Jetzt kann der HSV kommen
Eintracht Trier hat sich am Freitagabend für das Pokalspiel gegen den Hamburger SV warmgeschossen. Die Trierer gewannen vor 421 Zuschauern im Rheydter Grenzlandstadion auch in dieser Höhe verdient bei Borussia Mönchengladbach II mit 4:0 (2:0). Der SVE unterstrich am Niederrhein seine Titelambitionen mit großem Nachdruck. Das musste auch Sven Demandt anerkennen. “Trier hat die beste Mannschaft, die besten Spieler und ist für mich der ganz große Meisterschaftsfavorit”, sagte Gladbachs Trainer. Roland Seitz nahm die Wertschätzung des Kollegen mit Genuss zur Kenntnis. “Es ist schön, wenn er das sagt, aber wir haben heute auch Glück gehabt”, betonte Triers Trainer. “Außerdem dauert die Saison noch sehr lange.” Auch der Beobachter des HSV war beeindruckt vom Auftritt der Trierer. “Das ist eine sehr starke Mannschaft, die auch ein Bundesligist nicht unterschätzen darf”, sagte Mathias Kreutzer gegenüber 16vor.
MÖNCHENGLADBACH. Sven Demandt ist ein lockerer Mensch. Ein Charakterzug, der zur rheinischen Seele gehört wie der Karneval. Ausgerechnet in Düsseldorf wurde der gebürtige Kölner als Fußballer groß. Auf der falschen Rheinseite also. Denn für echte Kölner gibt es nur eine richtige Seite, die linke nämlich. Waschechte Düsseldorfer sehen das naturgemäß anders. Das ist ein weiterer Charakterzug der rheinischen Mentalität. Sei es, wie es sei, am Freitagabend hatte ihm die klare Niederlage seiner Mannschaft doch gewaltig die Stimmung verhagelt. “Wir haben zwei irreguläre Tore gegen uns bekommen”, zürnte Demandt, “was aber nichts an dem verdienten Trierer Sieg ändert.” Trier habe das nach der Führung gut runtergespielt. “Und die Eintracht hat mit Karikari den sicher besten Spieler der Regionalliga in ihren Reihen.”
Kollege Seitz sprach lieber von einem Ausrufezeichen, das seine Mannschaft heute gesetzt habe. “Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass das Spiel in der Anfangsphase hätte kippen können.” Etwas Glück sei dabei gewesen. “Danach haben wir das allerdings sehr souverän gemacht.” Der Kapitän sah das ähnlich. “Wir haben im Moment einfach einen Lauf”, sagte Thomas Drescher. An den HSV habe keiner gedacht, nicht unter der Woche und auch nicht heute. “Nein, warum auch? Wir wollen uns auf die Liga konzentrieren, alles andere ist nur ein schönes Zubrot für uns.”
Seitz hatte genau das gefordert. Er vertraute derselben Elf, die Verl über weite Strecken in Grund und Boden gespielt hatte. Kurz hatte Triers Trainer zwischen noch größerer Sicherheit und dem Mut zum Risiko geschwankt. Fahrudin Kuduzovic und Alon Abelski mit dem deutlich größeren Drang zum gegnerischen Tor, oder doch Marc Gouiffe à Goufan als zweiter Abräumer neben dem von Demandt so gepriesenen Karikari vor der eigenen Abwehr, um die Kreativität der Niederrheiner schon im Keim zu ersticken? Das war die Frage. Seitz entschied sich gegen letztere Variante und damit für die Sieger über Verl. Leidtragender war erneut Thomas Kraus, der vom Stammspieler zum Bankdrücker mutiert ist.
Der Erfolg heiligt die Mittel, im Fußball allemal. Keine drei Minuten waren gespielt, als Seitz sich genüsslich im Stehen zurücklehnen konnte. Kuduzovic passte von rechts nach innen, Gladbachs Abwehr übersah den am langen Pfosten lauernden Martin Hauswald, den Demandt in der unerlaubten Zone gesehen hatte. “Das war ganz klar Abseits.” Den Ball ins Tor zu befördern, war für den ehemaligen Erfurter nur noch Formsache. Ausgerechnet Hauswald, der den Kollegen Kraus von dessen Stammposition auf der rechten Außenbahn verdrängt hatte. Seitz glaubte an Hauswald und forderte ihn zugleich. Noch am Donnerstag hatte Triers Trainer mehr Torgefahr, mehr offensive Effektivität bei seinem neuen Rechtsaußen angemahnt. Die Ermahnung fiel auf fruchtbaren Boden. Ein Auftakt nach Maß für den Titelaspiranten, der sich die Fohlen mit Hauswalds Tor schon frühzeitig passend zurechtlegen konnte.
Die Borussia antwortete mit wütenden Attacken. Denis Dowidat nahm aus gut 20 Metern Maß und setzte das Spielgerät ans Lattenkreuz. Triers Schlussmann André Poggenborg konnte nur verdutzt schauen. Glück für die Eintracht – zum Ersten. Drei Minuten später zeigte Demandts Mannschaft, warum sie zu den Geheimfavoriten der Liga auf die Meisterschaft gehört. Ein Spielzug wie aus dem Lehrbuch über mehrere Stationen brachte erneut Dowidat in Position. Der ließ noch Denny Herzig und auch Poggenborg aussteigen und hatte nur noch das leere Tor vor sich. Statt den Ball mit Schwung zu versenken, wollte er locker-lässig einschieben. Oliver Stang rettete auf der Linie. Glück für die Eintracht – zum Zweiten.
Der Spion aus Hamburg war beeindruckt
Doch das war beileibe noch nicht alles. 31. Minute im Rheydter Grenzlandstadion: Amin Younes legt sich das Spielgerät 20 Meter vor dem Tor in zentraler Position zum Freistoß zurecht. Erneut bewahrt die Latte den Titelaspiranten vor dem Ausgleich. Erneut konnte Poggenborg dem Ball nur hinterher schauen. Glück für die Eintracht – zum Dritten. Der Versuch von Ahmet Kulabas in der Drangphase der Borussen gegen deren Schlussmann Janis Blaswich einen Strafstoß zu schinden, fiel angesichts der klaren Feldüberlegenheit der Fohlen kaum ins Gewicht. Mönchengladbach beherrschte das Spiel. Das alleine jedoch reicht nicht, um ein solches auch zu gewinnen.
Die Führung der Trierer aber rein auf das Glück zu reduzieren, hieße doch, der taktischen Raffinesse des Aufstiegskandidaten nicht gerecht zu werden. Vier Minuten nach dem Lattentreffer von Younes zeigte Kulabas den jungen Wilden vom Niederrhein, was schonungslose Effizienz ist. Triers Stürmer schnappte sich den zweiten Ball nach einer Konfusion im Gladbacher Strafraum und schoss ihn kompromisslos in die Maschen. Blaswich protestierte zwar; er hatte wie sein Trainer eine Regelwidrigkeit eines Trierers an sich gesehen. Doch Schiedsrichter Sven Jablonski aus Bremen bliebt zurecht standhaft: Tor für die Eintracht, das 2:0. Zwei Möglichkeiten, zwei Treffer. Höher kann Effektivität nicht sein. Seitz kann seinen Männern zur Pause nur eines gesagt haben: Macht einfach weiter so. “Aber wir haben auch über die ersten 15 Minuten gesprochen, die nicht gut waren”, räumte er ein.
Sie machten weiter so. Was anderes brauchten sie auch überhaupt nicht zu tun. Gladbach musste jetzt noch mehr kommen, noch mehr öffnen, als das ohnehin schon in der ersten Halbzeit der Fall gewesen war. “Wir haben alles probiert”, sagte Demandt, “aber das hat nicht gereicht.” Vor der Eintracht aber lag jetzt das Spiel, das sie so sehr liebt. Aus der sicheren Abwehr und dem kompakten Mittelfeld heraus auf die Fehler der Gegner lauern, um dann eiskalt zuzuschlagen. Sofern der Kontrahent dies nicht selbst besorgt. Manchmal reicht ja auch das. Wie in der 58. Minute, als Abelski das Spielgerät mit Wucht vor das Gladbacher Tor beförderte. Für den dritten Treffer war sogar die Mitwirkung eines weiteren Triers unnötig. Tim Heubach beförderte den Ball zum 0:3 über die eigene Torline – ein klassisches Eigentor. Das Spiel war entschieden. Viel früher, als sich Seitz das erhofft und wohl auch erträumt hatte.
Die Eintracht konnte im Gefühl des sicheren Sieges einen großen Gang zurückschalten. Jetzt ging es darum, wichtige Körner für das Pokalspiel am Dienstag gegen den Hamburger SV zu sparen. Die Hanseaten hatten eigens einen Beobachter nach Mönchengladbach entsandt, der den Viertligisten und St. Pauli-Bezwinger unter die Lupe nehmen sollte. Mathias Kreutzer war zutiefst angetan vom Spiel der Eintracht. “Das ist eine sehr starke Mannschaft, die weit mehr als Regionalliga-Format hat”, sagte er gegenüber 16vor. “Wir dürfen das Spiel auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, sonst werden wir unser blaues Wunder erleben.”
Auch Kreutzer sah noch, wie Chhunly Pagenburg frei vor Blaswich die Möglichkeit zum vierten Treffer hatte, aber am Fuß des Gladbacher Torwarts scheiterte (83.). Er sah auch, dass Pagenburg drei Minuten später besser zielte – diesmal zwischen den Beinen von Blaswich hindurch (86.). Das 4:0 war der Deckel auf dem großen Fass, das die Eintracht an diesem Freitagabend in Rheydt aufgemacht hatte.
Im lauten Pfiff durch die Zähne des Hamburger Spions lag zugleich Anerkennung wie auch Respekt. “Das war schon große Klasse, wie die das Spiel hier abgewickelt haben”, sagte Kreutzer, bevor er sich auf den Weg machte. “Wir sind gewarnt”, schickte er noch nach, als sein letzter Blick zu den jubelnden Trierern ging. “Ganz sicher.”
VfL Borussia Mönchengladbach II: Blaswich – Dams, Heubach, Odenthal Schumacher, – Dowidat, Bieler (ab 69. Khalil), Younes (ab 64. Platzek), Korb – Podszus, Kachunga (ab 78. Breuer)..
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Karikari – Hauswald (ab 74. Kraus), Abelski, Kuduzovic (ab 68. Gouiffe à Goufan), Pagenburg (ab 86. Knartz) – Kulabas.
Tore: 0:1 Hauswald (3.); 0:2 Kulabas (35.); 0:3 Heubach (58./ET); 0:4 Pagenburg (86.)
Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen)
Zuschauer: 421
von Eric Thielen