Auswärts eine Macht
Fünf Tage nach der Heimniederlage gegen Düsseldorf hat sich Eintracht Trier gut erholt gezeigt. Am Sonntagnachmittag gewann der SVE vor 1650 Zuschauern bei Fortuna Köln mit 3:1 (1:0). Ahmet Kulabas war doppelt erfolgreich für den Titelaspiranten von der Mosel. Den dritten Treffer besorgte Martin Hauswald mit Freistoß. Roland Seitz ließ trotz offensichtlicher Zufriedenheit einen Schuss Ironie aufblitzen: “Ich weiß nicht, vielleicht sollten wir in Mainz nachfragen, ob wir dort spielen können”, sagte Triers Trainer. “Oder aber wir gewinnen jetzt einfach mal wieder ein Heimspiel.” Auswärts ist seine Elf eine Macht. Das musste auch Uwe Koschinat anerkennen. “Trier hat große individuelle Klasse”, konstatierte Kölns Trainer.
KÖLN. Die Erleichterung war allenthalben spürbar. Seitz herzte unmittelbar nach Spielende den zuletzt kritisierten Jeremy Karikari, dann auch noch Sportvorstand Ernst Wilhelmi im Kabinengang. Dritter Auftritt in der Fremde, dritter Sieg: Der SVE ist auswärts eine Macht. “Wir wussten, dass es hier schwer werden würde”, sagte Triers Trainer im Rückblick. “Aber unter dem Strich war es sicher ein verdienter Sieg für uns.” Davon sprach auch Koschinat, der hart mit seiner Mannschaft ins Gericht ging. “Mit unseren individuellen Anfängerfehlern haben wir alles dafür getan, dass Trier wenig Mühe hatte, das Spiel zu gewinnen”, bedauerte der Kölner Trainer. “Deswegen fällt mein Fazit sehr ernüchternd aus.”
Individuelle Schwäche wollte auch Seitz nach der Heimniederlage gegen Düsseldorf heuer durch personelle Maßnahmen minimieren. Allerdings beließ er es im Kölner Süden bei der kleinen Rotation. Fahrudin Kuduzovic hatte es erwischt. Für ihn durfte Alon Abelski im zentralen Mittelfeld die Fäden ziehen. Zu schwankend waren die Leistungen des gebürtigen Bosniers Kuduzovic in den letzten Wochen gewesen. Im Auf und Ab zwischen Pokaltriumph gegen St. Pauli und Heimniederlage gegen den Nachwuchs von Fortuna Düsseldorf glich Kuduzovic einer Sinuskurve. Hoch und runter, aufwärts und wieder nieder. Karikari hingegen spielte gegen Köln auf Bewährung. Fabian Zittlau war nahe daran, den gebürtigen Hamburger aus der Startformation zu verdrängen. Seitz beließ es bei einem lauten Schuss vor den Bug für Karikari, der sich gegen die Fortuna als Abräumer vor der Abwehr beweisen durfte.
Apropos Fortuna: Der Klub aus der Südstadt ist trotz des zwischenzeitlichen Abstiegs in die Verbandsliga und dem Tod des langjährigen Präsidenten, Mäzens und Kölner Originals Jean Löring immer noch Kult in der Domstadt am Rhein. Wobei der Verein mit dem wohl ungewöhnlichsten Trainerrauswurf in die Fußballgeschichte einging. In der Halbzeitpause beim Heimspiel gegen Waldhof Mannheim 1999 beschied Präsident Löring dem damaligen Trainer Harald “Toni” Schumacher: „Hau app in de Eiffel. Du määs minge Verein kapott. Du häss he nix mie zu sare, du Wichser“, und setzte sich selbst als Interimscoach auf die Bank. Später sagte Löring zu seiner Entscheidung: „Ich als Verein musste ja reagieren.“ Wohingegen die Karriere des ehemaligen Nationaltorwarts Schumacher als Übungsleiter damit endgültig beendet war.
Er “als Verein” schaut sich die Spiele seiner Fortuna inzwischen aus einer anderen Perspektive an. Löring starb 2005. Da waren die Kölner längst im freien Fall mit drei Insolvenzen bis in die Verbandsliga gerauscht. Mit dem Aufstieg in die Regionalliga am Ende der letzten Saison wurde der Aufschwung eingeleitet. Mittelfristig wird in der Südstadt der Sprung in die dritte Liga angepeilt. Heuer jedoch versucht der Klub zunächst einmal, sich in der neuen Klasse zu etablieren. Das 0:6-Debakel jüngst gegen den Titelaspiranten aus Lotte war in dieser Hinsicht natürlich kontraproduktiv. Da kam der nächste Aufstiegsfavorit gerade recht. Gegen Trier konnten die Fortunen beweisen, dass die Klatsche gegen Lotte nur ein Ausrutscher gewesen war.
Koschinat hatte seiner Mannschaft gegen den Favoriten von der Mosel die kontrollierte Offensive verordnet. Mit zwei Viererketten in enger Abstimmung sollten den Trierern die Wege verstellt werden. Locken wollten die Fortunen den Gegner, um dann über Konter zum Erfolg zu kommen. Die Eintracht fiel darauf nicht herein. Strikt hielten sich Seitz‘ Männer an die taktischen Vorgaben ihres Trainers: Geduld bewahren, Ruhe ausstrahlen und auf die Möglichkeiten warten. Abelski diktierte die Aktionen im zentralen Mittelfeld. Er ist weniger ein Brechertyp wie Kuduzovic, dafür besticht der Neuzugang aus Bielefeld mit seiner großer Übersicht und Fußballintelligenz. Das Spiel schnell machen, wenn gefordert, beruhigen, wenn nötig. Gerade ein Kopf, der lenkt, hatte der Eintracht zuletzt gefehlt. Abelski könnte das Vakuum ausfüllen.
Von seinen Stürmern hatte Seitz mehr “positiven Eigensinn” eingefordert. Triers Trainer erhöhte mit seiner Forderung, die sich bietenden Möglichkeiten konsequent zu nutzen, den Druck auf Ahmet Kulabas und Chhunly Pagenburg. Immerhin scharrt hinter den beiden Freunden Wojciech Pollok mit beiden Hufen. Der neue Mann aus Münster würde liebend gerne von Beginn an spielen. Läuft es jedoch so wie in Köln, wird Pollok sich noch etwas gedulden müssen. Pagenburg und Kulabas harmonierten im Südstadion, gingen weite Wege und waren sich auch in der Rückwärtsbewegung nicht zu schade, für die Mannschaft zu arbeiten. Dass Kulabas zudem weiß, wo das Tor steht, bewies Triers Stürmer in der 38. Minute. Geschickt hatte die Eintracht über Martin Hauswald und Thomas Drescher das Spiel breit gemacht. Dreschers Flanke war Präzisionsarbeit. Punktgenau landete das Spielgerät auf dem Kopf von Kulabas. Dieter Paucken im Tor der Fortuna war machtlos. “Wenn der Trainer uns kritisiert, meint er das ja nur gut”, sagte der Torschütze zur Kritik von Seitz an beiden Stürmern wegen mangelnder Effektivität.
So hatte Seitz das geplant: aus der sicheren Abwehrarbeit heraus die Möglichkeiten dann nutzen, wenn sie sich bieten. Weil seine Männer ihm konsequent folgten, war die knappe Führung der Eintracht zur Pause verdient. Zumal Köln den Beweis seiner Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor schuldig blieb. Einzig Oliver Laux beschwörte gleich zu Beginn des Spiels so etwas wie Gefahr im Strafraum des Titelaspiranten heraus. Ansonsten blieben die Fortunen in der Vorwärtsbewegung harmlos. Warum es auf fremden Plätzen besser läuft als im heimischen Moselstadion, wusste Kulabas auch: “Wir stehen auswärts einfach besser. Das ist unser Spiel – aus der Defensive heraus gefährliche Konter fahren.”
Fortuna kommt zurück
Dass der Aufsteiger überhaupt noch einmal in die Begegnung zurückfand, lag an den Abstimmungsproblemen in der Trierer Innenverteidigung, die prompt bestraft wurden. Knapp 13 Minuten lang tat sich nach dem Seitenwechsel kaum etwas auf dem Platz im Südstadion. Dann schlug Daniel Bartsch den Ball von der rechten Außenlinie auf gut Glück nach innen. Oliver Stang und Denny Herzig standen zu zweit gegen Steffen Moritz, doch jeder verließ sich auf den jeweils anderen. Moritz bedankte sich mit seinem Kopfball zum 1:1-Ausgleich. André Poggenborg im Trierer Tor war machtlos. Stang war selbstkritisch genug, die Schuld auch bei sich zu suchen: “Das darf uns einfach nicht passieren, dass die Ordnung weg ist. Da müssen wir einfach noch konzentrierter sein”, sagte Triers Innenverteidiger.
Als Lukas Nottbeck zwei Minuten später aus der Distanz nur knapp vorbei schoss, drohte das Spiel dem Favoriten von der Mosel zu entgleiten. Seitz reagierte, brachte mit Kuduzovic für Abelski den Brecher mit Kämpfernatur (63.). Die Zeit der taktischen Zurückhaltung war abgelaufen. Kuduzovic sollte die Begegnung über den Willen stabilisieren. Mit einer derartigen Explosion des gebürtigen Bosniers hatte aber auch Seitz sicher nicht gerechnet. Kaum im Spiel, ging Kuduzovic auf der linken Seite auf und davon, der Pass in den Rücken der Kölner Abwehr erreichte Kulabas, der das tat, wofür er bezahlt wird: den Ball ins Tor befördern. Der zweite Treffer des Trierer Stürmers stabilisierte die Begegnung tatsächlich. Die Eintracht war wieder Herr im fremden Stadion. “Ich denke, Faz hat den Knall gehört”, sagte Seitz zu seiner Entscheidung, Kuduzovic zunächst auf der Bank zu lassen.
Endgültig entschieden war die Begegnung, als Hauswald in der 73. Minute vom Freistoßpunkt das 1:3 erzielte (74.) Koschinat war angefressen ob des dritten Treffers für den Favoriten. “Wir kassieren zum wiederholten Mal ein Tor durch einen Freistoß aus der zentralen Position. Das darf einfach nicht sein”, machte der Kölner Trainer seinen Spielern Vorwürfe. Den Einsatz seiner Elf konnte er indes nicht kritisieren. Auch in der verbleibenden Viertelstunde gaben die Fortunen noch ausreichend Körner. Ein zweites Mal ließ sich die Trierer Abwehr allerdings nicht mehr überrumpeln. “Wir haben nach dem Ausgleich sofort zurückgeschlagen”, sagte Kulabas. “Und wir haben heute auf dem Platz gezeigt, was wir können und was der Trainer von uns fordert. So kann es auch gegen Mainz laufen.”
SC Fortuna Köln: Paucken – Bartsch, Haben (ab 46. Kessel), Schäfer, Caspers (ab 46. Canizalez) – Kühn, Laux (ab 70. Ende), Nottbeck, Moritz – Montabell, Pagano.
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Kraus (ab 75. Knartz), Karikari, Hauswald – Abelski (ab 63. Kuduzovic) – Pagenburg (ab 65. Pollok), Kulabas.
Tore: 0:1 Kulabas (38.); 1:1 Moritz (58.); 1:2 Kulabas (63.); 1:3 Hauswald (74.)
Schiedsrichter: Christian Fischer (Hemer)
Zuschauer: 1650
Weiterer Artikel:
von Eric Thielen