„Der Punk in mir steuert mein ganzes Handeln“

Dirk Bernemann liest heute um 20 Uhr im "Kokolores" am Domfreihof. Foto: PromoDirk Bernemann ist sicher einer der interessantesten jungen Autoren in Deutschland. Seine Lust am Formulieren ist fast jedem seiner Sätze anzumerken. Seine fast schon schmerzhaft abgründigen Geschichtensammlungen „Ich hab die Unschuld kotzen sehen, 1 und 2“, die laut „Wikipedia“ verfilmt werden sollen, genießen Kultstatus. Heute um 20 Uhr liest der sympathische Dandy der deutschen Punk- und Pop-Literatur im „Kokolores“ am Domfreihof. Uwe Reinhard sprach mit dem 38-Jährigen über Missverständnisse in Trier, musikalische und literarische Nebenprojekte und dessen Verhältnis zur Sprache.

16vor: Du bist im Moment auf Tour und liest heute im „Kokolores“ am Dom. Warst du schon mal in Trier oder ist es das erste Mal?

Dirk Bernemann: Ja, Trier war immer cool. Ich glaube, das ist meine dritte oder vierte Lesung hier. Bislang lief es immer gut und ich habe mich hier stets amüsiert. Die Stadt ist ja irgendwie auch schön, ich habe ihr sogar mal einen Text gewidmet, als ich zufällig an den „Heilig-Rock-Tagen“ hier war, und ich das für ein christliches Metalfestival gehalten habe.

16vor: Dein wohl bekanntestes Buch heißt „Ich hab die Unschuld kotzen sehen“, dein neuestes Werk „Asoziales Wohnen“. Ist das der Punk in dir, dem solche Titel einfallen?

Bernemann: Der Punk in mir steuert quasi mein ganzes Handeln, vor allem auf der Bühne. Titelgebung ist immer eine spannende Sache bei mir und entsteht meistens erst, wenn das Buch schon längst fertig ist.

16vor: Es ist für Außenstehende ja immer interessant zu erfahren, warum jemand das macht, was er macht. Ich hoffe, ich liege nicht falsch, wenn ich dir unterstelle, dass du in Sprache verliebt bist und dich auch schon mal über deine eigenen Sätze begeistern kannst. Was treibt dich sonst noch an?

Bernemann: Ja, Sprache ist Liebe, das ist in der Tat sehr richtig. Mein Antrieb ist quasi auch so eine Art Schreibzwangsneurose. Wenn ich lange nicht schreiben kann, werde ich unglücklich.

16vor: Du schreibst viel über andere. In „Asoziales Wohnen“ etwa geht es um verschiedene Charaktere in einem Mietshaus, die mehr oder weniger alle nicht auf der glücklichen Seite des Lebens zuhause sind. Charles Bukowski hat mal gesagt, „Menschen sind die größte Show“ oder so ähnlich. Siehst du das auch so?

Bernemann: Ja, Menschen und ihre Tiefen sind immer schon ein Thema gewesen. Ich versuche immer auszuloten, was bei den Leuten so los ist, und es klingt zwar immer wie ein krasses Klischee, aber ich beobachte sehr viel und alle Eindrücke gehen durch viele Filter, bevor ich anfange, daraus Sätze und Geschichten zu formulieren. Bukowski-Vergleiche auf meine Person gemünzt finde ich aber immer irgendwie ungünstig.

16vor: Ich habe vor einiger Zeit mitgekriegt, dass du auch Musik machst. Ist das noch aktuell? Wenn ja, magst du was darüber erzählen?

Bernemann: Ja, es wird ein Spoken-Word-Solo-Album werden, das wahrscheinlich im Januar oder Februar erscheint und meine Vorliebe für Postrock-Kulissen zeigt. Das ist echt schön geworden, ziemlich atmosphärisch und düster irgendwie. Ich habe alle Instrumente selbst eingespielt und mein Kumpel hat in seinem Homestudio alles aufgenommen und schön in Szene gesetzt.

16vor: Dein Webblog trägt den schönen Titel „Der unauffällig Fallende“. Sind die Beiträge dort eher als Schreibübungen zu betrachten oder wird mehr daraus werden?

Bernemann: Das sind meistens Dinge, die beim Schreibprozess an den Romanen runterfallen, aber für mich zu schade sind und qualitativ zu hochwertig, sie nicht zu zeigen. Das kommt in meinen Blog, aber auch persönliche Nachrichten. Ich bin kein typischer Blogger, der da täglich über seinen Emotionshaushalt oder sonstwas labert, sondern das sind unregelmäßig veröffentlichte Texte.

16vor: Irgendwo habe ich gelesen, Dirk Bernemann müsse man nicht großartig vorstellen, „seine Werke genießen einigen Kultstatus“. Ist das cool, so was über sich zu hören oder eher befremdlich?

Bernemann: Es ist bestimmt nett gemeint von denen, die sowas äußern, allerdings ist es schon befremdlich, für seine Arbeit so hart gefeiert zu werden. Das passiert ja auch nicht ständig. Wenn es passiert, bedankt sich der Autor artig und geht von dannen, etwas fröhlicher als zuletzt.

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