„Fußball ist Ergebnissport“
Eintracht Trier hat im Kampf um Meisterschaft und Aufstieg erneut zwei Punkte verloren. Am Samstagnachmittag musste sich der Titelaspirant von der Mosel mit einem 1:1-Unentschieden beim VfL Bochum II begnügen. 238 Zuchauer im Wattenscheider Lohrheidestadion sahen eine überlegene Trierer Mannschaft, die ihre vielen Tormöglichkeiten aber nicht konsequent nutzte. Entsprechend enttäuscht äußerte sich Roland Seitz nach dem Schlusspfiff. „Das ist natürlich zu wenig für uns“, sagte Triers Trainer. „Wer so viele Chancen hat, muss so ein Spiel einfach gewinnen.“ Iraklis Metaxas sprach von einer letztlich gerechten Punkteteilung. „Von den Spielanteilen her geht das Ergbnis sicher in Ordnung“, so der Bochumer Trainer.
WATTENSCHEID. Ein sichtlich angefressener Kapitän machte sich mit verschmutztem Trikot auf den Weg zur Kabine. „Ich hab‘ kein Bock mehr, jede Woche den gleichen Scheiß zu erzählen“, wetterte Thomas Drescher. „Wir müssen einfach unsere Hundertprozentigen machen, dann gewinnen wir das Ding hier locker – das hat ja wohl jeder gesehen.“ Was den Routinier so erzürnte, war die magere Ausbeute trotz bester Tormöglichkeiten. Dreschers Zorn war ohne Vorwürfe an eine bestimmte Abdresse. „Nein, wir gewinnen und verlieren zusammen, aber so brauchen wir nicht auf Lotte zu schauen, sondern müssen uns erst einmal mit uns selbst beschäftigen.“ Der Tabellenführer aus Lotte hat jetzt fünf Punkte Vorsprung auf den SVE. Das stieß auch Tolgay Asma bitter auf. „Wir wollen oben mitspielen, da ist ein Unentschieden natürlich zu wenig für uns.“ An der Motivation habe es nicht gelegen. „Nein, bestimmt nicht“, sagte Asma. „Wir waren heiß.“
Dabei sind es auch diese unglaublichen Unterschiede, die das Leben eines Fußballspielers in der vierten Liga so hart machen. Heute noch vor fast 11.000 Zuschauern im Pokal – Gänsehaut gerantiert. Morgen vor knapp 7.000 Fans gegen die Tradition von Rot-Weiss Essen – Gänsehaut verlängert. Übermorgen dann der überaus triste Alltag im Schatten der Zeche. Leere Ränge im schmucken Lohrheidestadion in Wattenscheid: Motivationsproblem statt Gänsehaut. Auch das ist garantiert. Da kann es dann auch schon mal vorkommen, dass der Stadionsprecher „die Gäste aus dem Saarland“ begrüßt. Gemeint war natürlich die Eintracht von der Mosel mit ihren Anhänger. Aber „tief im Westen“, wie Herbert Grönemeyer selbstverständlich singen musste, ist die Provinz eben doch nur ein weißer Fleck auf der Fußballkarte.
Um das zu ändern, muss Seitz mit seiner Mannschaft auch durch die Niederungen der Liga. Motivation hin oder her, wer aufsteigen will, muss sich auch vor leeren Rängen quälen. Per aspera ad astra – durch das Raue zu den Sternen. Nur wer diese Fallen meistert, darf sich ganz am Ende als Meister feiern lassen. Entsprechend selbstbewusst begann der Titelaspirant. Der direkte Konkurrent aus Lotte hatte am Freitagabend mit dem 3:1-Erfolg in Wuppertal vorgelegt. Folglich war die Eintracht gefordert. Nur ein Sieg in Wattenscheid würde den Vorsprung der Sportfreunde auf drei Punkte halten.
Ahmet Kulabas hätte schon nach zwei Minuten die Fronten zwischen der Nachwuchsmannschaft des VfL und dem Aufstiegskandidaten klären können. Den an die Ruhr mitgereisten Triers Fans, die mit ihren Gesängen aus der Begegnung ein Heimspiel für den SVE machten, erstarb der Torschrei allerdings auf den Lippen: Abseits. Drescher hatte geflankt, Kulabas mit dem Kopf vollstreckt. Schiedsrichter Dirk Wijnen entschied auf Abseits. Grenzwertig und durchaus diskussionswürdig. Beim Distanzschuss von Alon Abelski sechs Minuten später hatte Wijnen keine Einwände. Diesmal jedoch landete das Spielgerät an der Latte. Pech für den Titelaspiranten, der sich Bochum schon frühzeitig hätte zurechtlegen können.
Weil das Tor nicht fiel, wurde Bochum kecker. Der VfL befreite sich fortan sukzessive vom Trierer Druck. Immer wieder angetrieben vom emsigen Ridvan Avci trauten sich die Ruhrstädter jetzt mehr zu. Gefällig lief die Kugel von Station zu Station durch die Reihen der Bochumer. Trier hatte Mühe, das Spiel in seinem Sinne zu lenken. Wenn überhaupt, dann war es Kulabas, der im Sturmzentrum als Ballverteiler für Kreativität sorgen. Er war es auch, der in der 37. Minute Fahrudin Kuduzovic optimal einsetzte. Der gebürtige Bosnier eilte frei auf Markus Scholz im Bochumer Tor zu, war aber im Abschluss zu hektisch.
Schon kurz zuvor war das abgefälschte Spielgarät nach einem Distanzschuss von Abelski knapp am Tor vorbeigerauscht. Bochum hatte Glück, die Eintracht zu wenig Kaltschnäuzigkeit, um den so wichtigen Führungstreffer zu erzielen. Nur der hätte dem Spiel des Titelaspiranten die notwendige Ruhe gegeben. Das torlose Unentschieden zur Pause war zu wenig für die Ambitionen des Tabellenzweiten. Zudem schwebte weiterhin das Damoklesschwert der Bochumer Spielkunst über den Trierer Häuptern. Der VfL zeigte die Tugenden aller Nachwuchsmannschaften in der Liga: schnell, technisch versiert und gut am Ball ausgebildet.
Wie gut, unterstrich Avci unmittelbar nach dem Seitenwechsel nachdrücklich. Oliver Zech durfte unbedrängt von der rechten Seite in den Trierer Strafraum flanken. Avci hatte sich geschickt von seinen Bewachern gelöst, nahm den Ball an und vollstreckte zum 1:0 für den VfL. Ungläubiges Staunen und auch Entsetzen in der Hintermannschaft des SVE. Oliver Stang und Denny Herzig schauten sich verdutzt an. „Wie nur konnte das passieren?“ war in ihren Gesichtern zu lesen. Torwart André Poggenborg schimpfte wie ein Rohrspatz. Sie hatten sich einen kurzen Moment geistiger Auszeit gegönnt. Das hatte Bochum genügt.
„Danach war es natürlich sehr schwer für uns“, konstatierte Seitz, dessen Männern die Verunsicherung nun deutlich anzumerken war. Schließlich hatten sie in der laufenden Saison noch kein Spiel nach einem Rückstand gedreht. Das aber musste heuer gelingen, sollte der Titelkonkurrent aus Lotte nicht schon langsam, aber sicher außer Rufweite geraten. Seitz reagierte, weil Bochum auch nach der Großchance für Kulabas, der frei vor Scholz am Tor vorbeischoss (64.), weiter in Führung lag. Triers Trainer brachte erst Tolgay Asma für Thomas Kraus (65.) und dann auch noch Wojciech Pollok für Chhunly Pagenburg (71.) Zwei Stürmer sollten es richten.
Die Hereinnahme von Asma machte sich bezahlt. Er war es, der den Elfmeter in der 72. Minute herausholte. Christian Kalina hatte den Trierer zu Fall gebracht, Schiedsrichter Wijnen zögert keine Sekunde: Strafstoß für die Eintracht. Kuduzovic trat an und verwandelte gewohnt sicher zum 1:1-Ausgleich. Mehr ging aber nicht mehr für Eintracht, was Asma bedauerte. „Ich habe zwar den Elfmeter herausgeholt, aber die verlorenen zwei Punkte schmerzen doch sehr.“ Das sah auch der Kapitän so. „Aber letztlich dürfen wir uns nicht beschweren“, sagte Drescher. „Fußball ist ein Ergebnissport. Und die stimmen im Moment bei uns nicht. Das müssen wir schnell ändern.“
VfL Bochum II: Scholz – Caspari, Kalina, Wolff, Stevens – Mengert, Zech, Uzun (ab 46. Semlits), Avci (ab 84. Götze) – Freiberger, Kyei.
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Gouiffe à Goufan – Kraus (ab 65. Asma), Abelski, Kuduzovic, Pagenburg (ab 71. Pollok) – Kulabas.
Tore: 1:0 Avci (47.); 1:1 Kuduzovic ((72./FE)
Schiedsrichter: Dirk Wijnen (Hannover)
Zuschauer: 238
von Eric Thielen