Bittere Pille für Rödls Männer
Fragwürdige Entscheidungen der Schiedsrichter und ein überragender schwäbischer Amerikaner gaben letztlich den Ausschlag in einem wahren Basketball-Krimi am Samstagabend in der Arena: Die TBB Trier unterlag trotz großen Kampfes ratiopharm Ulm mit 74:80 (31:40). Nationalspieler Philip Zwiener gab vor 3096 Zuschauern sein Saisondebüt bei Trier. Aber auch er konnte die Niederlage nicht verhindern. Auch nicht Dry Joyce mit seinen insgesamt 28 Punkten. Henrik Rödl war enttäuscht und doch zuversichtlich. „Die Einstellung meiner Mannschaft hat gestimmt“, sagte Triers Trainer noch unter dem Eindruck des nervenaufreibenden Spiels, „und darauf können wir trotz der Enttäuschung aufbauen.“ Kollege Thorsten Leibenath sprach vom Glück, das sein Team gehabt habe. „Das hätte auch anders ausgehen können“, räumte Ulms Trainer ein.
TRIER. Steffen Neubecker, Johannes Hack, Tamer Arik. Die Namen dieser drei Männer fanden sich weder in der Trierer noch bei der Ulmer Aufstellung. Sie machten keinen Korb, holten keinen Rebound, warfen keinen Dreier und waren doch die Hauptdarsteller in dem engen Basketball-Krimi zwischen der TBB und den Schwaben aus Ulm. Wütende Buhrufe und ein gellendes Pfeifkonzert begleiteten das Schiedsrichter-Trio nach der Schlusssirene auf seinem Gang in die Katakomben. Die Trierer Anhänger standen auf ihren Sitzen und machten ihrem Unmut lautstark Luft. Die Spieler der TBB aber ließen die Köpfe hängen. Sie hatten gekämpft, sie hatten gearbeitet, sie hatten gespielt – und standen am Ende mit leeren Händen da. Kein Handschlag mit den Unparteiischen, kein freundliches Wort. Zu groß war die Enttäuschung nach den zuvor durchlittenen zwei Stunden.
Technisches Foul gegen Nate Linhart wegen einer kurzen Nachfrage, sein fünftes insgesamt: Der Trierer musste vom Feld. Technisches Foul gegen Rödl, Freiwürfe und Ballbesitz für Ulm. Foul gegen Oskar Faßler, statt Foul für den Trierer. Ballbesitz für Ulm. All das im letzten Viertel, als das Spiel auf des Messers Schneide stand, Nuancen den Ausschlag geben würden, wer hier als Sieger die Halle verlässt. Nein, Rödl wollte dazu nichts sagen. Ein kurzer Blick zum Kollegen Leibenath, verbunden mit der Frage: „Dürfen wir überhaupt etwas sagen?“ Triers Trainer holte tief Luft. Ausatmen. „Nein, ich sage nichts zu den Schiedsrichtern. Ich lasse es lieber, weil es ja doch nichts bringt.“ Leibenath schaute betreten nach unten, als Rödl sprach. Er wusste, was der Kollege sagen wollte und doch nicht sagen durfte: Ulm konnte sich auch bei den Schiedsrichtern bedanken, die 31 Fouls gegen Trier, aber nur 16 gegen die Schwaben verhängten. Allein diese Statistik sprach Bände. Da bedurfte es keiner weiteren Worte der beiden Trainer.
Auch der Rückkehrer wollte die Leistung der Unparteiischen nicht kommentieren. „Das spare ich mir“, sagte Nationalspieler Philip Zwiener, der gegen Ulm erstmals in dieser Saison im Kader stand. Das alleine sollte schon Motivation und Ansporn für seine Kollegen sein. An die eigene Stärke glauben nach der klaren Niederlage unter der Woche in Quakenbrück gegen die Drachen aus dem Artland, die negativen Gedanken vertreiben: Zwiener sollte dabei helfen, dass bei Trier nur die positiven Gefühlen durchschlugen. „Ich hätte gerne noch mehr geholfen“, bedauerte er schließlich seine nach wie vor sichtbaren körperlichen Defizite. „Aber ich muss mich jetzt zunächst einmal wieder richtig rankämpfen.“
Von der Bank aus sollte Zwieners Aura wirken, weil Rödl seinen Rückkehrer nicht verbrennen wollte: „Er braucht eben noch etwas Zeit, bis er wieder seine volle Leistung abrufen kann.“ Ein wenig war bei Zwieners Nominierung auch die Psychologie im Spiel. Wie frisch ist der Nationalspieler, was kann er leisten, wie stark ist er nach der Verletzungspause? Fragen, die auch Leibenath beschäftigen mussten und mit denen Rödl seinen Kollegen alleine ließ. „Wir sind ohnehin mit gehörigem Respekt nach Trier gefahren“, sagte Ulms Trainer. Der dürfte durch Zwieners Mitwirken nicht gerade geringer geworden sein. Zunächst konnte sich Leibenath jedoch entspannt zurücklehnen. Seine Mannschaft bestimmte die Anfangsphase klar, weil Rödls Männer ihre Nerven nach der deutlichen Niederlage von Quakenbrück nicht ganz im Griff hatten. Schließlich ist Ulm mit seiner ebenfalls starken Verteidigung nicht gerade ein Aufbaugegner für schlechte Phasen.
Hinzu kam, dass Maik Zirbes mit dem 2,11-Meter-Riesen John Bryant eine Mammutaufgabe vor sich hatte. Der US-Amerikaner forderte Triers Center alles ab. Zirbes musste Schwerarbeit verrichten, um Bryant überhaupt im Ansatz zu stoppen. Und lief immer wieder Gefahr, sich zu früh mit Fouls zu belasten. In der Verteidigung war Zirbes vollauf gefordert, im Angriff kam er gegen seinen Konkurrenten zu selten zum Wurf. Dafür hielt ein ehemaliger Ulmer Trier im Spiel. Im ersten Viertel war es das Duell der Schwaben gegen Dru Joyce. Der Mann mit dem weißen Stirnband machte zehn Punkte und war so hauptverantwortlich dafür, dass die TBB mit einem Punkt Vorsprung in die kurze Pause gehen konnte.
Insgesamt zeichnete sich aber bereits im ersten Durchgang ab, dass Trier heute vor allem mit der Wurfquote Probleme hatte. Selbst dann, als Bryant sich seine Atempausen auf der Bank nahm, machten die TBB zu wenig Punkte. Dabei hing das Spiel der Ulmer am Tropf des Amerikaners. 27 Punkte und 16 Rebounds holte Bryant insgesamt. Auch Zwiener war beeindruckt: „Er war kaum zu stoppen.“ War der Amerikaner allerdings aus dem Spiel, waren die Schwaben kaum noch die Hälfte wert. Doch gerade die Trierer Spezialisten von der Distanzlinie wie E.J. Gallup oder auch Kapitän Dragan Dojcin wurden bis zur Pause zu wenig gesucht. Dass Rödl seinem Spielmacher Joyce hin und wieder Verschnaufpausen geben musste, machte die Aufgabe für die TBB nicht gerade einfacher. Weil der junge Joshiko Saibou mit dem Spiel auf diesem Niveau noch überfordert ist, geriet Trier just in dem Moment, als Sicherheit gefordert war, ins Hintertreffen.
Ulm zog davon. Neun Punkte (40:31) lagen die Schwaben beim Seitenwechsel vorne. Weil auch die Kurzeinsätze von Zwiener nicht richtig fruchteten, wirkten Rödls Spieler bei der Pausensirene irgendwie ratlos. Das übertrug sich auch auf die Ränge. Eine seltsame Stimmung lag nach 20 gespielten Minuten in der Halle. Kaum einer wusste so recht, was von diesem Spiel zu halten, was von der TBB noch zu erwarten war. Manch einer dürfte die Trierer sogar schon abgeschrieben haben, weil Ulm sich gerade im zweiten Durchgang zu dominant gezeigt und der Gegner eine zu hohe Fehlerquote gehabt hatte. „Unsere Schwächephasen dauerten da einfach zu lange“, musste auch Rödl einräumen.
Die Motivationskünste des Offenbachers waren in der Kabine gefragt. Darin ist er Meister. Darauf beruht zu einem nicht unerheblichen Teil seine Qualität als Trainer. Rödls Spieler kamen zurück aufs Feld, als habe es die vorherigen Schwächephasen nie gegeben. Jetzt spielten sie ihre Züge konsequent auf ihre Spezialisten zu. Gallup traf, Dojcin traf, Joyce traf. Sieben Distanzwürfe fanden ihr Ziel. Das dritte Viertel gehörte Trier, und die Halle stand Kopf, weil sich Rödls Männer mit dem schieren Willen in das Spiel zurückgekämpft hatten. Der Sieg war zum Greifen nahe, als die TBB nach 30 Minuten mit 56:54 in Führung lag und Linhart den Schlussabschnitt mit einem weiteren Dreier zum 61:56 einläutete.
Das Verhängnis nahm seinen Lauf, als Linhart kurz darauf erst sein persönliches und anschließend das technische Foul kassierte, weil er kurz nach dem Grund der Schiedsrichterentscheidung gefragt hatte. Ulm drehte das Spiel endgültig nach dem zweiten technischen Foul gegen die Trierer Bank. Diesmal war der Trainer der Leidtragende. Am Sieg der Schwaben konnte auch der fünfte Dreier von Joyce kurz vor Spielschluss nichts mehr ändern. Rödls Männer mussten die bittere Pille schließlich schlucken. Der Trainer richtete den Blick nach vorne. „Meine Mannschaft hat Charakter und die richtige Einstellung gezeigt“, betonte Rödl. Sie habe ein gutes Spiel gemacht. „Darauf können wir aufbauen. Alles andere zählt jetzt nicht mehr und muss aus den Köpfen raus, damit wir in einer Woche in Göttingen erfolgreich sind.“
TBB Trier: Linhart (3), Joyce (28), Saibou, Zwiener (2), Dojcin (10), Faßler (6), Seiferth (2), Gallup (6), Picard, Zirbes (9), Bynum (8), Dietz.
ratiopharm Ulm: Swann (18), Mason-Griffin (5), Günther (9), Betz (2), Olapido, Wenzl, Trice, Esterkamp (8), Watts (5), Nankivil (6), Bryant (27).
Viertelstände: 19:18; 31:40; 56:54; 74:80
Zuschauer: 3096
von Eric Thielen