seitenwechsel war die Führung des Aufsteigers trotz spielerisch beschränkter Mittel nicht einmal unverdient.

Seitz hatte genug vom lethargischen Alibifußball seiner Mannschaft. Für den bei weitem nicht frischen Chhunly Pagenburg kam Fabian Zittlau, für Thomas Kraus Wojciech Pollok. Zwei Stürmer sollten es jetzt richten. Zittlau bearbeitete fortan die linke Außenbahn, Fahrudin Kuduzovic wechselte auf die rechte Seite. Am schwachen Bild, das die Eintracht bis dahin abgeliefert hatte, änderte sich auch durch die Umstellungen nichts. Nach wie vor prägte Ideenlosigkeit die Aktionen der Gastgeber. Der Tabellenzweite kam erst überhaupt nicht in die gefährlichen Zonen, von Tormöglichkeiten ganz zu schweigen.

Der Ball lief zwar, aber mehr quer oder zurück als vertikal nach vorne. Sinnvolles Kombinationsspiel war nicht vorhanden. Dabei ist ein solch statisches Abwehrbollwerk, wie Idar-Oberstein das in Trier aufzog, nur durch Schnelligkeit zu knacken. In den Rücken der Abwehr muss man kommen, möglichst über die Flügel, um so zu verhindern, dass der Gegner ausnahmslos nach vorne verteidigen kann. „Aber auch das haben wir nicht geschafft“, sagte Bauer.

Mit der Einwechslung von Tolgay Asma (69.) spielte Seitz seinen letzten Trumpf aus. Der gebürtige Berliner kam für Kuduzovic. Asma sollte für jene Kreativität sorgen, die im Spiel der Eintracht so schmerzlich vermisst wurde. Er kann das, aber nicht an diesem Tag, der wahrlich nicht jener des Titelfavoriten von der Mosel war. Polloks vergebene Großchance war bezeichnend. Ein paar Zentimeter fehlten zum Ausgleich. Nichts passte, nichts gelang.

Trares aber konnte sich ohne große Sorgen entspannt auf den Heimweg machen. „Aber ich denke, dass sie sich nächste Woche gegen uns anders präsentieren werden“, sagte er noch. „So einen rabenschwarzen Tag erwischt man ja nicht immer.“ Dann ist die Eintracht in der Mondpalast-Arena von Herne gegen Schalke gefordert. Der Druck allerdings ist nicht geringer geworden – im Gegenteil.

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Bauer – Kraus (ab 46. Pollok), Abelski, Kuduzovic (ab 69. Asma), Pagenburg (ab 46. Zittlau) – Kulabas.

SC Idar-Oberstein: Kornetzky – Garlinski, Schunck, Lehmann, Wischang (ab 90. Galle) – Schmell, Maurer, Vetter, Schwartz (ab 87. Cordier), Mertinitz – Stumpf (ab 68. Gündüz).

Tore: 0:1 Wischang (6.)

Schiedsrichter: Dominik Bartsch (Wertheim/Main)

Zuschauer: 2076

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