Diesmal ist Seiferth der Riese

Hagen war die Ausnahme, und die bestätigt ja gewöhnlich die Regel, dass Anhänger der TBB Trier bei einem Heimspiel nie ohne Krimi ins Bett gehen. So geschehen erneut am Samstagabend, als die Mannschaft von Henrik Rödl die durchaus favorisierten EWE Baskets Oldenburg vor 3298 Zuschauern in der Arena erst nach Verlängerung besiegen konnte. Am Ende triumphierte Trier mit 82:73 (38:37; 69:69). „Nach der Niederlage in Bamberg war heute sicher auch viel Wut im Spiel“, sagte Rödl. Seine Schützlinge seien in ihrem Stolz verletzt gewesen. „Und deswegen bin ich heute stolz darauf, welchen Charakter meine Spieler gezeigt haben.“ Kollege Predrag Krunic konnte nur gratulieren. „Wir hatten sicher auch unsere Möglichkeiten, das Spiel zu gewinnen“, sagte der Oldenburger Trainer. „Aber aufgrund der Verlängerung ist der Sieg für Trier absolut verdient.“

TRIER. Das konnte und durfte er richtig genießen. „Aaaandreas Seiferth“, tönte es aus dem Trierer Block. Einmal, zweimal, dreimal. Also griff er zum Mikrophon. Was dann kam, ist schon obligatorisch: „Humba, humba, täterä!“ Der Triumphmarsch der TBB-Familie. Heuer war Seiferth der Riese. Gewöhnlich steht er im Schatten von Maik Zirbes, diesmal waren die Rollen vertauscht. Rödl bewies wieder einmal ein glückliches Händchen. Mit der Intuition des empathischen Trainers setzte er in den entscheidenden Phasen auf den gebürtigen Berliner. Und der zahlte das Vertrauen mit 19 Punkten und der so wichtigen Nervenstärke in der Verlängerung zurück. „Heute hat einfach alles gepasst“, sagte Seiferth bescheiden. „So Tage gibt es manchmal, und das ist dann sehr schön.“

Wie immer saß Rödl auf seinem Stuhl, als seine Spieler ausgelassen feierten. Wie immer war der Hesse tief in die Statistik vertieft. Seine eruptionsartigen Freudenausbrüche sind nur von kurzer Dauer. Er genießt als Pragmatiker lieber still vor sich hin. Später lobte er John Bynum – und natürlich auch Andreas Seiferth. „John will ich hervorheben, weil er Dru Joyce hervorragend ersetzt hat, als der vom Feld musste.“ Bei Seiferth verwies Rödl auf dessen Entwicklung. „Man sieht, wie er sich weiterentwickelt hat und hart an sich arbeitet.“ Doch Rödl wäre nicht Rödl, hätte er nicht bei allem Sonderlob das Kollektiv in den Vordergrund gerückt. „Andreas ist heute auch gut von seinen Mitspielern eingesetzt worden, und meine Mannschaft hat nach dem Schock von Bamberg die richtige Reaktion gezeigt.“

Schließlich hatten sie etwas gut zu machen bei ihrem Publikum. Weit weniger wegen der Niederlage beim Tabellenführer an sich, als vielmehr wegen deren Höhe. Denn die Klatsche mit 42 Punkten Unterschied in Franken am vergangenen Mittwoch kam schon einer Demütigung gleich. Entsetzt hatten sich viele Freunde der TBB die Augen gerieben, wohl verbunden mit der Frage: Lohnt es sich überhaupt, gegen Oldenburg in die Arena zu kommen nach dem Debakel von Bamberg? Dies vorweg: Es lohnte sich – unabhängig vom Ergebnis. Weil Rödls Spieler eben nie an gestern denken, sondern immer nach vorne schauen. Das hat der Offenbacher ihnen eingeimpft, das erwartet er, das fordert er.

Wenn ein Dru Joyce etwa den Ball aus gut und gerne acht Metern durch den Ring setzt, um danach seinem Publikum mit erhobenem Finger anzuzeigen: Seht her, ich hab’s getan; wenn Dragan Dojcin es dem Kollegen nachmacht, dann ist klar: Trier glaubt in jedem Spiel an seine Möglichkeit – unabhängig vom jeweiligen Gegner. Von Verunsicherung keine Spur. Dabei ist Oldenburg beileibe keine Laufkundschaft. Die Niedersachsen haben mit Bobby Brown den sicher besten Spielmacher der Liga in ihren Reihen. Er allein hielt die Baskets im Spiel. Zehn von 16 Oldenburgern Punkten machte der US-Amerikaner im ersten Viertel und konnte doch nicht verhindern, dass Trier verdient mit 21:16 führte.

Rödls System funktionierte, weil kein Leistungsabfall innerhalb der so wichtigen Rotation den Bruch im eigenen Spiel erzeugte. Seiferth ersetzte Maik Zirbes adäquat, so denn nötig. James Washington traf von der Distanzlinie, so denn die anderen Spezialisten auf der Bank saßen. Dass die Oldenburger gegen Ende der ersten Halbzeit besser als zuvor in der Begegnung waren, lag weniger an deren eigener Stärke, als vielmehr an Fehlern, die sich in die Kombinationen der Trierer schlichen. Joyces Zaubertrick mit Zuspiel über den Korb für Seiferth war überhaupt nicht nach Rödls Geschmack. Auch nicht der leichtfertige Ballverlust des Amerikaners beim Pass auf Washington. Folgerichtig verkürzten die Niedersachsen bis zur Pausensirene auf 37:38.

Die letzten Kräfte mobilisiert

Ganz anders das Bild nach dem Seitenwechsel: Als hätte jemand von jetzt auf gleich das Licht ausgeknipst, lief nun kaum noch etwas zusammen bei der TBB. Die Baskets kamen zu vielen einfachen Punkten. Dreier von Kenny Hasbrouck, Dreier von Rickey Paulding: Oldenburg zog auf sieben Punkte davon, ehe Zwiener und Joyce kontern konnten. Dann kochte die Volksseele in der Arena. Rödl wandte sich kopfschüttelnd ab, und Joyce verstand die Welt nicht mehr. Die klare Unsportlichkeit von Adam Chubb am Trierer wertete Schiedsrichter Moritz Reiter als Foul von Joyce – dessen viertes. Joyce musste vom Feld, weil Rödl den Ausschluss seines Spielmachers verhindern wollte. Ausführlich kommentieren wollte Triers Trainer die Szene nicht. „Die Schiris machen, was sie können“, sagte er, „aber das ist auch nicht so wichtig.“

Vorteil Oldenburg, so schien es. Doch statt in Depression zu verfallen, war jetzt der Kampfgeist der Trierer geweckt. Mit Wut im Bauch zeigten sie den Niedersachsen die Krallen. John Bynum besorgte den Ausgleich; Washington traf den Dreier zum 54:51. Oldenburg schlug über Paulding und Burrell zurück: Das Spiel wogte hin und her, bis die Gäste schließlich einen Zwei-Punkte-Vorsprung in den Schlussabschnitt retteten. Und der sollte es wie so oft in sich haben.

Trotz der Reisestrapazen innerhalb von nur fünf Tagen mit über 2000 Kilometern in den müden Knochen mobilisierten Rödls Männer noch einmal die allerletzten Kräfte. Oldenburg führte nur kurz, Joyce holte den Vorteil mit einem Distanzwurf zurück. Seiferth erhöhte, Hasbrouck konterte. Zwiener vergab die Vorentscheidung, als er zweimal nacheinander scheiterte. Und dann passierte es doch: Foul von Joyce, das fünfte. Der Amerikaner schlich sich von dannen, Bynum wollte das Foul auf sich nehmen. Doch die Unparteiischen hatten genau hingesehen. Joyce trippelte mit gesenktem Kopf vom Feld – von jetzt an mussten die Kollegen ohne ihn auskommen. Der starke Nate Linhart führte Trier in die Verlängerung, weil Bynum hier und Brown dort in den letzten Sekunden vergaben.

Extrazeit. Immer auch eine Frage der Nerven. Ein wenig Sorgen habe er sich schon gemacht, gab Rödl später zu. „Weil ich mir nicht sicher war, dass meine Spieler noch Kraft genug haben, das Spiel zu gewinnen.“ Seiferth jedenfalls hatte Kraft und zudem Nerven aus Stahl. Er war es, der die TBB quasi im Alleingang durch die zusätzlichen fünf Minuten führte. Assistiert wurde ihm von Washington, der zusammen mit Bynum die Lücke nach Joyces Ausschluss nahtlos schloss. Von der Freiwurflinie aus schoss der Berliner Oldenburg aus der Halle. Washington stand ihm in nichts nach. Insgesamt gab die weitaus größere Leidenschaft den Ausschlag zugunsten von Trier.

Von einem Befreiungsschlag im Abstiegskampf aber wollte Rödl nichts wissen. „Nein, das war beileibe noch nicht der entscheidende Schritt, es bleibt weiter eng.“ Seiferth hingegen rechnete vor: „Wir brauchen sicher elf Siege, um den Klassenerhalt zu erreichen.“ Neun stehen jetzt auf dem Konto, der zehnte Streich soll in Bayreuth folgen. „Ja, es wäre sehr wichtig, endlich auch wieder auswärts zu punkten“, sagte Rödl. Seiferth sah das ebenso. „Und vielleicht erwische ich ja wieder einen Sahnetag.“ Sein Trainer hätte sicher nichts dagegen.

TBB Trier: Linhart (7), Joyce (13), Saibou, Zwiener (12), Dojcin (6), Faßler, Seiferth (19), Washington (14), Picard, Zirbes (6), Bynum (5), Dietz.

EWE Baskets Oldenburg: Brown (10), Bahiense de Mello (3), Razis, Majstorovic (3), Chubb (12), Smeulders (1), Sehovic, Paulding (19), Freese, Burrell (13), Hasbrouck (12).

Viertelstände: 21:16; 38:37; 54:56; 69:69; 82:73 (OT)

Zuschauer: 3298

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.