Wie beim Hasen und den Igeln

Stark gespielt, aber das alleine reichte nicht: Die TBB Trier unterlag am späten Samstagabend nach großem Kampf dem hohen Favoriten Alba Berlin mit 74:78 (31:44). 5134 Zuschauer in der Arena sahen ein Spiel, das die Mannschaft von der Spree über weite Strecken hinweg klar dominierte. Nach der Pause wäre Alba allerdings beinahe die eigene aufreizende Lässigkeit zum Verhängnis geworden, was Gordon Herbert mit spürbarer Ironie kommentierte. „Das waren zwei Spiele in einem“, sagte Berlins Trainer. Henrik Rödl sprach vom Stolz, den er empfinde. „Es war ein tolles Fest, ein großes Spiel mit großer Kulisse“, sagte der Offenbacher. „Ich bin stolz auf die Mannschaft, auch wenn das I-Tüpfelchen gefehlt hat“, bedauerte Triers Trainer die Niederlage.

TRIER. Damit hatte er nicht gerechnet. Als der zehnjährige Marek auf der Pressekonferenz von Rödl wissen wollte, wie er denn nach einem solchen Spiel schlafe, schaute Triers Trainer erst einmal verdutzt zum kleinen „sechsten Mann“ der TBB. Herbert sprang dem etwas sprachlosen Kollegen bei. „Das kommt immer darauf an, ob man gewinnt oder verliert“, antwortete der Kanadier. Rödl nickte, sah hoch und lachte. „Gute Frage“, lobte der Offenbacher den kleinen Marek. Dann plauderte er aus dem privaten Nähkästchen: „Ich schlafe normalerweise immer schnell ein, wache aber früh auf, und dann gehen mir sehr viele Dinge durch den Kopf.“

„Natürlich mache ich mir Sorgen“, legte er nach. Aber das gehöre dazu, weil der Trainerjob einerseits sehr stressig, andererseits aber auch sehr schön sei. Sorgen etwa über den nach wie vor geringen Punkteabstand zu den Abstiegsplätzen. Sorgen aber auch wegen der nächsten, schier übermächtigen Gegner aus München und Bamberg. Ein Sieg über Berlin hätte jene Sorgen des Hessen wohl etwas reduziert. Einen Sahnetag hatte er sich gewünscht, einen großen Kampf seiner Männer ohne das glückliche Ende hatte er bekommen. Die hatten gekämpft, gebissen und gekratzt. Sie waren gerannt wie die Hasen, und sahen doch immer wieder einen Berliner Igel vor sich. Es war wie in der berühmten Fabel. Wo immer ein Trierer auftauchte, Alba hatte die passende Antwort und über die knapp zwei Stunden hinweg auch die größere individuelle Klasse.

Das musste auch Philip Zwiener neidlos anerkennen. „Alba hat eben eine starke Mannschaft, die jeden unserer Fehler gnadenlos bestraft hat“, sagte Triers Nationalspieler. „Aber heute wäre für uns trotzdem mehr möglich gewesen.“ Schließlich hatten sie nichts zu verlieren, weil der Ausgang auf dem Papier schon von vornherein klar war. Berlin ist eben Berlin, Trier ist Trier. Dazwischen liegen allein vom Anspruch her Welten. Fünf US-Amerikaner schickte Herbert in seiner Startformation aufs Parkett – und damit mit das Beste, was die BBL personell zu bieten hat. Derrick Allen, Torin Francis, DaShaun Wood, Kyle Weaver und Bryce Taylor gehören zur Crème de la Crème der hiesigen Szene. Rödl konterte mit seinen zwei deutschen Nationalspielern. Zwiener und Maik Zirbes verstärkten das serbisch-amerikanische Trio aus Dragan Dojcin, Nate Linhart und Dru Joyce.

Doch auch Triers beste Fünf reichte nicht, um diese Hauptstädter zumindest ansatzweise in Schranken zu halten. Herbert hat dem strauchelnden Riesen aus der Metropole neues Leben eingehaucht. Zu Saisonbeginn war der Kanadier von Frankfurt aus an die Spree gewechselt. Mit dem Mann aus British Columbia setzt der Albatross zu neuem Höhenflug an. Berlin präsentierte sich an der Mosel wie ein echter Champion. Abgeklärt, ruhig, souverän und fast schon aufreizend emotionslos spulte der Favorit seinen eigenen Film ab. Der lief über weite Strecken einfach viel zu schnell für Trier. Rödl hatte die Erklärung: „Wir waren in der ersten Halbzeit sicher viel zu nervös“, räumte der Trierer Trainer ein.

Zeitlupe hier, Zeitraffer da, was schlicht der klaren Berliner Überlegenheit geschuldet war. Trier kämpfte, Trier mühte sich ab, ohne den Lauf des Favoriten ernsthaft brechen zu können. Immer vermittelte Alba den Eindruck, jederzeit noch einen Gang zulegen zu können. Piesackte der Außenseiter die Hauptstädter zu arg, erhöhten die eben kurz das Tempo, schon waren die Machtverhältnisse auf dem Parkett wieder gerade gerückt. „Das war unser Spiel“, sagte Herbert, „was wir später dann fast verspielt hätten.“

Bis zur Pause war es eine klare Angelegenheit für die Albatrosse von der Spree, die wenig Schweiß vergießen mussten. Das erste Viertel war trotz der Berliner 22:16-Führung noch halbwegs ausgeglichen, im zweiten gab der Meisterkandidat dann richtig Gas. Alba wollte die frühe Vorentscheidung, und beim 31:44-Zwischenstand zum Seitenwechsel standen die Trierer Aktien deutlich im Minus. Zirbes hatte große Probleme mit Francis, dem 2,10 Meter großen Modellathleten. Auch Andreas Seiferth bekam den US-Amerikaner nicht in den Griff. Zwiener fand gegen die alten Kollegen nicht richtig ins Spiel, und vor der Distanzlinie fehlte der TBB ein Vollstrecker. Einen guten Eindruck hingegen hinterließ Neuzugang James Washington. Rödls Sonderlob folgte demnach auch umgehend. „Ich bin selbst überrascht, wie schnell er sich integriert hat.“

Einzig darauf konnte Trier hoffen, dass Berlin das Spiel nach dem Seitenwechsel angesichts der eigenen Überlegenheit nicht mehr bedingungslos annehmen würde. Darin lag die große Gefahr für den hohen Favoriten. Ein paar Prozentpunkte in der eigenen Konzentration herausnehmen, und schon würde die TBB spürbar Morgenluft wittern. Denn eines ist unabhängig von Spielstand und sichtbarer Unterlegenheit klar: Eine von Rödl trainierte Mannschaft gibt erst dann auf, wenn der letzte Ball geworfen ist. „Trier war in der zweiten Halbzeit viel aggressiver als wir und letztlich auch besser“, zürnte Herbert mit dem Schlendrian seiner Spieler.

Berlins Lässigkeit öffnete Trier die Tür. Mit einem ungeheuren Kraftaufwand kämpften sich Rödls Männer bis auf zwei Punkte an Alba heran. Joyce traf endlich, auch Zwiener und Zirbes legten zu. Berlin konterte zwar, doch beim 57:61 nach 30 Minuten war die Begegnung vom Ergebnis her wieder offen. Der Ex-Meister wäre fast über seine eigene Überheblichkeit gestolpert. Immer wieder holte Regisseur Wood die Kollegen mit erhobenem Zeigefinger zur Gardinenpredigt zusammen. Was da ablief, gefiel dem Amerikaner überhaupt nicht. Energisch mahnte er Disziplin und Konzentration an.

Das half, weil sich Alba schließlich über seine individuelle Klasse ins nahe Ziel rettete, während Trier in der Endphase erneut Nerven zeigte und zudem bei den Defensiv-Rebounds eine sehr schwache Quote hatte. Joyce hätte 30 Sekunden vor der Schlusssirene aus der Distanz treffen können, ebenso Linhart. Doch beide vergaben beim 70:74 die durchaus mögliche Verlängerung. Auf der Gegenseite aber traf Francis ohne Nerven und Schnörkel. Die vier Punkte von Linhart und Zwiener konnten die Niederlage nicht mehr verhindern. Der Nationalspieler war enttäuscht. „Klar ist das bitter, weil wir ganz nahe dran waren.“ Doch gleich seinem Trainer blickte auch er optimistisch in die nahe Zukunft. Rödls Satz von den „Siegen, die sicher kommen werden“, unterstrich Zwiener mit seiner Zuversicht. „Wir sind auch in München und gegen Bamberg nicht chancenlos, wie man heute klar sehen konnte.“

TBB Trier: Linhart (14), Joyce (18), Saibou, Zwiener (12), Dojcin (6), Faßler (2), Seiferth (6), Washington (2), Picard, Zirbes (6), Bynum (8).

Alba Berlin: Staiger, Schultze, Schaffartzik (10), Allen (1), Francis (18), Simonovic (6), Wood (12), Weaver (12), Idbihi (10), Taylor (9).

Viertelstände: 16:22; 31:44; 57:61; 74:78

Zuschauer: 5134

Print Friendly, PDF & Email

von

Schreiben Sie einen Leserbrief

Angabe Ihres tatsächlichen Namens erforderlich, sonst wird der Beitrag nicht veröffentlicht!

Bitte beachten Sie unsere Kommentarrichtlinien!

Noch Zeichen.

Bitte erst die Rechenaufgabe lösen! * Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.