Körner gespart für den Gipfel
Eintracht Trier hat im letzten Heimspiel des Jahres den Abstand zu Tabellenführer Lotte auf sechs Punkte verkürzt. Der SVE gewann am Freitagabend vor 1593 Zuschauern im Moselstadion mit 1:0 (1:0) Toren gegen Bayer Leverkusen II. Den Siegtreffer für den klar überlegenen Titelaspiranten hatte Innenverteidiger Denny Herzig bereits in der sechsten Spielminute erzielt. Unmittelbar nach Spielschluss stürmten die Trierer Spieler ohne Kontakt mit den eigenen Fans in die Kabine. Daraufhin versammelten sich die Anhänger vor der Tür des Backsteingebäudes: Unverständnis für die Aktion der Spieler wurde laut, Unmutsäußerungen waren zu hören. Thomas Drescher beruhigte die Fans, während sich der lange verletzte Kapitän Torge Hollmann als Einziger der Presse stellte. „Das war keine Aktion gegen die Fans, sondern für unsere eigene Geschlossenheit“, betonte Hollmann.
TRIER. Ein Spruchband zur Motivation hatten sie auf der Gegengeraden eigens für den gemeinsamen Jubel mit den Spielern vorbereitet. „Drei Punkte in Lotte, und der Weihnachtsmann kann zu Hause bleiben“, stand darauf zu lesen. Es hing nur kurz, weil kein Spieler sich die Mühe machte, zum obligatorischen Abklatschen mit den eigenen Anhängern am Zaun vorbei zu kommen. Schnurstracks waren sie unmittelbar nach Spielschluss in die Kabine geeilt. Viele Fans, die ihre Mannschaft bei Heim- und Auswärtsspielen begleiten, sahen darin einen Affront – zumal im letzten Heimspiel des Jahres. „Das ist eine Sauerei“, war noch einer der harmlosen Sätze, die vor der Tür des Backsteingebäudes fielen.
Von der ungewöhnlichen Aktion seiner Spieler wurde auch Roland Seitz nach eigener Aussage überrascht. „Nein, ich wusste nichts davon“, sagte Triers Trainer. Lange blieb die Tür der Trierer Kabine verschlossen. Als sie sich schließlich doch öffnete, marschierten die Spieler auch an den wartenden Journalisten vorbei. Nur der Kapitän blieb stehen. „Es tut uns leid, dass die Fans sich brüskiert fühlen“, sagte Hollmann. „Das war nicht unsere Absicht.“ Die Mannschaft wolle sich „vor dieser so wichtigen Woche“ mit den Spielen in Lotte und Wiedenbrück einfach auf ihre Aufgabe konzentrieren. „Deswegen haben wir uns schnell zurückgezogen, um die eigene Geschlossenheit noch weiter zu stärken.“ Noch sei nichts gewonnen, auch nicht nach den drei Punkten gegen Leverkusen.
Da waren’s also nur noch sechs. Nicht “Negerlein”, wie im politisch längst inkorrekten Kinderlied von anno dazumal. Punkte sind gemeint. Wo Oliver Kahn, der Titan des Boulevard, früher von “Eier, Eier, wir brauchen Eier” sprach, reichen Seitz heute schon Punkte. Davon aber möglichst viele, um den Abstand auf den souveränen Tabellenführer aus Lotte zu verkürzen. Als die Spieler der Werkself am Nachmittag in ihren schmucken Trainingsanzügen in Deutschlands ältester Stadt schlenderten, klangen sie durchaus noch optimistisch. “Wir gewinnen das Spiel, ist doch klar”, ließen sie euphorisch verlauten.
Da wussten sie allerdings noch nicht, dass sie an diesem Abend nicht mehr als ein Sparrings-Partner für den Titelaspiranten sein würden. Seitz hatte zwar mit Marc Gouiffe à Goufan für den offensiveren Thomas Kraus noch einen weiteren Schuss Sicherheit in seine Mannschaft geimpft, weil er „nach den Gegentoren der letzten Spiele die Mitte zumachen“ wollte. Am Konzept änderte sich aber dadurch nichts. Die Eintracht verteidigte sehr hoch, stand nah an den Gegenspielern und eng in den Räumen. Einmal in Ballbesitz, lief das Spielgerät schnell durch die eigenen Reihen – zu schnell für die Chemiestädter, die mit dem aggressiven Spiel des Gegners große Probleme hatten.
Denny Herzig hätte in die starke Anfangsphase hinein schon vorlegen können. Nach Eckball von Alon Abelski drückte Triers Innenverteidiger den Ball mit dem Kopf jedoch um wenige Zentimeter über die Latte (4.). Zwei Minuten später war er erfolgreicher. Diesmal war Abelski zum Freistoß angetreten. Wieder stand Herzig richtig, wieder war er mit dem Kopf da. Jetzt zielte er genauer. Fabrice Vollborn im Leverkusener Tor hatte gegen den präzisen Kopfstoß keine Abwehrmöglichkeit (6.). Das frühe Tor ebnete dem Titelaspiranten den Weg. Das Weitere sollte nur noch Formsache sein.
Mink wünscht „viel Glück“
Bayer kam nur selten über die Mittellinie hinaus. Und wenn, dann waren die Versuche der Rheinländer an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Der Freistoß von Oliver Lanwer in der 30. Minute, ein weiterer von Leonardo Lima Ribeiro in der 36. Minute waren alles, was der Chemieklub an Ansatz von Gefährlichkeit produzieren konnte. André Poggenborg im Trierer Tor musste beide Male keine Sorge haben. Entsprechend ungehalten äußerte sich Matthias Mink zur Leistung seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit. „Davon bin ich enttäuscht“, sagte Leverkusens Trainer, „weil wir nicht zeigen konnten, was wir uns vorgenommen hatten.“
Der einzige Vorwurf, den Seitz seiner Mannschaft zur Pause machen konnte, war, dass sie ihre hohe Überlegenheit nicht in weitere Treffer umgesetzt hatte. Möglichkeiten dazu waren nämlich reichlich vorhanden. Wie für Cataldo Cozza, wie für Chhunly Pagenburg und auch Jeremy Karikari. Doch alle drei vergaben unmittelbar vor dem Kabinengang. Trotzdem war heuer an Spiel und Einstellung nichts zu kritisieren. „Die Grundeinstellung hat gestimmt“, betonte Triers Trainer, „aber natürlich müssen wir nach der Führung das zweite Tor machen.“
Im gleichen Stil ging es nach dem Seitenwechsel weiter. Ahmet Kulabas schickte Abelski vertikal auf die Reise. Der umkurvte Vollborn, schob dann aber am leeren Tor vorbei (47.). Schon da zeichnete sich ab, dass hier nicht mehr viel zu erwarten sein würde. Es sei denn, Bayer gelänge doch noch ein Tor. Irgendein krummes Ding, ein abgefälschter Ball – etwa nach einer weiteren Standardsituation. Bei einem zweiten Treffer des Favoriten wäre das Spiel ohnehin entschieden. So regierte im Trierer Lager vornehmlich die Devise: Körner sparen für den Gipfel am kommenden Samstag in Lotte.
Weil Bayer nach wie vor kaum Eigeninitiative zeigte, war gegen die schwachen Rheinländer über die meiste Zeit hinweg auch nicht mehr gefordert. Seitz brachte Thomas Kraus für etwas mehr Leben im Spiel (68.). Fahrudin Kuduzovic ging. Dass ferner Wojciech Pollok für Kulabas kam, zeigte, wie sicher sich Seitz trotz der knappen Führung war. Auch Chhunly Pagenburg durfte früher zum Duschen. Ihn ersetzte Holger Knartz (81.). In selber Minute hatte Bayer seine größte Möglichkeit im Spiel. Poggenborg parierte den Ball nach Schuss des eingewechselten Volkan Okumak. „Hinten heraus sind wir sicher etwas stärker geworden“, sagte Mink, „aber letztlich ist der Sieg für Trier hochverdient.“
Seitz führte die leichte Unkonzentriertheit in der Schlussphase auch auf den mentalen Zustand seiner Spieler zurück. „Da haben die Nerven etwas geflattert, was aber nach der Niederlage in Kaiserslautern und vor dem wichtigen Spiel in Lotte auch verständlich ist.“ Darauf will sich Seitz von Montag an intensiv mit seinen Spielern vorbereiten – nach der Weihnachtsfeier am Samstag und dem freien Sonntag. Dass bei den Sportfreunden mit Marcus Fischer der beste Torschütze der Liga nach seinem Kreuzbandriss ausfallen wird, ist für den Trierer Trainer nicht relevant. „Das ist natürlich sehr bitter für einen solchen Spieler“, so Seitz. „Wenn ich heute den Kollegen Walpurgis anrufe und ein null zu null vorschlage, unterschreibt er das bestimmt blind.“ Aber das sei nicht sein Ziel, „weil wir da gewinnen wollen“.
So nahm er denn auch dankend die wohlwollenden Worte des Kollegen Mink entgegen. „Ich wünsche der Eintracht Glück für die beiden nächsten Spiele“, sagte Leverkusens Trainer. „Erfolg darf ich ja nicht wünschen, weil das unfair gegenüber Lotte wäre. Aber Glück eben, damit die Liga spannend bleibt.“ Seitz nickte – so wünscht er sich das schließlich auch.
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Karikari, Gouiffe à Goufan, – Abelski, Kuduzovic (ab 68. Kraus), Pagenburg (ab 81. Knartz) – Kulabas (ab 75. Pollok).
Bayer 04 Leverkusen II: Vollborn – Koronkiewicz, Nauber, Ziesing, Temeltas (ab 81. Al Ghaddioui) – Kreyer, Hirsch (ab 46. Maouel), Weiler, Opper (ab 75. Okumak) – Lima, Lanwer.
Tore: 1:0 Herzig (6.)
Schiedsrichter: Patrick Kalbhenn (Düdelsheim)
Zuschauer: 1593
von Eric Thielen