„Wir waren so nahe dran“
Am Ende reichte es nicht ganz: Die TBB Trier musste sich am späten Samstagabend denkbar knapp bei Phönix Hagen mit 78:83 (46:44) geschlagen geben. Zwischenzeitlich hatte die Mannschaft von Henrik Rödl vor 2758 Zuschauern in der Enervie Arena sogar einen Zwölf-Punkte-Rückstand gedreht. Aber auch das genügte nicht gegen aufopferungsvoll kämpfende Westfalen. Rödl wirkte zerknirscht, als er nach den Gründen für die knappe Niederlage suchte. „Ich möchte einfach so sagen: Wir haben das Spiel nicht verloren, Hagen hat es gewonnen.“ Im Satz des Trierer Trainers lag zugleich Anerkennung für die Leistung des Gegners wie auch für die eigenen Spieler. Dem konnte sich Ingo Freyer anschließen. „Natürlich waren wir nach dem Verlust der Führung in der Pause mental schlecht drauf, aber dann haben wir uns ins Spiel zurückgekämpft und es auch über den Kampf entschieden“, analysierte Hagens Trainer.
HAGEN. Nein, er wollte erst einmal nichts sagen. Zu tief saß die Enttäuschung bei Philip Zwiener. Wortlos schritt er nach nervenaufreibenden zwei Stunden durch den dunklen Gang zur Kabine. Draußen feierten die Kollegen aus Hagen. So gerne wäre er an deren Stelle gewesen. Sein Trainer lehnte an der Wand, vertieft im Studium der Statistik. Rödls Art, seine Enttäuschung zu überwinden. Schließlich sind sie alle Profis. Das ist ihr Geschäft. Und zum Sport gehören auch Niederlagen – bittere zudem. Nach zwei Minuten war er wieder da. Kurz hatte er Dampf abgelassen, den Blutdruck gesenkt. „Wir hatten einfach zu viele leichte Ballverluste“, sagte Zwiener. Dann nahm er den Kopf hoch: „Aber wir haben kein schlechtes Spiel gemacht.“ Ein Beinbruch sei die Niederlage daher nicht. „Wir bauen darauf auf, dass wir ganz nahe dran waren.“
Auch Zwiener war von der Atmosphäre in der Hagener Halle begeistert. Von jener besonderen Stimmung, die auch im Film eines Mannes namens Pfeifer vorkommt. „Phönix in der Asche“ nennt der Regisseur seinen Streifen und karikiert damit geradezu den allseits bekannten Satz vom auferstandenen Riesenvogel. Untertitel: „Ein Jahr im Abstiegskampf.“ Es scheint eine unendliche Geschichte für die Westfalen zu sein. Wieder sind sie am Schwanz der Tabelle anzutreffen, allerdings nur zwei Punkte von Trier entfernt. Nicht umsonst erklangen in der satt gefüllten Hagener Halle die martialischen „Höllenglocken“ von AC/DC – visuell begleitet von dicken Nebelschwaden aus der Trockeneismaschine. Schließlich sollte das Aufeinandertreffen zum richtungweisenden Duell werden. Ein Sieg, und Hagen würde den Anschluss schaffen. Eine Niederlage, und die Geschichte vom Phönix in der Asche würde ihre Fortsetzung erleben.
Trier wollte den Spielverderber geben. Mit diesem Anspruch war die TBB nach Hagen gefahren. Gestärkt durch den Erfolg gegen Bayreuth sollte heuer nachgelegt werden. Das gelang nur bedingt. Angepeitscht vom frenetischen Publikum auf der Steiltribüne ließ Hagen der TBB kaum Luft zum Atmen. 6:5 führten Rödls Männer, dann legten die Westfalen los. Jason Crowe versenkte zwei, Marc Carter gar drei Würfe aus der Entfernung. Trier bekam die Distanzlinie gegen das schnelle Spiel der Hagener einfach nicht in den Griff. Da halfen auch die jeweils sechs Punkte von Zwiener und Maik Zirbes nicht. Phönix überrannte die TBB im ersten Viertel geradezu. Dru Joyce fand nur schwer ins Spiel, und gerade ihn braucht die TBB dringend, um ihr Spiel aufzuziehen.
So war erst einmal Schadensbegrenzung für Trier angesagt, weil Hagen dieses Tempo kaum über die gesamten 40 Minuten würde gehen können. Zunächst jedoch legten die Gastgeber noch einen Schippe drauf. Diesmal war es Zygimantas Jonusas, der fast nach Belieben traf. Hagen schraubte den Vorsprung bis zum 34:22 auf zwölf Punkte. Rödl mahnte immer wieder Ruhe bei seinen Spielern an. Nur nicht anstecken lassen von der gegnerischen Hektik. Trier spielte sein Tempo auf gleichbeibend hohem Niveau, Hagen aber brach ein. Die Westfalen hatten schlicht überdreht, im wahrsten Sinne des Wortes ihr Pulver zunächst verschossen. „Außerdem hat unsere Veretidigung nicht mehr richtig funktioniert“, stellte Freyer fest.
Von der Mitte des zweiten Viertels an war es das Spiel der Gäste. Jetzt zeigte sich auch, wie wichtig Zwiener für Trier ist. Der Nationalspieler lenkte das Spiel seiner Mannschaft, beruhigte, motivierte, führte. Er war es, der Nate Linhart wiederholt in Szene setzte. Der US-Amerikaner blühte regelrecht auf. Elf Punkte im zweiten Durchgang für Linhart, dazu fünf von Zwiener: Die TBB arbeitete sich sukzessive an Hagen heran. Als Joyce kurz vor der Pausensirene endlich seinen ersten Dreier durch den Ring setzte und auf der Anzeigentafel die Zahlen 42:44 erschienen, wurde es mucksmäuschenstill in der zuvor so lärmdurchfluteten Halle. Trier hatte das Spiel gedreht, weil es linear am Tempolimit geblieben war. Hagen indes war zum Opfer seiner eigenen Berg- und Talfahrt geworden: Die Pausensirene erlöste Phönix Hagen. „Da waren wir im Tief“, räumte Freyer ein, „aber wir sind zurückgekommen.“
Was danach kam, überbot die ersten 20 Minuten noch einmal. Wer jemals geglaubt hatte, Basketball sei ein körperloses Spiel, der wurde nun eines Besseren belehrt. Beide Mannschaften bekämpften sich mit allen Mitteln, den erlaubten wie auch den unerlaubten. Rödls Männer lieben diese Art, ganz im Sinne ihres Trainers. Aber auch die Westfalen haben das im Repertoire. Sie wollten nun nicht mehr nur spielen, sie wollten ihre Gegner niederkämpfen. Trier aber blieb im ohrenbetäubenden Lärm des Hexenkessel souverän. Joyce traf, Zwiener führte, und die TBB holte fünf Punkte Vorsprung (66:61) vor dem letzten Viertel heraus. „So hätten wir weiterspielen müssen“, schaute Zwiener zurück. „Aber Hagen hat dann eben viele schwierige Bälle getroffen und wir nicht mehr.“
Klar war, dass der knappe Vorsprung nicht reichen würde, weil Hagen nicht aufsteckte und die letzten Kraftreserven mobilisierte. Alles hing davon ab, dass die Konzentration bis zum Ende nicht nachlassen durfte. Nur so würde dieser aufopferungsvoll kämpfende Gegner tatsächlich zu besiegen sein. Die Westfalen bissen sich geradezu in dieses letzte Viertel. Zwiener und Kollegen sahen sich nicht nur fünf Gegenspielern gegenüber, sondern auch einer Wand aus Phönix-Anhängern. Jeder Ballbesitz, jeder Pass, jeder Wurfversuch der Gäste wurde von einem gellenden Pfeifkonzert begleitet. So schob sich Hagen heran. Punkt für Punkt. Carter (21 Punkte) und Jonusas (25 Punkte) erweckten den Phönix zu neuem Leben.
Zwieners einziger Dreier zum 70:74 verschaffte der TBB zwar noch einmal eine kurze Atempause, die allerdings nicht genügte, um das knappe Ergebnis über die Zeit zu retten. Fast folgerichtig war es Carter, der Hagen in Führung warf. Beim 79:76 und 30 Sekunden vor Schluss hatte Joyce die Chance für Trier. Er vergab, und der Phönix triumphierte. Auch heuer waren es Nuancen, die den Ausschlag gegen die TBB und für Hagen gaben. Rödls Charakterisierung von einem „spannenden und auch dramatischen Spiel“ konnte niemand in der Halle widersprechen. „Nur leider hatten wir nicht das bessere Ende für uns“, fügte Zwiener hinzu, dessen insgesamt 18 Punkte letztlich wirkungslos waren. Damit war er Triers bester Schütze. Das aber dürfte ihn höchstens am Rande interessiert haben. Lieber hätte er gefeiert statt getroffen. „Wir waren so nahe dran“, sagte er noch mit einem traurigen Blick zurück und verschwand endgültig im dunklen Gang zu den Kabinen.
Phönix Hagen: Rockmann, Brooks (9), Jonusas (25), Bleck, Blackwood, Wilkins, Spohr, Carter (21), Kruel (6), Hasquet (8), Seward, Crowe (14).
TBB Trier: Linhart (15), Joyce (15), Saibou, Zwiener (18), Dojcin (4), Faßler, Seiferth, Gallup (9), Picard, Zirbes (10), Bynum (7), Dietz.
Viertelstände: 24:18; 44:46; 61:66; 83:78
Zuschauer: 2758
von Eric Thielen