„Das ist einfach zu billig“
Eintracht Trier hat nach dem Auswärtssieg von Köln am Freitagabend erneut sein hässliches Heimgesicht gezeigt. Der Titelaspirant von der Mosel unterlag dem FSV Mainz 05 II vor 2107 Zuschauern sang- und klanglos mit 0:3 Toren. Der Sieg für die Rheinhessen war auch in dieser Höhe verdient. Es war die dritte Heimpleite für den SVE in Folge. Die bittere Erkenntnis von Roland Seitz folgte auf dem Fuß. „Wir waren zum dritten Mal nicht in der Lage, Druck auf den Gegner aufzubauen“, sagte ein sichtlich enttäuschter Trierer Trainer nach dem Schlusspfiff. Kollege Martin Schmidt hingegen war zufrieden. „Meine Mannschaft hat die richtige Reaktion nach der Niederlage gegen Lotte gezeigt“, frohlockte der Schweizer Übungsleiter der Mainzer.
TRIER. Heuer war ein verbales Scharmützel zwischen Seitz und Schmidt unnötig. Anders als beim letzten Aufeinandertreffen der Rivalen am Mainzer Bruchweg, als zwischen ihnen die Giftpfeile hin und her flogen, teilten sich beide Trainer diesmal schiedlich friedlich in die Ansicht, dass Mainz die Begegnung verdient gewonnen hatte. Zu klar war die Dominanz der Rheinhessen über die gesamte Spielzeit gewesen, zu deutlich die Schwäche des Tabellenführers von der Mosel, als dass es gelohnt hätte, darüber zu streiten. Seitz blieb nichts anderes übrig, als eine umfassende Analyse anzukündigen, warum seine Mannschaft inzwischen mit einem Heimkomplex beladen scheint. „Wir werden darüber reden müssen“, drohte er seinen Spielern an. Dabei beließ er es aber auch. Schließlich hatten sich seine Spieler an diesem schönen Spätsommerabend schon selbst ausreichend blamiert.
Dabei wollte Seitz nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Jeremy Karikari aus der Not eine Tugend machen: Triers Trainer baute wie angekündigt auf Fabian Zittlau, der neben Oliver Stang in die Innenverteidigung rückte. Denny Herzig blieb es überlassen, vor der Abwehr für Spieleröffnung und Kontrolle in der Rückwärtsbewegung zu sorgen. Doch Seitz wäre nicht Seitz, hätte er als bajuwarischer Oberpfälzer nicht noch ein besonderes Schmankerl in der Hinterhand. Für Chhunly Pagenburg spielte Wojciech Pollok. „Pagenburg ist kräftemäßig noch nicht so weit. Deswegen wollte ich nach der Englischen Woche mit Pollok einfach einen frischen Mann bringen“, begründete Seitz den Wechsel im Rückblick.
Außerdem hat der Neuzugang aus Münster im Vergleich zu seinem internen Konkurrenten Pagenburg deutliche Pluspunkte im Kopfballspiel. Gegen die hoch gewachsenen Manuel Schneider und Thomas Meißner in der Mainzer Innenverteidigung hätten Pagenburg und Ahmet Kulabas in der Luft auf verlorenem Posten gestanden. Pollok sollte die hohen Bälle festmachen, sie nach Möglichkeiten verteilen. Im Ergebnis sollte so Druck über beide Flügel auf die Abwehr der Rheinhessen ausgeübt werden. Eine höhere Gefährlichkeit bei Standardsituationen kam hinzu, zumal heuer mit Torge Hollmann und Karikari zwei Riesen bei ruhenden Bällen nicht eingreifen konnten.
Nicht zuletzt war Pollok noch für eine weitere Aufgabe vorgesehen. Bei Ballbesitz des Gegners hatte er deutlich mehr in der Rückwärtsbewegung zu arbeiten als der Kollege Kulabas. Alon Abelski spielte auch diesmal wieder für Fahrudin Kuduzovic auf der zentralen Position im Mittelfeld. An dessen Seite sollte Pollok den Raum in der Platzmitte zusätzlich verengen, um Mainz am schnellen Umschalten von Abwehr auf Angriff zu hindern. Genau dort liegt einer der Schlüssel für den Erfolg über die Nachwuchsmannschaften der Profiklubs. Deren Spielfreude muss gebrochen werden. Damit bricht auch ihr Geist.
Soweit die Theorie. Die jedoch ist grau. In der Praxis neutralisierten sich die Kontrahenten auf dem Platz. Das hielt zwar den Blutdruck beider Trainer auf einem medizinisch unbedenklichen Wert. Von Attraktivität konnte jedoch nicht die Rede sein. Hinzu kam, dass bei der Eintracht trotz optischer Überlegenheit die Bewegung im Spiel fehlte. Herzig fiel als Gestalter in der Spieleröffnung beim schnellen Umschalten zwischen Defensive und Offensive praktisch aus. Abelski wurde viel zu wenig gesucht, um am und mit dem Ball kreative Akzente setzten zu können.
Pollok, Martin Hauswald und Thomas Kraus liefen sich in unnötigen Zweikämpfen fest, anstatt das Spielgerät durch die eigenen Reihen zirkulieren zu lassen, um auf den vertikalen Pass zu warten. Ballverluste am laufenden Band waren die Folge. Kulabas war ferner das Fehlen seines gewohnten Partners Pagenburg anzumerken. Zwischen ihm und Pollok stimmten die Abstimmung und somit die wichtigen Laufwege nicht. Der Stürmer, der in Köln noch so groß aufgetrumpft hatte, war nur ein Schatten seiner selbst. Statt mit kühlem Kopf versuchte es die Eintracht auch diesmal wieder mit der Brechstange. Spielerische Elemente fehlten völlig.
Mainz hingegen spielte souverän ohne zu überzeugen. Trier wirkte ob der beiden Heimniederlagen in Folge wie gelähmt. Vom Esprit und von der Souveränität der Siege über Dortmund und Köln war nichts geblieben. Nach dem strahlenden Antlitz der Auftritte in der Fremde zeigte der Titelaspirant erneut sein hässliches Heimgesicht. Der missglückte Flankenversuch von Kraus in der 34. Minute musste schon als Tormöglichkeit verbucht werden. Mehr kam nicht vom Tabellenführer der Regionalliga. Auch Mainz bekleckerte sich vor dem gegnerischen Tor nicht gerade mit Ruhm. Dafür nutzten die Rheinhessen ihre einzige Tormöglichkeit in der ersten Halbzeit konsequent zur Führung. Yunus Malli schickte Erik Durm vertikal auf die Reise. Der zog trocken und platziert ins lange Eck ab. André Poggenborg im Trierer Tor war ohne Abwehrchance (37.).
Dass Pollok hernach noch zwei Mal in aussichtsreicher Position vergab, passte zum Auftritt des Titelaspiranten in der ersten Halbzeit. Erst setzte Pollok die Kugel nach dem Fehler des Mainzer Schlussmanns Yannik Dauth ans Außennetz (41.), dann mit dem Kopf am Tor vorbei (45.). Die Pfiffe der Trierer Anhänger beim Kabinengang waren die Quittung für die schwache Leistung. Seitz‘ Männer hatten sich viel vorgenommen. Nichts hatte funktioniert. „Mainz war gut, wir waren schlecht“, analysierte Kapitän Thomas Drescher den ersten Spielabschnitt kurz und bündig.
„Wir müssen den Grund finden“
Also beendete Seitz sein Experiment mit Pollok und Abelski mit dem zweiten Durchgang. Pagenburg und Kuduzovic kamen. Assistenztrainer Rudi Thömmes hatte beide noch in der Pause auf dem Platz instruiert. Druck sollten sie machen, dem Spiel der eigenen Mannschaft Leben einhauchen, die Kollegen aus der Lethargie reißen. Schließlich musste der Ligaprimus eine deutliche Reaktion zeigen, sollte am Ende dieses Spätsommerabends nicht die dritte Heimniederlage in Folge das Wochenende verderben. Der Elan nach dem Seitenwechsel verpuffte jedoch wirkungslos, als Kraus und Kulabas den Ball nach einer Ecke von Drescher in schöner Reihenfolge verpassten (49.).
Die Mainzer schüttelten sich kurz und brachte das Spiel mit ihrem souveränen Kurzpassspiel schnell wieder unter eigene Kontrolle. Und die Eintracht hatte Glück. Shawn Parker jagte den Ball volley aus rund 30 Metern an den Querbalken (60.). Poggenborg rettete gegen den wieder freistehenden Parker (65.) und war dann doch machtlos. Denn Durm versenkte das Spielgerät im Nachschuss zum 0:2. Das war die frühe Entscheidung in einem Spiel, in dem der Titelaspirant von der Mosel alles schuldig blieb. Gemessen am eigenen Anspruch glich der Auftritt des SVE einem spielerischen Offenbarungseid.
Mainz hingegen spielte mit den völlig verunsicherten Trierern ab der 65. Minute Katz und Maus. Unbedrängt konnten die Rheinhessen sich selbst im Strafraum des Gegners den Ball zuspielen. Dennis Yilmaz zu Malli auf engem Raum – das 3:0 für die Nachwuchsspieler aus der Landeshauptstadt war nur noch Formsache. Der FSV nahm einen Gang heraus, kontrollierte und verwaltete das Ergebnis. Mehr war auch nicht mehr nötig.
„Wir müssen schnellstmöglich den Schalter umlegen, sonst bekommen wir die Kurve nicht mehr“, sagte der Trierer Kapitän noch unter dem Eindruck der Niederlage. Dreschers Selbstkritik fiel schonungslos aus: „Was wir hier in den letzten drei Spielen abgeliefert haben, ist einfach zu billig.“ Das sah auch das Publikum so. Zum ersten Mal in der laufenden Saison wurden die Spieler mit einem lauten Pfeifkonzert entlassen. Dreschers Forderung blieb im Raum stehen. „Ich weiß nicht, wo der Grund für unsere Leistungsschwankung liegt. Aber das müssen wir schnell herausfinden“, sagte der Kapitän auf dem Weg zur Kabine.
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Zittlau, Drescher – Kraus, Herzig (ab 72. Knartz), Hauswald – Abelski (ab 46. Kuduzovic) – Pollok (ab 46. Pagenburg), Kulabas.
FSV Mainz 05 II: Dauth – Wiedmann, Saller, Schneider, Meißner – Gopko, Parker (ab 86.Hoilett), Jeffrey, Malli – Durm (ab 82. Tankulic), Yilmaz.
Tore: 0:1 Durm (37.); 0:2 Durm (65.); 0:3 Malli (74.)
Schiedsrichter: Markus Schüller (Korschenbroich)
Zuschauer: 2107
von Eric Thielen