Dreschers Hilfegesuch erhört

Eintracht Trier hat am Samstagnachmittag den Punkteabstand zu Tabellenführer Lotte zumindest konstant bei acht Punkten gehalten. Der SVE besiegte den Wuppertaler SV vor 1924 Zuschauern im Moselstadion letztlich verdient mit 3:1 Toren. Dabei lag der Titelaspirant zur Pause noch mit 0:1 zurück. Nicht umsonst frohlockte Triers Trainer nach dem Schlusspfiff. „Es tut sehr gut, dass wir erstmals in dieser Saison ein Spiel nach einem Rückstand noch drehen konnten“, sagte Roland Seitz, der ob der Leistungssteigerung seiner Mannschaft nach dem Seitenwechsel wie aufgedreht wirkte. Dort hakte auch Hans-Günter Bruns ein. „Trier hat die spielstärkste Mannschaft der Liga, die nie aufgibt“, äußerte Wuppertals Trainer seinen Respekt. „Die Eintracht hat verdient gewonnen.“

TRIER. Nur ganz selten gehen Fußballspieler hart mit sich selbst und der eigenen Leistung ins Gericht. Thomas Drescher ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Profi. Der Trierer Kapitän, der in fünf Tagen seinen 33. Geburtstag feiert, ist ein Vorbild – als Spieler wie als Mensch. „Ich hatte heute einen rabenschwarzen Tag“, sagte Drescher. „Deswegen kann ich mich nur bei der Mannschaft bedanken, dass sie mir so geholfen hat.“ Dass er zugleich nicht an Kritik spart, so er sie denn für angebracht hält, macht ihn ferner zum unumstrittenen Führungsspieler. „Vom Publikum auf der Haupttribüne bin ich enttäuscht“, betonte er. „Gerade von dort erwarte ich mir Unterstützung, wenn wir sie brauchen.“

Damit lag der Kapitän auf einer Wellenlänge mit seinem Trainer. Auch Seitz war von der scharfen und lautstarken Kritik der Zuschauer hinter seiner Bank irritiert. „Das kann ich nicht verstehen, weil bei einem Rückstand von 0:1 ja noch nichts verloren ist.“ Er mahnte Fingerspitzengefühl beim Publikum an. Drescher formulierte das so: „Wenn es gut läuft, brauchen wir keine Hilfe, sondern dann, wenn es eben nicht so gut läuft.“ Triers Kapitän sprach den Zeitraum zwischen der Wuppertaler Führung und der Pause an, als der Titelfavorit völlig von der Rolle war. „Da hätten wir die Unterstützung dringend gebraucht. So haben wir uns eben selbst aus dem Schlamassel gezogen.“

Weil Wuppertal in der eigenen Vorwärtsbewegung mit einer im modernen Fußball ungewöhnlichen Dreier-Abwehrreihe spielte, hatte die Eintracht ihre Probleme. Bei Ballbesitz des Gegners schaltete der WSV auf ein Bollwerk aus fünf Mann um – ergänzt durch zwei Abräumer vor der Abwehr. So schufen die Bergischen einerseits Überzahlsituationen im Mittelfeld, andererseits wurden die Räume für die Eintracht zur eigenen Entfaltung extrem eng. Seitz hatte seinen Spielern anhand von Videostudien taktische Lösungen für das Problem aufgezeigt. Schnell sollten sie spielen, möglichst mit nur einem Kontakt und zudem über die Außenpositionen. „Das hat auch ganz gut funktioniert“, sagte Alon Abelski, „aber wir haben leider erneut unsere Chancen nicht genutzt.“

Wie in der elften und auch 14. Minute geschehen: Beide Male entschwand Drescher auf der linken Seite, legte das Spielgerät butterzart in den Rücken der Abwehr. Erst konnte Abelski die Vorlage nicht verwerten, dann kam Thomas Kraus den entscheidenden Schritt zu spät. Wieder zwei hochkarätige Möglichkeiten schon in der Anfangsphase für den Titelaspiranten, aber wieder kein Tor. Erneut versäumte es die Eintracht, mit einem frühen Treffer Ruhe in die eigenen Aktionen zu bekommen und das Spiel in ihrem Sinne zu lenken. Zuvor hatte der WSV am Glück gerochen. Als Abelski in der vierten Minute den Ball vom Freistoßpunkt nach innen zog, prüfte Daniel Flottmann seinen eigenen Torwart. Christoph Semmler kratzte das Spielgerät mit einem Reflex aus dem Winkel.

Die Bergischen blieben bei ihren seltenen Vorstößen gefährlich. Hatte Wuppertal den Ball, wurde das Mittelfeld schnell überbrückt, gerne mit langen, hohen Pässen. Meist war Christian Knappmann die Anspielstation. Er schirmte ab, verteilte, sorgte für Unruhe. Die sonst so sattelfeste Trierer Abwehr hatte heuer ungewohnte Probleme mit der Zuordnung. Das nutzte der WSV eiskalt aus. Wieder zeigte ein Gegner dem Aufstiegsfavoriten von der Mosel, was schonungslose Effizienz ist. Maciej Zieba tanzte Drescher an der Eckfahne aus. Stramm kam der Ball vor das Trierer Tor, wo Tom Moosmayer bereits lauerte. Der Wuppertaler nahm das Spielgerät volley und vollstreckte zum 0:1.

Entsetzen in den Reihen des Titelaspiranten und im weiten Rund des Stadion: So war das nicht geplant – erneut in Rückstand, während Tabellenführer Lotte zum selben Zeitpunkt bereits mit 2:0 gegen die Reserve aus Kaiserslautern führte. Die Anhänger aus Wuppertal skandierten höhnisch “Hier regiert der WSV!”, während beim SVE nun alle Fäden rissen. Nichts lief mehr zusammen beim Tabellenzweiten: Welten lagen zwischen dem eigenen Anspruch und der brutalen Wahrheit auf dem Platz. Der Druck schien die Beine zusätzlich zu lähmen. Immer wieder drehte Seitz sich ab, kopfschüttelnd. Triers Trainer konnte oder wollte nicht mehr hinsehen.

Dreschers Tor bringt die Wende

Trotz des Rückstandes blieb es ruhig in der Trierer Kabine. „Nein, ich bin nicht laut geworden“, sagte Seitz. „Wir haben die Situation sachlich analysiert und angesprochen.“ Zumindest den Willen, dieses Spiel noch zu drehen, dürfte er von seinen Spielern aber eingefordert haben. Und den zeigten sie dann auch mit allem Nachdruck, weil sie ohnehin nichts mehr zu verlieren hatten. Plötzlich war die zuvor so sehr vermisste Aggressivität im Spiel, plötzlich lief der Ball, plötzlich hatten sie Mut und Ehrgeiz. Chhunly Pagenburg und Kraus hatten den Ausgleichstreffer schon auf dem Fuß (48.), scheiterten beide jedoch an Semmler. Der wiederum leistete sich den wohl spielentscheidenden Aussetzer. Drescher fing den Abwurf Semmlers ab und zirkelte den Ball zum 1:1 ins Tor. Schon dadurch wurde die harte Kritik des Trierer Kapitäns an sich selbst relativiert. Schließlich war es der Routinier, der mit seinem Tor die Wende eingeleitet hatte.

„Erst wollte ich flanken“, gab Drescher zu Protokoll. Als er sah, dass Semmler zu weit vor seinem Tor stand, habe er es einfach mal probiert. „Und der Ball hat gut gepasst.“ Jetzt war der Bann gebrochen. Pagenburg erhöhte nach Vorlage von Abelski auf 2:1 (64.), Kulabas ließ dem sogar noch den dritten Treffer folgen (70.). Innerhalb von zehn Minuten hatte die Eintracht das Spiel gedreht, weil Leidenschaft das Phlegma der ersten Halbzeit ersetzt hatte. Wuppertal brach buchstäblich auseinander. Bruns versuchte es zwar mit frischen Kräften, aber auch die brachten gegen den nun selbstsicheren Titelaspiranten nur brotlose Kunst auf den Platz.

Für Abelski, der im Duell mit seinem Bruder Ben die Oberhand behielt, war der Erfolg letztlich das Ergebnis knallharter Arbeit. „In der Pause haben wir uns vorgenommen, das Tor zu erzwingen. Wir sind zurückgekommen, und das zeichnet diese Mannschaft aus.“ Vielleicht auch wegen Dreschers Appell, der die Kollegen in der Kabine um Hilfe gebeten hatte: „Ich habe mir gewünscht, dass sie mir helfen, weil ich so schlecht gespielt habe.“ Manchmal macht Schwäche stark. Triers Kapitän ist eben ein ungewöhnlicher Typ – als Spieler wie als Mensch. „Und es hat ja geklappt“, schmunzelte er, bevor er wie meist als letzter unter die Dusche verschwand.

Ausschreitungen und Festnahmen

Während es im Stadion selbst weitgehend ruhig blieb, sollen nach ersten Meldungen der Polizei bis zu 13 Anhänger aus beiden Fanlagern vorübergehend festgenommen worden sein. Bereits vor Spielbegin war es zu Ausschreitungen in der Innenstadt und im Umfeld des Moselstadions gekommen. Auch nach Spielschluss musste die Polizei gegen gewaltbereite Fans einschreiten (siehe dazu gesonderte Meldung).

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Karikari – Kraus (ab 78. Gouiffe à Goufan), Abelski, Kuduzovic (ab 85. Knartz), Pagenburg (ab 83. Zittlau) – Kulabas.

Wuppertaler SV: Semmler – Schlieter, Flottmann, Herzenbruch – Fleßers, El-Hammouchi (ab 72. Meier), Moosmayer, Landers, Abelski (ab 72. Asaeda) – Zieba (ab 67. Kastrati), Knappmann.

Tore: 0:1 Mossmayer (20.), 1:1 Drescher (61.), 2:1 Pagenburg (64.), 3:1 Kulabas (70.)

Schiedsrichter: Philipp Schmitt (Rockenhausen)

Zuschauer: 1924

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