Torflaute im Moselderby
Eintracht Trier hat nach vier Auswärtssiegen am Stück erstmals auf fremdem Platz Federn gelassen. Der Titelaspirant musste sich am Samstagnachmittag vor 3678 Zuschauern auf dem Oberwerth mit einem torlosen Unentschieden beim Tabellenletzten TuS Koblenz begnügen. Vor allem in der ersten Halbzeit erarbeitete sich der SVE in diesem gutklassigen Moselderby eine Fülle an hochkarätigen Tormöglichkeiten – ohne jedoch zu treffen. Roland Seitz war dennoch mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden. “Wir haben zum ersten Mal seit langem wieder richtig gut Fußball gespielt”, sagte Triers Trainer, “auch wenn es weh tut, dass wir hier zwei Punkte liegengelassen haben.” Michael Dämgen äußerte sich glücklich über den Punktgewinn für seine Mannschaft. “Beide Teams habe sich nichts geschenkt”, betonte der Koblenzer Trainer. “Letztlich geht der Punkt für uns unter dem Strich in Ordnung.”
KOBLENZ. Im Mai waren sie noch Kollegen und auch Kontrahenten. Der eine auf der Bank der Koblenzer, der andere auf jener der Trierer. Vier Monate später hat sich das Bild verändert. Seitz steht bei der Eintracht immer noch in der Verantwortung. Petrik Sander ist nach dem freiwilligen Abstieg der TuS aus der dritten Liga nach wie vor vereinslos. Das Finale um den Rheinlandpokal war das letzte Spiel des Quedlinburgers als Trainer der Koblenzer. Trier gewann damals souverän mit 2:0 Toren, und Sander kündigte schon während der Pressekonferenz in Trier seinen Abschied an.
Am Samstag war auch Sander im Stadion auf dem Oberwerth – als Gast wie viele andere. Den türkisblauen Pullover locker-lässig über die Schultern geworfen, ein entspanntes Lächeln im Gesicht, plauderte er mal hier, mal da. Ob er seinem Kollegen Seitz zum 47. Geburtstag gratulierte, ist nicht verbürgt. Auch nicht, dass er ihm Glück gewünscht hatte. Davon kann die TuS aktuell mehr als Trier gebrauchen. Denn vier Monate nach dem Pokalendspiel haben sich nicht nur die Wege der beiden damaligen Trainer getrennt, auch die Vorzeichen für das erneute Aufeinandertreffen der beiden alten Rivalen waren gänzlich andere als weiland im Mai.
Heute war die Eintracht der hohe Favorit auf dem Oberwerth. Titelaspirant mit Ambitionen auf die dritte Liga, eine makellose Auswärtsbilanz – damit schmückt sich Trier. Koblenz hingegen kämpft als Tabellenschlusslicht um den Anschluss in der Klasse. Gäbe es am Ende der laufenden Saison wie üblich Absteiger, ließe sich für die TuS wohl konstatieren: Versetzung stark gefährdet. Durch die anstehende Reform der Regionalliga dürfen sich die Koblenzer Anhänger aber auf jeden Fall auf eine weitere Saison in der vierten Klasse freuen. Die Euphorie auf dem Oberwerth ist der Ernüchterung gewichen. Selbst im Fanmagazin “1911” wird unumwunden eingeräumt: “Auch wenn es weh tut, Eintracht Trier hat die TuS Koblenz von Platz eins hier in der Region verdrängt.”
Nicht umsonst elektrisierte das 91. Moselderby die Massen. Über 20 Minuten Verspätung beim Anpfiff, dichte Rauchschwaden, die in den strahlend blauen Spätsommer-Himmel zogen – das ist Derby-Zeit. Gelungene Choreographien in den gegnerischen Blöcken, lautstarke Schlachtgesänge; auch das ist Derby-Zeit. Mittendrin und sogleich voll dabei: Andreas Lengsfeld, der den an der Wade verletzten André Poggenborg im Trierer Tor ersetzen musste. Nach einem letzten Belastungstest am Freitagnachmittag musste Poggenburg passen; Lengsfeld durfte sich nach rund einem Jahr Absenz wieder einmal beweisen. “Es hat mir großen Spaß gemacht”, sagte der gebürtige Regensburger noch unter dem Eindruck der vorangegangenen Minuten. “Nur schade, dass es nicht zum Sieg gereicht hat.”
Und beweisen musste Lengsfeld sich auch, weil der krasse Außenseiter aus Koblenz keinerlei Respekt vor dem Titelaspiranten zeigte. Lengsfeld sah sich vom Anpfiff weg den Angriffen der TuS ausgesetzt. Zupass kam den Koblenzern dabei, dass die Eintracht durch das erneut verstärkte Mittelfeld sehr tief stand. Seitz verfuhr auch auf dem Oberwerth zunächst einmal nach dem Motto: Sicherheit zuerst. Ahmet Kulabas sollte als einzige Spitze die Koblenzer Abwehr beschäftigen. Der entscheidende Druck aber sollte aus der zweiten Reihe kommen. Fahrudin Kuduzovic war der Mann fürs Grobe, Alon Abelski jener für die kreativen und überraschenden Momente.
Anders als zuletzt gegen Elversberg entwickelte sich das Moselderby trotz der taktischen Zwänge zu einem gutklassigen Spiel. Koblenz versteckte sich nicht, sondern suchte sein Heil im Angriff. Die Intention der Blau-Schwarzen war klar: Trier möglichst weit vom eigenen Tor fernzuhalten, um so den Druck des Favoriten zu verhindern. Das gelang nur bedingt, weil die Eintracht das durchdachtere Spiel zeigte. Koblenz konnte die technisch reiferen Trierer nur mit enorm hohem Einsatz ausbremsen. Der läuferische Aufwand war folglich hoch. Der SVE kompensierte das wiederum mit der kühlen Souveränität einer Spitzenmannschaft.
Das Spielgerät lief sauber durch die Reihen des Titelaspiranten. Zwangsläufig ergaben sich Möglichkeiten. Abelskis Traumpass durch die Gasse brachte Kulabas in Position (15.). Der Deutsch-Türke vergab aus der Drehung – wie schon in der sechsten Minute mit dem Kopf, auch da nach Zuspiel von Abelski. Auch in der 34. Minute verzog Kulabas, diesmal freistehend vor Kadir Yildiz im Koblenzer Tor. Thomas Drescher hingegen fehlten die berühmten Zentimeter. Schon der erste Freistoß des Trierer Kapitän war brandgefährlich (26.). Beim zweiten hatte er selbst den Torschrei schon auf den Lippen, doch Yalcin drehte die Kugel noch mit den Fingerspitzen über die Latte (38.). Denny Herzig scheiterte zudem per Kopf (31.) Wieder war Abelski der Vorlagengeber.
Derart klare Möglichkeiten konnte die TuS auf der Gegenseite nicht vorweisen. Der Schussversuch von Angelo Barletta strahlte leichte Torgefahr aus (34.), Thomas Gentner versuchte es aus der Distanz (18.). Doch nie geriet der stets aufmerksame Lengsfeld ernsthaft in Bedrängnis. So gefällig das Spiel der Koblenzer bis zum fremden Strafraum auch wirkte, so harmlos präsentierten sie sich auf den letzten Metern. Das torlose Unentschieden zur Pause schmeichelte dem Tabellenletzten, weil die Eintracht vergessen hatte, aus der Fülle ihrer Möglichkeiten zumindest ein Tor zu machen. “Uns hat heute einfach die Kaltschnäuzigkeit gefehlt”, stellte Innenverteidiger Denny Herzig fest. “Das ist sehr ärgerlich, aber leider nicht zu ändern.”
Abgesehen vom kurzen Koblenzer Strohfeuer unmittelbar nach Wiederanpfiff verflachte die Begegnung nach dem Seitenwechsel deutlich. Der Gewaltschuss von Eike Mund aus spitzem Winkel (48.) hätte der TuS die Führung bringen können, zumal auch David Sasse und Michael Stahl in der Konfusion der Trierer Abwehr die Chance auf den zweiten Ball hatten. Die Eintracht hatte das Glück des zuvor Tüchtigen: Koblenz brachte das Spielgerät nicht über die Torlinie. Es sollte die einzig nennenswerte Aktion im Spiel für längere Zeit bleiben. “Da haben wir vielleicht etwas wenig getan”, konstatierte auch Herzig.
Beide Mannschaften mussten fortan bei sommerlichen Temperaturen dem hohen läuferischen Aufwand aus der ersten Halbzeit Tribut zollen. Das Tempo im Spiel wurde merklich geringer. Trier investierte zu wenig, Koblenz beschränkte sich auf Konter. Seitz versuchte es mit neuen Kräften. Martin Hauswald kam für den ausgepumpten Kuduzovic (61.), später noch Chhunly Pagenburg für Holger Knartz (73.). Triers Trainer wollte mit der Einwechslung des zweiten Stürmers zumindest das eine und dann wohl auch entscheidende Tor erzwingen. Kollege Dämgen hatte schon zuvor mit der Hereinnahme von Jan Hawel für Tokio Nakai (46.) seine Siegambitionen unterstrichen.
Abelski und auch Knartz hatten in der Doppelchance (67.) den Siegtreffer jeweils auf dem Fuß. Hier sollte es nicht sein. Hüben aber auch nicht, weil Lengsfeld das Spielgerät nach dem Freistoß-Kracher von Sasse über die Torlatte lenkte (71.). In den Schlussminuten vergab der ebenfalls eingewechselte Wojciech Pollok noch zweimal aussichtsreich mit dem Kopf. “Wir müssen eben aus unseren Hundertprozentigen auch ein Tor machen”, zürnte der Kapitän. “Koblenz war keineswegs so schlecht, wie die Tabelle das vermuten ließ”, sagte Drescher. “Wir waren trotzdem besser, aber wer kein Tor macht, kann eben nicht gewinnen.”
TuS Koblenz: Yalcin – Arslan, Mund, Barletta, Gentner – Ok (ab 60. Kazama), da Silva, Nakai (ab 46. Hawel), Göderz, Stahl – Sasse (ab 90. Urwin).
Eintracht Trier: Lengsfeld – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Kraus, Herzig, Knartz (ab 73. Pagenburg) – Kuduzovic (ab 61. Hauswald), Abelsk – Kulabas (ab 83. Pollok).
Tore: Fehlanzeige
Schiedsrichter: Benjamin Brand (Gerolzhofen)
Zuschauer: 3678
Weitere Bilder zum Moselderby
von Eric Thielen