Aus zweiter Hand

Zweite Hand aus der ersten Welt: Die Trier-Tasche hat eine lange Reise hinter sich. Auf einem Markt auf Sansibar hat sie ihren zweiten großen Auftritt. Foto: Sarah WohlfeldNeonshirts, Glitzerdeko und Federschmuck? Weg damit! Deutschland mistet aus. Vor Einbruch des Winters werden Kleiderschrank und Wohnung auf den neuesten Stand gebracht. Die Altlasten können nicht nur online, sondern auch – wie beim „Free-Your-Stuff-Markt“ in Trier (zum Beispiel an diesem Freitag ab 18 Uhr im Schammatdorf) – vor Ort unters Volk gebracht werden. 16vor-Mitarbeiter Michael Juchmes beschäftigt sich in seiner aktuellen Kolumne „IN Trier – Trends auf der Spur“ mit dem Thema „Second Hand“ und kostenlosen Möbel- und Kleiderbörsen.

TRIER. In oder out – an dieser Stelle die aktuellen Trends für die kommenden Monate in wenigen Worten zusammenzufassen, fällt schwer. Frauen? Tragen immer noch Trenchcoats, setzen Akzente mit Metallic und schnallen sich unvorteilhafte Rucksäcke um. Männer kleiden sich hingegen im Winter wie kanadische Holzfäller, Soldaten oder Floristen. Und was gibt’s Neues für die Wohnung? Rosa Wände, blaue Möbel und kupferfarbene Deko-Artikel. Da ist doch für jeden etwas dabei. Und wohin nun mit dem alten Mist? Mit den Cropped Tops, weißen Pumps und überflüssigen Regalen eines schwedischen Möbelhauses? Na klar: Die müssen raus aus dem Schrank, raus aus der Bude, raus aus unserem Leben. Doch statt die überflüssigen Begleiter bei einem Online-Versandhaus feil zu bieten, gibt es einige alternative Möglichkeiten, sich seines Hab und Guts zu entledigen – mit und ohne Gewinn.

Möglichkeit 1: Verschenken

Wer seine Sachen einem guten Zweck zuführen will, der sollte sich an einen Umsonstladen wenden, in Trier unter anderem zu finden in der Schönbornstraße oder im Exhaus. Der Gewinn: einige Pluspunkte fürs Karma. Social-Media-affine Zeitgenossen nutzen natürlich die Free-Your-Stuff-Gruppe bei Facebook und stellen innerhalb weniger Sekunden ein Fotos des ehemaligen Lieblingsstücks online. Der Vorteil: Klamotten, Deko-Teile und Möbelstücke – jedweder Größe – werden von den Beschenkten persönlich abgeholt. Der Nachteil: Einige Schnäppchenjäger, die aufgeregt „ich, ich, ich“ schreien, vergessen vor lauter Freude, den Geschenken auch in der Realität ein neues Zuhause zu geben. FYS-Gruppen gibt’s natürlich nicht nur in Trier, sondern auch in anderen benachbarten Städten, etwa in Saarbrücken und Luxemburg.

Freunde von Live-Action kommen beim „Free-Your-Stuff-Markt“ voll auf ihre Kosten, der an diesem Freitag von 18 bis 24 Uhr im Schammatdorf in Trier-Süd stattfindet. Kleidung, Schuhe, Schmuck, Dekokram und vieles mehr – die gespendete Ware wird auf Tischen verteilt und jeder kann mitnehmen, was ihm gefällt. Die Veranstalter bitten darum, Möbel, Fahrräder und große Elektrogeräte zu Hause zu lassen. Diese können an einer Pinnwand feilgeboten werden. Nicht erwünscht sind Medikamente, ebenso Lebensmittel – die werden über Foodsharing Trier an hungrige Mäuler verteilt.

Liebe Altlasten, bitte macht Platz für diese Eyecatcher! Von links nach rechts – Jacke: Only, 54,95 Euro; Statement-Kette: Vero Moda, 16,95 Euro; Mantel: Only, 59,95 Euro. Foto: Vero Moda/OnlyWas übrig bleibt, wandert in den Umsonstladen oder in die Facebook-Gruppe. Meine dort entdeckten Highlights der letzten Wochen: ein Elchmantel (!) für Hunde, zermatschte Knete, eine riesige Diddl-Maus und eine Tasse mit abgebrochenem Henkel. Der Weg zum Mülleimer ist manchmal einfach zu weit. Zugreifen hieß es dagegen bei einem Stabmixer, Romanen und Modeschmuck. „Geiz ist geil“ wird übrigens auch in der Online-Community ganz groß geschrieben, so zumindest die Schlussfolgerung beim Blick auf die Wunschliste mancher Gruppen-Mitglieder: ein Gamecube von Nintendo, iPhone-Zubehör oder gar Neugeräte, ein Kaffeevollautomat und – dieser Traum wird wohl nie in Erfüllung gehen – ein kompletter Satz Winterreifen. Natürlich kostenlos und fast wie neu … aber bitte pronto! In Sachen Mode sieht es in der virtuellen Geschenkewelt ganz, ganz düster aus: zerknitterte Tops und abgenähte Jeans, ein glänzender Pencil-Skirt und weiße Schuhe mit Karo-Einsatz. Nein, danke!

Möglichkeit 2: Verkaufen

Die perfekte Lösung für alle, die ihr Konto unbedingt aufbessern müssen: der Verkauf an Second-Hand-Boutiquen, bei Kleiderbörsen oder auf Flohmärkten. Beliebt auch hier: Facebook-Gruppen, etwa Onlinemarkt Trier. Dort geht’s zu wie auf einem türkischen Basar. Wildes Handeln – zumindest per Nachrichtenfunktion – nicht ausgeschlossen. Champions-League-Tickets, selbstgestrickte Tiermützen, weiße Riemenpumps – von furchtbar schön bis extrem scheußlich – alles dabei. Leider finden sich auch online jede Menge Ladenhüter. Wer als Käufer auf echte Schnäppchen in Sachen Styling hofft, wird natürlich bitter enttäuscht. Eine Proenza-Schouler-Bag für zehn Prozent des Ladenpreises? Die neuen Kenzo-Sneaker von Vans für 20 Euro? Ein Wunschtraum …

In der kalten Jahreszeit greifen Männer zu wilden Mustern. Camouflage-Jacke: 89,95 Euro. Boots mit Ethno-Muster: 89,95 Euro. Karohemd: 49,95 Euro. Alles von Jack & Jones. Foto: Jack & JonesAlle, die auf echte Schnäppchen beim Second-Hand-Shopping hoffen oder jede Menge Designerware ausmisten wollen, sollten ihr Glück bei deutschen und internationalen Onlineshops versuchen, etwa auf der dänischen Plattform Anywear oder beim Kleiderkreisel. Beinahe professionell das Angebot bei Asos: Im Marketplace können Fashion-Victims einen eigenen Shop eröffnen. Der Anbieter verdient natürlich kräftig mit.

Zum Schluss noch ein Tipp für all diejenigen, die keine Lust auf eine Nachrichtenflut (FYS), stundenlanges Rumgestehe (Flohmarkt) oder Produktshootings (Asos) haben: die unliebsamen Überbleibsel der herbstlichen Räumungsaktion einfach umfunktionieren oder – noch besser – im Bekanntenkreis verschenken. In einigen Wochen stehen schließlich wieder die ersten vorweihnachtlichen Schrottwichtel-Abende mit den unliebsamen Kollegen an …

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