Neue Blüte auf „Roter Erde“

Eintracht Trier hat seine Titelambitionen am Freitagabend in Dortmund eindrucksvoll untermauert. Eine Woche nach der 1:2-Heimniederlage gegen Schalke 04 gewann der SVE vor 757 Zuschauern im Stadion “Rote Erde” mit 2:0 (2:0). Die Trierer zeigten dabei die von ihrem Trainer Roland Seitz eindringlich geforderte Reaktion. Entsprechend aufgeräumt gab sich der Oberpfälzer nach der Begegnung. “Ich bin sehr froh, dass wir nach dem Misserfolg gegen Schalke so zurückgeschlagen haben”, sagte Seitz, der in Dortmund ohne Torge Hollmann auskommen musste. Der Kapitän hatte sich am Donnerstag im Abschlusstraining verletzt. Erste Diagnose: Innenbandriss im Knie. Damit fiele Hollmann sechs bis acht Wochen aus.

DORTMUND. Das war nur ganz schwer zu verkraften. Denn wer sollte ihn ausgerechnet auf “Roter Erde” adäquat ersetzen? Torge Hollmann ist nicht nur Kapitän, sondern auch Kopf der Trierer Mannschaft. Er steht für die Stabilität im Abwehrverbund, er sorgt mit seiner Erfahrung und Abgeklärtheit auch für Ruhe in den Aktionen. Hollmann ist der verlängerte Arm von Seitz auf dem Platz. Nicht von ungefähr saß Triers Trainer noch wenige Minuten vor dem Anpfiff mit Sorgenfalten auf den Holzbänken der Tribüne neben Sportvorstand Ernst Wilhelmi. Der kurze Versuch einer Erklärung, warum Hollmann ausfällt. Schon beim Abschlusstraining am Donnerstag hatte es ihn erwischt. Die bittere Erkenntnis folgte sofort: Der Kapitän kann nicht spielen. Vermutlich ein Innenbandriss im Knie: Einsatz unmöglich. Hollmann war erst gar nicht mit nach Dortmund gefahren, sondern aus dem Mannschaftshotel in Castrop-Rauxel abgereist.

“Sollte sich die erste Diagnose bestätigen, wäre das natürlich ein herber Rückschlag für uns”, sagte Seitz. Triers Trainer rechnet mit sechs bis acht Wochen Pause für seinen Kapitän. Bis zur Rückkehr Hollmanns muss Seitz improvisieren und folglich in Dortmund auf Jeremy Karikari und Denny Herzig gleichzeitig setzen. Einem von beiden wollte er ursprünglich eine schöpferische Denkpause gönnen. Wobei die Aktien des gebürtigen Hamburgers Karikari auf einen erneuten Einsatz von Beginn an deutlich schlechter standen als jene von Herzig. Hätte Seitz kurz vor Anpfiff schon gewusst, dass ausgerechnet Herzig ihn schon frühzeitig von einigen Sorgen erlösen würde, er wäre nicht nur mit sich selbst zufrieden, sondern im kurzen Zwiegespräch mit Wilhelmi auch um ein paar Stirnfalten ärmer gewesen.

Keine sechs Minuten waren gespielt, als Thomas Drescher nach Eckball auf Martin Hauswald flankte. Der passte ohne lange zu zögern zu Herzig, der jetzt seine Kopfballstärke ausspielen durfte. Dortmunds Torwart Johannes Focher konnte sich noch so lang machen, den Ball erwischte er nicht mehr. Das Tor für die Eintracht zur 1:0-Führung kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Einerseits im Spiel selbst, um gegen den schwungvollen Nachwuchs der Borussia frühzeitig die entsprechende Duftmarke zu setzten. Das Signal lautete: Hier spielt der Titelaspirant von der Mosel gegen die Ausbildungstruppe des Deutschen Meisters. Andererseits aber auch nach dem psychologischen Dilemma wegen der Niederlage gegen Schalke und der drei verschlafenen Halbzeiten gegen Wiedenbrück, Idar-Oberstein und eben auch gegen die Knappen.

„Verdient in Führung gegangen“

“Heute haben wir über 90 Minuten das umgesetzt, was wir schon in den drei Spielen zuvor tun wollten”, sagte Drescher, der anstelle des verletzten Hollmann die Kapitänsbinde trug. “Wir haben aggressiv gegen den Ball gearbeitet.” Damit war auch Seitz zufrieden. “Allerdings war ich unzufrieden damit, dass wir den Gegner mit seinen zehn Mann in der zweiten Halbzeit nicht konsequent beschäftigt haben.” Am Auftritt seiner Elf in den ersten 45 Minuten hatte er heuer jedoch nichts zu kritisieren. “Wir hatten eine gute Anfangsphase”, so Seitz, “und sind auch verdient in Führung gegangen.”

Denn beim Erzrivalen von Schalke 04 war die Eintracht an diesem regennassen Abend auf “Roter Erde” vom Anpfiff weg hellwach. Das lag sicher nicht alleine an den eindringlichen Worten des Trainers im Verlauf der letzten Trainingswoche. Sondern zweifelsohne auch an der taktischen und personellen Umstellung, die Seitz ohnehin beabsichtigt hatte. Nach Hollmanns Ausfall musste er aus der Not eine Tugend machen. Chhunly Pagenburg stürmte neben seinem Freund Ahmet Kulabas. Weit wichtiger jedoch war, dass Fahrudin Kuduzovic so auf seiner angestammten Position hinter den Spitzen wirken konnte. Dadurch kehrte die Kreativität deutlich sichtbar ins Spiel des SVE zurück. Augenscheinlich hatte sich der gebürtige Bosnier in den Auftritten zuvor als hängende Spitze hinter Kulabas als einzigem Stürmer nicht wohlgefühlt.

Kuduzovic scheint das Spiel vor sich zu brauchen, um es lesen zu können. Wie die Stürmer kreuzen, wie die Laufwege sich aufgrund der taktischen Ausrichtung des Gegners entwickeln. Gegen Dortmund war er wieder in seinem Element. Mit der neuen Blüte des Trierer Spielgestalters lebte auch die gesamte Mannschaft auf. Von Selbstzweifeln keine Spur. Das frühe Tor gab zusätzliche Stärke. Dennoch blieb Dortmund sporadisch gefährlich. Ganz auszuschalten sind die guten Fußballer der zweiten Mannschaften nie. Nur allzu große Räume und damit zwingende Möglichkeiten dürfen ihnen nicht geboten werden. “Wir hatten auch etwas Glück”, sagte Seitz, “aber das braucht man eben manchmal.” Dass Spieler wie Mario Vrancic und auch Terence Boyd ihrerseits zu Torchancen kommen, gehört während einer solchen Begegnung in die Rubrik “Normalfall”. Beide Male war es knapp, sowohl in der 23. als auch in der 24. Minute, weil das Spielgerät jeweils abgefälscht worden war. Auch Pagenburg hatte auf der Gegenseite ein solch schräges Ding auf dem Fuß. Hier strich die Kugel ebenfalls knapp am Tor vorbei (38.).

Im Gegensatz zum Spiel gegen Schalke nahmen sich die Trierer heuer nach der eigenen Führung keine mentale Auszeit während des Broterwerbs. Sie arbeiteten weiter und zwar zielstrebig auf das zweite Tor und damit die mögliche Vorentscheidung hin. Dortmunds Schlussmann Focher sollte dazu die entscheidende Hilfestellung leisten. Statt den Ball boxte Focher kurzerhand den an ihm vorbeieilenden Hauswald um. Schiedsrichter Tobias Helwig aus Hamburg entschied sofort: Elfmeter für Trier und “Rot” für den Sünder wegen Verhinderung einer klaren Torchance. Der sichtlich verärgerte Konstantin Möllering ging für Ersatztorwart Zlatan Alomerovic, und Kuduzovic traf zum 0:2 (45.+1). Somit dürften Seitz‘ Männer im vierten Ligaspiel erstmals eine entspannte und auch ruhige Halbzeitpause verbringen. Diesmal konnte der Oberpfälzer seine Stimmbänder schonen, während David Wagner seine Männer neu einstellen musste. “Die rote Karte und das 0:2 waren natürlich Gift für uns”, analysierte Dortmunds Trainer.

Im strömendem Regen feierte das wackere Dutzend der mitgereisten Trierer Anhänger schon früh mit freiem Oberkörper den zweiten Auswärtssieg der noch jungen Saison. Noch waren allerdings 45 Minuten zu spielen, und Dortmund blieb gefährlich, selbst mit zehn Mann. André Poggenborg musste mit den Fingerspitzen vor dem einschussbereiten Jonas Hofmann klären (49.) – der BVB erhöhte den Druck. Seitz reagierte, brachte mit Neuzugang Alon Abelski für Kuduzovic und Holger Knatz für Pagenburg zwei frische Kräfte. Jetzt gab Abelski die hängende Spitze hinter Kulabas, Knartz orientierte sich defensiver, um Ruhe ins Spiel zu bringen.

Die Eintracht kontrollierte so das Geschehen auf dem Platz. Kein unnötiges Risiko eingehen, lautete die Devise angesichts des komfortablen Vorsprungs und des zahlenmäßig unterlegenen Gegners. Das Konzept ging auf. Dortmund wirkte zwar optisch überlegen und auch deutlich engagierter als in der ersten Halbzeit. Das war indes nicht mehr als brotlose Kunst. Dem BVB fehlten die zwingenden Aktionen und so auch die Möglichkeiten, um das Spiel doch noch zu drehen. Geschuldet war dies der konzentrierten Abwehrarbeit des Titelaspiranten von der Mosel. Kein Durchkommen gegen stark stehende Trierer, die auch für ihren verletzten Kapitän gespielt und gewonnen hatten.

“Das hatten wir uns vorgenommen”, sagte Drescher. “Wir wollten für unseren ‚Capitano‘ gewinnen. Torge ist sehr wichtig für die Mannschaft, nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch. Wir alle hoffen, dass er schnell zurück kommt.“

Borussia Dortmund II: Focher – Huebner, Halstenberg, Löwe (ab 85. Soltanpour), Hornschuh – Vrancic, Hofmann, Baykan (ab 78. Benatelli), Möllering (ab 45. Alomerovic), Paurevic – Boyd.

Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Herzig, Drescher – Kraus, Karikari, Kuduzovic (ab 64. Abelski), Hauswald (ab 87. Zittlau) – Pagenburg (ab 68. Knartz), Kulabas.

Tore: 1:0 Herzig (6.); 2:0 Kuduzovic (45.+1/FE)

Besondere Vorkommnisse: Rote Karte gegen Focher (Dortmund) wegen Verhinderung einer klaren Tormöglichkeit (45.)

Schiedsrichter: Tobias Helwig (Hamburg)

Zuschauer: 757

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