Die Erinnerung bewahren

„Ihr Leben wurde ihnen genommen. Was wir ihnen heute geben können, ist einzig unsere Erinnerung.“ Mit diesen Worten eröffnete Klaus Jensen die Ausstellung „Erinnerung bewahren – Sklaven- und Zwangsarbeiter des Dritten Reichs aus Polen 1939 – 1945“. Die deutsch-polnische Kooperation wird in Trier aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus gezeigt. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum  4. Februar in der Volkshochschule am Domfreihof. Anschließend werden die Tafeln vom 6. bis 11. Februar im A/B-Gebäude der Universität Trier gezeigt.

TRIER. Als seine Heimat von Hitlerdeutschland überfallen wird, ist Edward C. ein junger Mann von 18 Jahren. Er wird zum Zwangsdienst bei einem deutschen Bauern eingezogen – harte Arbeit, die ihm schwer fällt. Wegen „Bummelei und frechen Verhaltens“ wird er zur Arbeitserziehung in das SS-Sonderlager KZ Hinzert eingewiesen. 1943 findet sich sein Name auf einem Transport nach Sachsenhausen, wo sich wenig später seine Spur verliert.

Franciskek Matczak hat 1939 gerade die Schule abgeschlossen und leitet eine Jugend-Theatergruppe. Er ist 19 Jahre alt, als er zur Zwangsarbeit bei einem Bauern eingezogen wird. Man denunziert ihn. Der Vorwurf: „Geschlechtliche Beziehung zu einem deutschen Mädchen“. Er stirbt 1941 durch den Strang. Seine Kameraden werden gezwungen, der öffentlichen Hinrichtung zuzusehen – zur Abschreckung. „Die Polen verließen sichtlich beeindruckt die Richtstätte“, heißt es dazu später im Polizeibericht.

Zwei Schicksale, stellvertretend für Millionen. Systematisch wurden während des Zweiten Weltkrieges Menschen aus der polnischen Bevölkerung gegen ihren Willen rekrutiert, um als Zwangs- und Sklavenarbeiter in deutschen Fabriken, auf Baustellen, zum Straßenbau oder bei der Feldarbeit unentgeltlich Schwerstarbeit zu verrichten. Insgesamt schätzt man ihre Zahl auf drei Millionen, 1740 Namen von Polinnen und Polen enthält eine von Stadtarchiv erstellte, nicht vollständige Gesamtdatei allein für die Region Trier. Sie arbeiteten im beißenden Gummidampf der Romika-Fabrik, beim Bau der Autobahn, auf den Feldern der regionalen Bauern. Die Ausstellung „Erinnerung bewahren“ dokumentiert das System der Ausbeutung und Entrechtung, das viele Zwangsarbeiter mit dem Leben bezahlten.

Die Materialsammlung – ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“ und dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide – ist eine deutsch-polnische Koproduktion und wurde 2005 erstmals in Warschau präsentiert und als wichtiger Schritt im Aufarbeitungsprozess der Verbrechen des Nationalsozialismus gewürdigt. Ein Punkt, den auch Bartosz Jalowiecki, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung und heute polnischer Botschafter in Luxemburg, anlässlich der Eröffnung bekräftigte: „Projekte wie dieses zeigen, dass Deutschland sich geändert hat“. Ein Umstand, den er Anfang der Neunzigerjahre, während der „sehr schwierigen Verhandlungen“ um Ausgleichs- und Entschädigungszahlungen, nicht für möglich gehalten hätte: „Sich darin geirrt zu haben“, erklärte er, „ist ein gutes Gefühl.“

In mehr als einem Dutzend deutscher und polnischer Städte hat die Ausstellung zwischenzeitlich Station gemacht. In Trier haben sich mehrere Veranstalter zusammengeschlossen, um mit dem Zeigen von „Erinnerung bewahren“ den nationalen Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar zu begehen. Der reguläre Materialbestand wurde für die Trierer Ausstellung um acht Tafeln erweitert, die Einzelschicksale aus der Region zum Gegenstand haben. Lebenswege, die Joachim Hennig, Richter am Oberverwaltungsgericht Koblenz, zusammengetragen hat. Mit dieser Maßnahme hofft man insbesondere die Betroffenheit und das Interesse junger Menschen zu stärken, und damit auch der Entstehung neuer rechter Gewalt entgegen zu wirken. Anlass hierzu gäbe es leider zur Genüge, mahnte Oberbürgermeister Klaus Jensen mit Blick auf nationalsozialistisch motivierte Morde der jüngsten Vergangenheit, aber auch auf die „glücklicherweise beendete Präsenz“ der NPD im Trierer Stadtrat an.

Im Rahmen der Ausstellung bieten die Veranstalter, die Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V., die Evangelische Studentinnen- und Studentengemeinde, die Katholische Hochschulgemeinde, die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz sowie die Volkshochschule Trier eine umfangreiche Vortragsreihe an. Das komplette Programm finden Sie unter anderem auf der Homepage der ESG.

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