Liberaler Hoffnungsträger a. D.

Wirtschafts- und Kulturdezernent Thomas Egger verlässt die Liberalen, die sind somit nicht mehr im Stadtvorstand vertreten. Entsprechende Gerüchte kursierten seit Monaten, am Montagabend wurden sie zur Gewissheit. Immer wieder war es in den vergangenen Jahren zu teils offenen Auseinandersetzungen zwischen der Partei und ihrem Spitzenkandidaten von 2009 gekommen – das Alkoholverbot an Weiberfastnacht und die Brezel-Entscheidung sind zwei Beispiele für einen Entfremdungsprozess, der in Zerrüttung endete. Mit drei dürren Sätzen verabschiedeten die Trierer Liberalen am Montagabend ihren einstigen Hoffnungsträger, der machte vor allem Bundes- und Landes-FDP für seinen Schritt verantwortlich. Beschädigt sind alle Beteiligten, nützen dürfte der Parteiaustritt weder der FDP noch Egger.

TRIER. Die Kommunalwahl lag erst wenige Wochen zurück, da kam es zum Eklat: Überraschend wählten die Liberalen ihren Vizechef ab. Der hieß zwar nicht Egger, sondern Dr. Karl-Josef Gilles, doch war der Filscher zu diesem Zeitpunkt bereits als Kandidat für das Amt des Vorsitzenden der Ratsfraktion gesetzt – für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass der Parteichef wenige Monate später in den Stadtvorstand wechseln würde. Derart verärgert war Gilles über die Abwahl, dass er für einige Wochen seine Parteimitgliedschaft ruhen ließ und sogar mit seinem Austritt aus der FDP drohte. Am Ende ließ sich der Ex-Christdemokrat wieder erweichen und rückte an die Spitze der Fraktion. Die Turbulenzen sollten sich fortsetzen. Als 2011 niemand Geringeres als der seinerzeitige Generalsekretär der Bundes-FDP, Christian Lindner, die Liberalen auf deren Neujahrsempfang beehrte, hinderte Gilles dies nicht daran, vor versammelter Mannschaft mit den eigenen Leuten abzurechnen; der Gast aus Berlin staunte nicht schlecht, die Trierer Liberalen waren konsterniert, die Medien hatten etwas zu berichten.

Wenige Wochen nach diesem denkwürdigen Auftritt der nächste Schlag für Egger: Die Ratsfraktion kündigt das Ampelbündnis auf. Der Auslöser war auf den ersten Blick eine Petitesse: Gegenüber 16vor hatte Grünen-Ratsmitglied Gerd Dahm allzu offenkundig frohlockt, dass die Freidemokraten bei der Landtagswahl aus dem Mainzer Parlament geflogen waren. Gilles schäumte. Schon zuvor hatte sich zwischen Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen erhebliches Misstrauen aufgestaut, war das „Bündnis für Trier“ brüchig geworden. Dass die Fraktion die Zusammenarbeit ohne vorherige Abstimmung mit der Partei aufkündigte, musste Egger als Affront werten – und ihn schlecht aussehen lassen. Schließlich wäre der Jurist ohne dieses Bündnis nicht in sein heutiges Amt gekommen. Nur die Wahl Eggers sicherte SPD und Grünen nach der Kommunalwahl die Unterstützung der FDP und damit eine denkbar knappe Mehrheit im Rat; ohne die Zusicherung des Dezernentenpostens aber wäre Eggers Neigung für ein Ampelbündnis deutlich geringer ausgefallen. Hätten es die Mehrheitsverhältnisse hergegeben, er hätte sich auch von der CDU wählen lassen.

Im Herbst 2011 kündigte Egger dann an, den Kreisvorsitz an Tobias Schneider zu übergeben. Als Grund für den Stabwechsel nannte er die Doppelbelastung aufgrund seines Beigeordnetenamts. Außerdem werde er bekanntlich 2014 nicht wieder für den Stadtrat kandidieren können, deshalb brauche es neue Gesichter bei den Freidemokraten. Doch schon damals war unübersehbar, dass Egger mit seiner Partei haderte – und das auf allen Ebenen. Wiederholt forderte er den Bundesvorsitzenden Philipp Rösler zum Rücktritt auf, kritisierte auf Facebook offen den Kurs seiner Partei und die Performance ihres Führungspersonals. Dabei lässt die eigene Bilanz des eloquenten Kommunalpolitikers bislang ebenfalls zu wünschen übrig: Große Erfolge kann dieser auch nach drei Jahren als Wirtschafts- und Kulturdezernent nicht vorweisen. Fragt man etwa unter Gewerbetreibenden nach, wie sie denn die bisherige Arbeit des Wirtschaftsdezernenten beurteilen, kommt die Rede sehr schnell auf dessen Vorgängerin Christiane Horsch (CDU), die in der Nachschau plötzlich viel Lob erhält. Andere merken an, OB Klaus Jensen habe in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit, als er die Wirtschaft zur „Chefsache“ gemacht hatte, mehr Präsenz gezeigt als Egger.

Der verlor unterdessen immer mehr die Lust an seiner Partei, und eventuell gaben ihm die Kampagne der Jungen Liberalen und Äußerungen von FDP-Kreischef Tobias Schneider im vergangenen Karneval den Rest. Gegen die massiven Sicherheitsvorkehrungen von Polizei und Ordnungsamt an Weiberfastnacht war vor allem der freidemokratische Nachwuchs zu Felde gezogen. Ordnungsdezernent Egger verhehlte nicht, dass er diese Aktionen für ziemlich daneben hielt. Zuvor hatte er mit der Brezel-Entscheidung, die maßgeblich auf Betreiben Gilles‘ zustande kam, einen Dämpfer wegstecken müssen. Als am Samstag dann das Internet-Portal lokalo meldete, Egger werde aus der Partei austreten, eskalierte sie Situation vollends.

Egger erklärte am Montagabend, die Gründe für seinen Parteiaustritt lägen „nicht so sehr in einer Unzufriedenheit mit dem örtlichen Kreisverband und dessen Arbeit. Vielmehr finde ich mich immer weniger in den Positionen und tagespolitischen Entscheidungen auf Bundesebene wieder. Und es steht nicht zu erwarten, dass sich hieran für die Bundestagswahl 2013 und die Zeit danach nachhaltig etwas ändert“. Auch landespolitisch habe er sich „immer mehr von der Partei entfernt. Die Strategie der Landespartei, quasi in Fundamentalopposition auf die Regierungsparteien zu schießen, ohne eigene konstruktive Vorschläge zur Lösung der anstehenden Fragen dagegen zu halten, überzeugt mich nicht und wurde durch die Vorstandswahlen auf dem letzten Landesparteitag leider verfestigt“. All dies lasse die FDP „nicht mehr als ‚meine‘ Partei ansehen und veranlasst mich zu diesem Schritt, der mir nach über zwanzig Jahren Parteimitgliedschaft wahrlich nicht leicht gefallen ist“.

Folgerichtig erscheint der Schritt dennoch – der Kreisverband und ihr einstiger Vorsitzender hatten sich am Ende nichts mehr zu sagen, wie auch die Mitteilung von FDP-Chef Tobias Schneider vom Montagabend belegt: „Wir bestätigen, dass Thomas Egger heute gegenüber dem Vorstand der Trierer FDP seinen Parteiaustritt erklärt hat. Wir bedauern diesen Schritt und danken Thomas Egger für die Arbeit, die er während seiner Parteizugehörigkeit geleistet hat. Für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir Thomas Egger alles Gute.“ Kühler kann man einen einstigen Hoffnungsträger kaum verabschieden.

Beschädigt sind nun alle Beteiligten. Der Parteiaustritt wird Egger, der nach eigener Darstellung als parteiloser Dezernent weitermachen will, nicht nützen – und seiner früheren Partei kaum helfen. Nach dem Abgang von Dr. Stefanie Lejeune und dem Verlust des Hoffnungsträgers von 2009 haben die Freidemokraten ein offenkundiges Personalproblem. Zwar können sie mit einer engagierten und hoch motivierten Truppe von Nachwuchspolitikern aufwarten, doch das allein dürfte kaum reichen, um die eigene Klientel bei der Kommunalwahl 2014 bei der Stange zu halten. Und auch für den Dezernenten wird es nicht leichter, denn schon jetzt gibt es nur noch wenige im Rat, auf deren Unterstützung er sich im Ernstfall wirklich verlassen könnte. 

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