„Das Altstadfest wird teurer werden“

Gemeinsam mit der Kultur- und Kreativstation Trier (KUKS) veranstaltete die Trierer SPD am Montagabend eine Gesprächsrunde zu einem Thema, das seit Monaten für kontroverse und leidenschaftliche Diskussionen sorgt: In der anstehenden Tarifreform der GEMA sieht die Verwertungsgesellschaft selbst eine „klare, faire und transparente“ Regelung – viele Veranstalter schlagen hingegen Alarm und warnen vor einem beispiellosen Clubsterben, da die neuen Tarife zum Teil unverhältnismäßige Steigerungen mit sich brächten. Im „Club Toni“ fand sich am Montagabend daher alles ein, was in der Trierer Veranstalterszene Rang und Namen hat. Das Ergebnis war weniger eine Podiumsdiskussion als eine Sprechstunde für Trierer Clubbetreiber und Festivalmacher – bei der aber trotzdem die ein oder andere überraschende Information abfiel.

TRIER. „Es gibt in dieser Diskussion so viele Geister, so viele Gespenster“, sagt der eloquente Sprecher und schwört seine Zuhörer gleich zu Beginn ein: „Für uns sind Termine wie diese eine richtige Freude, wir sehen darin eine Gelegenheit, diese vielen Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.“ Frank Bröckl ist Bezirksdirektor der GEMA. In dieser Funktion stellt er im Gewölbekeller des „Club Toni“ Struktur und Vorzüge der Verwertungsgesellschaft vor und macht seinen Job so gut wie Nick Naylor in „Thank you for Smoking“. „Die Tarifreform war eine Reaktion auf die Kritik von Clubbetreibern, Veranstaltern und Politik, die nachvollziehbare und faire Berechnungen verlangt haben“, erklärt Bröckl. Mit der Verschlankung von elf auf zwei Tarife habe man diesem Wunsch Genüge getand. Die Belastung der Clubbetreiber sei mit maximal zehn Prozent der Eintrittsgelder gedeckelt, für viele werde es sogar billiger. Und er rechnet vor: Die Eintrittsgelder machten laut einer Studie lediglich 17 Prozent des Gesamtumsatzes aus (zum ersten Mal lautes Lachen im Publikum), wenn davon zehn Prozent an die GEMA abgeführt würden, entstehe eine Maximalbelastung von 1,7 Prozent. „Ich finde das einen durchaus vertretbaren Beitrag“, schließt Bröckl. „Vor allem kleine, nicht primär kommerzielle Veranstaltungen werden durch die neuen Tarife entlastet, für große Clubs wird es dagegen teurer.“

Einen ersten leisen Kontrapunkt zur ausschließlich edlen Eigendarstellung setzt Malu Dreyer in ihrer Begrüßung. „Viele Menschen haben Angst, dass sie mit den neuen Tarifen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können“, berichtet die designierte Ministerpräsidentin. „Darunter sind Clubbetreiber genauso wie Vereine und Kindergärten.“ Denn auch für das Singenlassen von kopierten Notenblättern erhalten Erzieherinnen und Erzieher Abmahnungen.

Seit Monaten tobt ein erbitterter Kampf um die Reform, in der die Verwertungsgesellschaft sich nicht durch das Vermeiden von Missverständnissen hervortut. Die von Dreyer angesprochene „misslungene Kommunikationsstrategie“ der GEMA fand ihren jüngsten Höhepunkt vor einigen Wochen, als überraschend eine Einigung mit Veranstaltern und DJs verkündet wurde. Die Tatsache, dass es sich bei den Verhandlungpartnern ausschließlich um drei ominöse Klein- und Kleinstverbände handelte, die allesamt von der selben Person gegründet wurden, sorgte für nachhaltige Irritation. Die großen Interessenvertreter von DEHOGA über Club-Verbände bis hin zur Bundesvereinigung der Musikveranstalter lehnen die Tarifreform weiterhin ab.

Alles Geister, Gespenster und Missverständnisse? Bernhard Robert, als Mitbetreiber des Clubs „villaWuller“ auf dem Podium, steht der Tarifreform skeptisch gegenüber – nicht nur, weil er zukünftig laut Tarifrechner der DEHOGA rund das Dreifache zahlen müsste. Dabei müsste die „villaWuller“ als kleiner Club mit einer Tanzfläche von 40 Quadratmetern eigentlich zu den Gewinnern zählen. „Die kleinste Berechnungseinheit der GEMA sind 100 Quadratmeter, das ist für uns ein Riesennachteil. Außerdem wird immer mit voller Auslastung kalkuliert – aber wir haben auch schwach besuchte Tage. Das ist eine doppelte Benachteiligung.“ Lorenz Schmid, ebenfalls Bezirksdirektor der GEMA, rechnet Robert deutlich günstigere Gebühren vor und verweist auf deren lizensierten Rechner. Der jedoch, wie sich für Bernhard Robert am Folgetag herausstellt, noch mit alten Tarifen rechnet.

Auch im Publikum findet sich niemand, der Funktionsweise und Methoden der GEMA wirklich etwas abgewinnen kann. In der anschließenden Publikumsrunde überwiegen trotz der Bitte von Moderator Kay Spiegel nicht die Diskussionsbeiträge, sondern individuelle Schilderungen und Beschwerden – eine Sprechstunde. In ihrer Gesamtheit geben die Wortbeiträge ein interessantes Stimmungsbild ab: Jeder der Anwesenden hat schon seine Erfahrungen mit Willkür und ungerechter Behandlung gemacht. Ob Dominique Koch, der mehrere hundert Euro für einen Abend zahlen musste, bei dem er nachweislich ausschließlich selbst produzierte, GEMA-freie Musik gespielt hatte, oder Matthias Sonnen, der sich in einer Gebührenfrage zum Moselfest bis vor Gericht stritt und dort schließlich Recht bekam: „Das sind Ihre Methoden“, rief er Schmid entgegen.

Mit dem Moselfest hatte er allerdings ein Thema aufs Tapet gebracht, dass die GEMA-Vertreter aus freien Stücken wohl nicht angesprochen hätten. Volkfeste unter freiem Himmel, wie das Moselfest und auch das Altstadtfest, unterliegen den gleichen Berechnungskriterien wie Veranstaltungen in Diskotheken: Berechnet wird nach Quadratmeter und Besucherzahl. Das bedeutet, dass beim Altstadtfest das gesamte Innenstadtareal zur Berechnung herangezogen wird. „Ja, das Altstadtfest wird sicherlich teurer werden als bisher“, sagt Schmid und überschlägt anhand grober Eckwerte den Betrag von 20.000 Euro.

Auf die Frage, wie eine Veranstaltung ohne Eintritt diese Beträge erwirtschaften soll, verweist Schmid auf die zahlreichen kommerziellen Nutznießer solcher Großveranstaltungen als Stellschrauben, wie Getränke- und Speisenverkäufer. Peter Stablo, Kulturveranstalter in Trier, merkt dazu an: „Wenn das Getränk statt zwei Euro dann drei Euro kostet, können sich noch mehr Menschen als jetzt den Besuch solcher Veranstaltungen nicht mehr leisten, weil sie am Existenzmininum leben.“ GEMA-Mann Schmid antwortet darauf mit einem Schulterzucken und dem Stichwort von der „kalten Enteignung“, die stattfände, wenn ein Künstler kein Honorar für die Nutzung seiner Werke erhalte: „Das gilt auch auf einem Altstadtfest. Auch viele der von uns vertretenen Künstler leben unterhalb des Existenzmininums.“ Die applaudierte Anmerkung von Bernhard Robert, dass jene Künstler, die auf Volksfesten gespielt würden, sicherlich nicht jene unterhalb der Armutsgrenze seien, kommentierte der GEMA-Vertreter nicht.

Die grundsätzliche Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit der eingenommenen Gelder treibt viele der Fragesteller um. Andy B. Jones, Betreiber des „Safari-Haus“ und Musikproduzent, fragt danach ebenso wie Podiumsteilnehmer Jörg Mechenbier, Sänger der Punkband „Love A“. Beide sind Mitglieder der GEMA und wüssten gerne genauer, wie die jährlich eingenommenen 820 Millionen Euro an Gebüren wieder an die Urheber verteilt würden, denn weder der Charts-Produzent noch der Independent-Musiker fühlen sich durch die Überweisungen der GEMA „zum Größenwahnsinn verleitet“. „Ist es nicht so, dass die kleinen Clubs die ganz großen Fische subventionieren, obwohl sie nur Nischenmusik spielen – und dass die Macher dieser Nischenmusik von den GEMA-Erlösen nicht leben können?“, fragt Mechenbier und zieht für sich den Schluss: „Wenn das System so ist, sollte sich jeder Independent-Musiker genau überlegen, ob er Mitglied in diesem Verein sein will.“

Zu dieser zentralen Frage hätte man auf dem Podium gerne mehr gehört, wie auch zur Differenzierung von rein kommerzieller und künstlerisch ambitionierter Musikkultur. Dass diese Inhalte hinter der Schilderung von Einzelschicksalen zurückblieb, ist auch ein Manko der Moderation, die der Diskussion nicht die Stringenz verleihen konnte, die das Thema gebraucht hätte. Der Wunsch von Frank Bröckl, dass „am Ende alle Zuhörer mit Antworten statt Fragen nach Hause gehen“ – er blieb ein frommer Wunsch.

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