Auf dem Weg zu europäischem Theater

Bei der Präsentation des aktuellen Spielzeitprogramms vor über zehn Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, die letzte Saison unter Intendant Gerhard Weber würde nicht allzu spektakulär über die Bühne gehen. Das lag daran, dass es noch nicht viel zu den „Nebenprojekten“ zu sagen gab. Diese dürften jedoch die Highlights der Spielzeit werden. So zeigte das Trierer Theater vor knapp vier Wochen anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkriegs unter anderem zwei Uraufführungen. Wie schon bei „Gott mit uns?“ stehen auch beim „Total Theater Treffen“, das bereits am vergangenen Freitag in Thionville begann, Kooperationen im Vordergrund. Beschränkten sich diese beim Weltkriegsprojekt noch auf Trier, sind nun insgesamt sieben Theater aus der Großregion (mit den Auftrittsorten Thionville, Trier und Luxemburg) an dem gut zweiwöchigen Festival beteiligt. Von Samstag bis kommenden Montag wird es im Trierer Theater international.

TRIER. Auf dem Titelbild des Programmheftes fahren drei Rocker auf der Route 66 durchs Monument Valley. Diese drei Biker sind Jean Boillot, Gerhard Weber und Frank Hoffmann – natürlich nur sinnbildlich. Jeder lenkt sein Motorrad selbst, aber alle fahren in dieselbe Richtung. Die Maschinen sind Custom Bikes, also individuelle Spezialanfertigungen. Denn auch die drei Theater, denen Boillot (Centre Dramatique National de Thionville-Lorraine), Weber und Hoffmann (Théâtre National du Luxembourg) vorstehen, unterscheiden sich teils gravierend. Darin liegt der Reiz für den Trierer Intendanten.

„Es tut uns gut, mal über den Tellerrand hinauszuschauen“, sagt Weber. An dem Festival „Total Théâtre“, das 2007 in der damaligen Kulturhauptstadt Luxemburg mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, eine Union grenznaher Schauspielhäuser zu schaffen, wirkte das Theater Trier bisher nur kurzzeitig mit. 2008 richtete es noch die zweite Auflage aus, danach konnte es sich aus finanziellen Gründen nicht mehr in diesem Umfang engagieren. Dank der Unterstützung des Landes ist dies 2014 in einem beachtlichen Maße wieder möglich. Von den 80.000 Euro, die Triers Teilnahme kostet, werden zwei Drittel übernommen. Dafür bekommen die Zuschauer ein reizvolles Programm geboten.

„Wir eröffnen mit einem Knaller“, kündigt Weber an und verspricht damit nicht zu viel. Die erste Veranstaltung, die in Trier zu sehen sein wird (Start des „Total Theater Treffens“ war schon Ende vergangener Woche in Thionville), ist am Samstag um 20 Uhr die Lesung „Gainsbourg, wahrer Dichter“. Dabei stellen der Schauspieler Hervé Pierre, die Schauspielerin, Sängerin und einstige Lebensgefährtin von Serge Gainsbourg, Jane Birkin, und Frankreichs bedeutendster Charakterdarsteller Michel Piccoli Texte des 1991 verstorbenen Chansonniers vor. Hier sind Französischkenntnisse von Vorteil, da die Lesung nicht übersetzt wird.

Am Sonntag stehen gleich drei Aufführungen auf dem Programm: Um 16 Uhr wird in deutscher Sprache das „Familienstück“ (Weber) „Die Kreuzritter“ in der Inszenierung des Agora Theater aus St. Vith gezeigt, das eine Antwort auf die „Kreuzzüge“ der Gegenwart sein soll. Das luxemburgische Théâtre du Centaure präsentiert um 18 Uhr „Die Nacht kurz vor den Wäldern“. Bernard Marie Koltès gewährt in diesem abgründigen Monolog Einblicke in das Seelenleben gesellschaftlicher Außenseiter. Der Text ist französisch, wird aber deutsch übertitelt. Als drittes Stück ist am Sonntag um 20 Uhr „Don Quijote“ zu sehen (auf Deutsch) – schon mal als Vorgeschmack auf das Musical „Der Mann von La Mancha“, das am 21. März 2015 an selber Stelle Premiere feiert.

Die wahrscheinlich ungewöhnlichste Vorstellung findet am Montag statt. Auf der Bühne sitzend können die Zuschauer um 20 Uhr Maurice Maeterlincks „Die Blinden“ erleben. Die Akteure in diesem französischsprachigen Stück (deutsche Übertitel) sind Puppen. „‚Die Blinden‘ würden wir sonst eher nicht spielen“, sagt Weber über den experimentellen Charakter des Werkes. „Im Rahmen eines Festivals geht das.“

Jean Boillot, Frank Hoffmann und Gerhard Weber in Luxemburg bei der Präsentation des Festivalprogramms.Insgesamt zwölf Produktionen aus den vier Ländern der Großregion werden bis zum 30. November in Thionville, Trier und Luxemburg vorgestellt. Triers Export-Beitrag ist Steffen Lars Popps Inszenierung von „Biedermann und die Brandstifter“, die heute und morgen in Luxemburg präsentiert wird.

Zu einzelnen Aufführungen werden Shuttle-Busse eingesetzt. Interessenten aus Trier können auf diese Weise bequem zu der Vorstellung „Superhero“ am 29. November im Théâtre National du Luxembourg gelangen. Im Vorfeld besteht die Möglichkeit, an einer Führung durch das Musée Dräi Eechelen teilzunehmen. Nach der Vorstellung bietet das TNL eine kleine Verkostung mit luxemburgischen Spezialitäten an.

Wie Triers Rolle bei „Total Théâtre“ in Zukunft aussehen wird, hängt (auch) vom neuen Intendanten ab. „Ich habe das Projekt meinem Nachfolger ans Herz gelegt“, erzählt Weber. Karl M. Sibelius habe sich an einer Fortsetzung der Kooperation interessiert gezeigt. Die nächste Stufe der Zusammenarbeit aus Webers Sicht ist eine „wirkliche“ Koproduktion, an der Künstler aus allen Ländern der Großregion beteiligt sind: europäisches Theater.

Hier finden Sie alle Informationen (auch zu den auswärtigen Aufführungen).

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.