Die Lederhosen sind unten

Henrik Rödl sprintet, Maik Zirbes macht den Käfer, und Dirk Bauermann trottet von dannen. TBB Trier gegen den FC Bayern München: 5902 Zuschauer in der mit Zusatzpodesten verkleinerten, dafür aber ausverkauften Arena. Adrenalin garantiert, Herzflimmern inklusive, und eine Trierer Mannschaft, die wieder einmal über sich hinauswuchs – großer Sport, große Emotionen, glückliche Sieger, niedergeschlagene Verlierer. Mit 70:68 (34:41) bezwang Trier am Samstagabend die Münchner, die über drei Viertel hinweg wie der sichere Sieger aussahen, sich dann aber der größeren Leidenschaft geschlagen geben mussten. Auch Rödl wusste, dass es kein gutes Spiel war. Aber darauf kam es ihm nicht an. „Diese Siege gegen Bonn, Ludwigsburg und jetzt natürlich gegen München geben uns Auftrieb“, sagte Triers Trainer. „Uns hat die Kaltschnäuzigkeit gefehlt“, stellte Kollege Bauermann fest. „Dabei hatten wir das Spiel über weite Strecken unter Kontrolle“, zürnte der Trainer der Bayern.

TRIER. Die großen Deckenstrahler in der Arena waren längst erloschen, da stieg ein sichtlich zerknirschter Dirk Bauermann in den roten Bus. Alles passte zum Bild dieses für ihn so unerfreulichen Abends. Das große Wappen des stolzen FC Bayern München auf der Nobelkarosse war dreckverkrustet; Münchens Trainer trug schwarz, hinter der Stirn wohl immer noch die pochende Frage, welcher Film denn da in den letzten Minuten vor ihm abgelaufen war. An dem dürfte der ehemalige Nationaltrainer auf der langen Fahrt zurück in die Isar-Metropole feste knabbern.

Er wird sich erinnert haben, wie Nate Linhart den Freiwurf Sekunden vor der Schlusssirene zum 69:66 durch den Ring setzte. Im ekstatischen Jubel der großen Masse ging Bauermanns Zorn unter. Er wird sich erinnert haben, wie Jonathan Wallace für München vergab. Da war der Lärm ohrenbetäubend. Bauermann dürfte erneut Zirbes an der Freiwurflinie gesehen haben: Wieder ging der Ball durch den Ring. Mit hängendem Kopf wandte Bauermann sich ab. Er wollte nicht mehr sehen, wie Je’Kel Foster die letzte Möglichkeit zur Verlängerung vergab, wie Zirbes wie ein Käfer auf dem Rücken den Ball zwischen seinen riesigen Händen und der breiten Brust begrub. Jetzt kochte die Arena endgültig.

Dann konnte Bauermann nur noch staunen. Er sah den emotionalen Ausbruch des Kollegen Rödl, der wie ein Irrwisch auf seine Männer zusprintete. Er sah die Traube der Trierer Spieler in deren Verzückung, und er durfte seinen Blick über die Ränge wandern lassen. Der Ruf, den Bayern die Lederhosen auszuziehen, war längst verklungen. Jetzt feierten Tausende ihre Mannschaft, die erneut im letzten Viertel über sich hinausgewachsen war. „Trier hat sehr viel investiert“, bemerkte Bauermann trocken. „Der Gegner hat sich dafür verdient belohnt, weil wir ihm auch die Tür offen gelassen haben.“

Aber auch für ein Spiel gegen die Bayern gibt es nur zwei Punkte. Rödl hob deshalb in seiner Analyse auch auf das psychologische Moment ab. „Der Sieg gibt uns Selbstvertrauen für die nächsten Aufgaben“, sagte Triers Trainer. Dass gerade Bauermann mit einer Besonderheit zu kämpfen hat, weiß auch der Offenbacher. „Es ist auswärts besonders schwer für Dirk und seine Spieler.“ Weil Bauermann bewusst ist, dass jede Mannschaft gegen seine Roten immer ein paar Prozentpunkte zulegt. Einmal Deutschlands meist gehassten und zugleich meist verehrten Verein schlagen. Das ist Ansporn genug für jeden Athleten, unabhängig von der Sportart. “Wir hatten auswärts schon viele knappe Spiele”, sagte Bauermann noch vor dem ersten Sprungball. “Aber wie das dann eben so ist gegen die Bayern, da legen alle vor allem in der Schlussphase noch einmal ein paar Schippen drauf.”

Für den neuerlichen Anlauf auf den zweiten Auswärtssieg der Saison hatte sich Bauermann auch in Trier ein taktisches Schmankerl ausgedacht. Je’kel Foster verteidigte gegen Dru Joyce, nicht etwa der deutlich langsamere Steffen Hamann. Zunächst schien die Maßnahme Bauermann nicht aufzugehen. Die TBB machte mächtig Druck auf den deutlich verunsicherten Gegner. In fremdem Hallen fehlt den Bayern das ureigene Gen des “Mia san mia” noch. Chevon Troutman holte sich mit zwei dummen Aktionen früh zwei Fouls ab. Maik Zirbes hingegen hatte Jared Homan über weite Strecken unter Kontrolle.

„Wir sind eine echte Mannschaft“

München fand nur schwer ins Spiel, Trier nutzte die Gelegenheit. Kapitän Dragan Dojcin traf aus der Distanz, ebenso Philip Zwiener. Bis auf 14:8 zogen Rödls Männer davon. Dann aber schlichen sich zu viele Ungenauigkeiten ins Trierer System. Eine Handvoll guter Aktionen reichte den Bayern. Etwa über Demond Greene, der seinen Ruf als Dreier-Spezialist bestätigte. Etwa über Homan, der Zirbes im weiteren Verlauf besser in den Griff bekam. München führte nach zehn Minuten mit fünf Punkten Vorsprung (22:17), und auch im zweiten Spielabschnitt setzten die Bayern ihre leichte Dominanz fort. Für Philip Zwiener war das aber beileibe noch keine Vorentscheidung. „Wir haben immer an uns geglaubt“, sagte Triers Nationalspieler. „Sicher hatten wir heute auch etwas Glück, aber das gehört auch dazu.“

Vielleicht lag es an der großen Kulisse, vielleicht auch an der Bedeutung. Vielleicht auch an beidem. Letztlich war es ein schwaches Spiel bis zum Seitenwechsel – mit leichten Vorteilen für die Mannschaft von der Isar. Viele individuelle Schwächen, viele Nachlässigkeiten, viele leichte Fehler prägten die Begegnung. München war nicht besser, die Bayern machten nur weniger Fehler. Und sie trafen im Gegensatz zu den Trierern auch weiter aus der Distanz. Zudem wurde Zirbes jetzt immer mehr durch die Verteidigung der Gäste aus dem Spiel genommen. Beide Faktoren waren entscheidend dafür, dass Bauermann sich mit der 41:34-Führung zur Pause zumindest im Ansatz entspannt geben konnte. Rödl hatte noch einen dritten Faktor ausgemacht. „Die 41 Punkte der Münchner in der ersten Halbzeit haben mir nicht gefallen“, sagte er. „Mit unserer Verteidigung war ich überhaupt nicht zufrieden.“

Bauermann hatte ferner, was Rödl fehlte. Die Tiefe in der Bank nämlich. Davon machte Bayerns Trainer nach dem Seitenwechsel ausgiebig Gebrauch, während es auf Trierer Seite nur über den Willen und die Leidensfähigkeit der Leistungsträger gehen konnte. München tat wenig, um den Vorsprung auszubauen. Die Trierer aber hechelten hinterher. Immer waren sie nahe dran, immer fehlte der eine Schritt oder auch die sichere Hand im wichtigen Augenblick. Weil Homan für Bayern zulegte, weil Aleksandar Nadjfeji den schwachen Troutman vergessen machte, hielten die Münchner den Vorsprung. Genau dort setzte Bauermanns Kritik an. „Wir haben es versäumt, uns entscheidend abzusetzen, und haben Trier so im Spiel gelassen.“

Das Verhängnis für die Bayern nahm seinen Lauf, als mit Nadjfeji ihr Bester nach dem fünften persönlichen Foul gehen musste. Joyce glich aus, Joyce besorgte die Führung. Zwiener holte sie postwendend zurück, nachdem München wieder dran war. Und der Nationalspieler wusste, worin der Unterschied an diesem Abend lag: „Wir sind eine echte Mannschaft, und so treten wir auch bis zum Schluss auf – als Einheit, als verschworenes Team.“ Jeder will, jeder kann. Heuer besorgten Linhart und Zirbes den Rest. Und Bauermann konnte nur noch staunen – selbst dann noch, als er im großen roten Bus des FC Bayern München verschwand.

TBB Trier: Linhart (5), Joyce (18), Saibou, Zwiener (12), Dojcin (7), Faßler, Seiferth (4), Washington (8), Picard, Zirbes (10), Bynum (6), Dietz.

FC Bayern München: Wallace (3), Troutman (3), Hamann (10), Schwethelm, Nadjfeji (15), Doreth, Benzig (3), Foster (9), Greene (11), Jagla, Homan (14).

Viertelstände: 17:22; 34:41; 50:57; 70:68

Zuschauer: 5902

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