Vier Punkte verloren (update)
Eintracht Trier hat am Samstagnachmittag die große Möglichkeit verpasst, den Punkterückstand auf Ligaprimus Lotte zu verkürzen. Der SVE verlor vor 430 Zuschauern mit 2:4 (0:1) auf dem Betzenberg gegen die U23 des 1. FC Kaiserslautern. Damit wuchs der Abstand zum Tabellenführer Lotte, der am Freitagabend in Leverkusen über ein 0:0-Unentschieden nicht herausgekommen war, auf nunmehr neun Punkte an. Dorthin will Roland Seitz zurzeit ohnehin nicht schauen. “Wir müssen jetzt erstmal sehen, dass wir die Kurve bekommen”, sagte Triers Trainer nach den bitteren 90 Minuten in der Pfalz. “Das war heute eine unnötige Niederlage, die sehr ärgerlich ist. Aber unsere Leistungsschwankungen sind einfach zu groß.”
KAISERSLAUTERN. Der gänzlich unschuldige Metallständer mit den bunten Werbetafeln bekam den ganzen Frust zu spüren. Die Faust von Denny Herzig landete krachend am Metall, als er wutgeladen durch den Tunnel des Betzenbergs zu den Kabinen schritt – das Wort mit “SCH” am Anfang lautlos auf den Lippen. Triers Innenverteidiger fluchte still vor sich. Ein paar Meter entfernt redete sich Thomas Kraus die Enttäuschung von der Seele. “Wir sind in der zweiten Halbzeit wieder zurückgekommen, haben dann aber zu viele Fehler gemacht. Vielleicht haben einige nach dem Ausgleich auch gedacht, es ginge von alleine.” Das wollte sein Trainer nicht behaupten. “Ich kann nicht in die Köpfe der Spieler sehen. Was ich aber sehe, sind die Berg- und Talfahrten, die wir uns immer erlauben”, sagte Seitz. “Und das geht eben nicht immer gut aus.”
Dabei ist es schon grausam genug, in der Regionalliga auf dem Betzenberg spielen zu müssen. Knapp 50.000 Zuschauer fasst die Betonarena “Fritz-Walter-Stadion”. Am Samstag verloren sich vielleicht drei Dutzend Sympathisanten aus der Westpfalz auf den riesigen Tribünen. Die Ordner in ihren grünen Jacken waren da klar in der Überzahl. Dafür sucht man Balljungen im weiten Viereck vergeblich. Selbst ist der Spieler, sofern er denn das Spielgerät zurückhaben will. Für etwas Stimmung sorgten allein die mitgereisten Schlachtenbummler aus Trier. Deren Gesang hallte im nahezu hundertfachen Echo zwischen den Betonwänden wider. Geisterkulisse auf dem Berg in Kaiserslautern.
Nicht zuletzt deswegen will Seitz mit seiner Mannschaft so schnell wie möglich heraus aus dieser Liga. Seit Freitagabend waren die Aktien der Trierer Eintracht wieder gestiegen. Der bisher so souveräne Tabellenführer aus Lotte gönnte sich überraschend ein torloses Unentschieden in Leverkusen. Ein Sieg in der Pfalz würde den Rückstand also auf sechs Punkte schmelzen lassen – bei einem Spiel weniger auf dem Konto als der schärfste Konkurrent. Zudem steht das direkte Aufeinandertreffen der beiden Titelaspiranten noch aus. Am 10. Dezember kommt es zum Gipfel am Lotter Autobahnkreuz. “Aber bis dahin müssen wir erst einmal unsere Hausaufgabe gegen Leverkusen erledigen – ohne nach Lotte zu schauen”, betonte Seitz.
Heute hatte er seine nominell beste Elf aufgeboten, also mit Jeremy Karikari, mit Chhunly Pagenburg und mit Cataldo Cozza. Motivieren konnten sich die Trierer allerdings ausschließlich über den eigenen Kopf, weil von Atmosphäre in diesem vom Stadionsprecher so hochtrabend apostrophierten “Südwest-Derby” nicht die Rede sein konnte. Das aber fiel selbst den routinierten Profis von der Mosel sichtlich schwer. Der FCK agierte sicherheitstechnisch mit zwei Abräumern vor der eigenen Abwehr, was dem Titelaspiranten das Leben zusätzlich erschwerte. Die Eintracht kam nicht in die Räume, konnte sich so auch keine zwingenden Tormöglichkeiten gegen die kompakte Defensive der Pfälzer erarbeiten.
Auf der Gegenseite bekleckerten sich die “Roten Teufel” ebenfalls nicht mit Ruhm. Andrew Wooten tauchte in der fünften Minute zwar gefährlich vor André Poggenborg auf, wuchtete den Ball jedoch über die Latte. Danach war in offensiver Hinsicht Ebbe auf dem Berg – auf beiden Seiten. Bis zur 40. Minute, als die Trierer gedanklich bei einem eigenen Einwurf waren. Der FCK aber brachte das Leder zurück ins Spiel, Hendrick Zuck ging auf und davon. Platzierter Flachschuss, Poggenborg ohne Abwehrmöglichkeit. Das 1:0 für den FCK fiel aus dem Nichts und provozierte wütende Proteste der Gäste. Sie hatten einen Einwurf für sich gesehen – nicht für die Pfälzer.
Wootens Nackenschlag für den SVE
Auch Seitz war auf dem Platz, ohne an der Entscheidung etwas ändern zu können. Schiedsrichter Thomas Metzen blieb dabei: Tor für den FCK. Wie schon gegen Wuppertal lag die Eintracht zur Pause zurück. Mit dem Pfiff des Unparteiischen zum Kabinengang knallte Oliver Stang den Ball wütend auf den Boden. Nicht nur Triers Innenverteidiger hatte sich das ganz anders vorgestellt. Jetzt war die Eintracht gefordert, sollte aus dem Lotter Unentschieden nicht doch noch ein Punktgewinn für den Tabellenführer werden. “Klar war das ein Einwurf für uns”, sagte Seitz im Rückblick. “Aber Lautern hat das auch sehr geschickt gemacht und schnell reagiert.”
Trier kam mit dem nötigen Elan aus der Kabine – und musste doch zunächst eine weitere Schrecksekunde überstehen. Wieder war es Wooten, der frei vor dem Trierer Tor zum Schuss kam (49.). Wieder setzte der Lauterer Stürmer den Ball über die Latte. Glück für die Eintracht, die schon im Gegenzug für neue Hoffnung bei ihren Anhängern sorgte. Denis Linsmayer holte Alon Abelski an der Strafraumgrenze von den Beinen. Diesmal entschied Metzen zugunsten der Trierer: Strafstoß für den SVE, den Kuduzovic gewohnt sicher zum 1:1-Ausgleich verwandelte (52.). Sie hatten sich über die Energieleistung den Gegner zurechtgelegt. Jetzt mussten sie nur noch nachlegen. Die Pfälzer wankten und kamen unter gütiger Mithilfe der Eintracht zurück ins Spiel, weil sich die Trierer Hintermannschaft eine kollektive Auszeit gönnte. Beim Eckball von Guiliano Modica achtete niemand auf Jiri Bilek, der unbedrängt am kurzen Pfosten auftauchte und den Ball mit dem Kopf zum 2:1 ins Tornetz wuchtete (60.).
Der Titelaspirant hatte das Spiel kontrolliert, das Tor aber machte die Nachwuchsmannschaft aus der Pfalz, bei der jetzt Marco Knaller über sich hinauswuchs. Erst entschärfte Lauterns Torwart gegen Cozza, dann auch gegen Karikari bei Triers Doppelchance (65.). Auch beim Gewaltschuss von Chhunly Pagenburg (75.) war Knaller auf dem Posten. Seine Mitspieler dankten es ihm auf ihre Art. Wooten schloss einen der vielen Konter des FCK zum 3:1 ab (78.). Seitz hatte seine Abwehr mit der Hereinnahme von Wojciech Pollok für Cozza (71.) schwächen müssen, um hier zumindest noch einen Punkt zu holen. Vorwürfe aber machte sich vor allem Thomas Kraus, der am Ballverlust im Mittelfeld beteiligt gewesen war. “Das Tor geht ganz klar mit auf meine Kappe”, räumte er ein.
Dass Pagenburg die Eintracht in der 80. Minute mit dem 3:2-Anschlusstreffer noch einmal heranbrachte, hatte ebenso nur noch statistischen Wert, wie Wootens zweites Tor per Strafstoß in der 90. Minute. Herzig hatte den späteren Torschützen gelegt. Wooten verwandelte selbst zum Endstand von 4:2 für den FCK. Für Alois Schwartz war der Sieg gegen den Titelfavoriten nicht unverdient. “Meine Mannschaft hat Charakter gezeigt, zumal wir vor dem Spiel große personelle Probleme hatten”, sagte Lauterns Trainer. Kollege Seitz schwieg dazu. “Uns hat in einigen Situationen auch etwas Glück gefehlt.” Aber nur daran wollte Triers Trainer die Niederlage nicht festmachen. “Nein, bestimmt nicht, eher an unserer fehlenden Konstanz.” Das aber habe nichts mit dem Druck zu tun. “Wir haben immer Druck, und jetzt gegen Leverkusen eben noch mehr. Damit müssen wir umgehen können.”
Entwarnung bei Drescher
Kurz vor Ende des Spiels hatte es ihn erwischt. Triers Kapitän Thomas Drescher bekam den Ball mit voller Wucht auf sein rechtes Auge. Der 33-Jährige war kurz benommen und musste den Rest der Begegnung mit verminderter Sehkraft durchstehen. Nach Abpfiff eilte Drescher unverzüglich in die Kabine, gab am späten Abend Entwarnung. „Wie es aussieht, ist es wohl nur eine Prellung am Augapfel, das sollte in ein paar Tagen abgeklungen sein, wie der Arzt mir versichert hat“, sagte Drescher gegenüber 16vor. Damit dürfte der Einsatz des Routiniers am kommenden Freitag gegen die U23 von Bayer 04 Leverkusen nicht gefährdet sein. „Ich habe einfach kaum noch etwas gesehen und daher erst gedacht, es hätte mich schlimmer erwischt“, so Drescher.
1. FC Kaiserslautern II: Knaller – Becker, Stulin, Linsmayer, Modica – Bilek, Saiti (ab 92. Grammel), Himmel, Freyer (ab 82. Amri) – Wooten, Zuck (ab 92. Rizzuto).
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza (ab 71. Pollok), Stang, Herzig, Drescher – Karikari – Kraus, Abelski, Kuduzovic, Pagenburg – Kulabas.
Tore: 1:0 Zuck (40.), 1:1 Kuduzovic (52./FE), 2:1 Bilek (60.), 3:1 Wooten (78.), 3:2 Pagenburg (80.), 4:2 Wooten (90./FE).
Schiedsrichter: Thomas Metzen (Mechernich)
Zuschauer: 430
von Eric Thielen