“Das tut richtig weh”
Aus dem vierten Sieg in Folge wurde nichts: Eintracht Trier verlor am Freitagabend gegen den FC Schalke 04 II mit 1:2 (1:2). Knapp 2.400 Zuschauer sahen einen schwachen Auftritt des Tabellenführers in der ersten Halbzeit, der auch durch eine Leistungssteigerung nach der Pause nicht ausgeglichen werden konnte. Schalkes Trainer Bernhard Trares sprach von einem „verdienten Sieg“ seiner Mannschaft: „Sicher hatten wir zum Schluss auch etwas Glück, weil Trier uns sehr unter Druck gesetzt hat.“ Kollege Roland Seitz musste wie schon gegen Wiedenbrück und Idar-Oberstein die Nachlässigkeiten seiner Spieler in den ersten 45 Minuten kommentieren. „Wenn ich wüsste, woran das liegt, würde ich es abstellen“, sagte der Oberpfälzer.
TRIER. Warum Seitz so nachdrücklich vor Schalke gewarnt hatte, wurde schon in den ersten Spielminuten deutlich. Die Knappen entsprechen dem Typus aller Nachwuchsmannschaften auf diesem Leistungsniveau. Schnell, gut am Ball ausgebildet und jung. Und somit von einer mit spielerischen Leichtigkeit durchdrungenen Unbekümmertheit, die den puren Spaß am Sport versprüht. Das kann nach hinten losgehen. Dann fangen sie sich ein paar Gegentore und schleichen mit gesenkten Köpfen vom Platz. Es kann aber auch zum Rausch führen, so sie sich in einen solchen spielen können. Immer liegt es am jeweiligen Gegner, den Spielverderber zu geben.
Das beste Mittel, die gesteigerten Ambitionen der jungen Hüpfer auf Normalmaß zurecht zu stutzen, ist ein frühes Tor. Dann schwindet gewöhnlich die Sicherheit im Nu – und die Lust dazu ebenso. Schalke hatte die Möglichkeit, das Spiel in seinem Sinne zu kontrollieren. Aus dem hohen Druck der Anfangsphase entsprang der Eckball in der vierten Minute. Kevin Pires-Rodrigues zog das Spielgerät stramm nach innen. Alexander Langlitz war völlig frei mit dem Kopf zur Stelle. Die Kugel rutschte über seinen Scheitel und somit auch am Tor vorbei. „Das musste schon das 1:0 für uns sein“, sagte Trares rückblickend. Jetzt war die Eintracht endgültig gewarnt, sofern die Worte des eigenen Trainers nicht schon zuvor zu gesteigerter Aufmerksamkeit geführt hatten.
Nicht immer steht Fortuna einem zur Seite. Nicht immer sorgt eine Regenunterbrechung für einen Wandel im Spiel. Selbst ist der Mann, zumal auf dem Platz. Über ausreichend Erfahrung verfügt der SVE in seinen Reihen. Thomas Drescher mag gespürt haben, dass Eigeninitiative gefordert war. Triers Linksverteidiger schaltete sich jetzt mit spürbarer Aggressivität in die offensiven Aktionen ein. Seine Flanke sorgte erstmals für Gefahr vor dem Tor der Gelsenkirchener. Der erste Versuch des Hessen verpuffte noch ungenutzt im gegnerischen Strafraum (15.). Keiner war da, den angeschnittenen Ball zu verwerten. Also nahm Drescher eine Minute später erneut Anlauf. Diesmal hob er den Kopf, sah hinüber zu Namensvetter Thomas Kraus, der am langen Pfosten in Position gelaufen war. Dreschers Flanke kam exakt auf den Punkt. Kraus tauchte ab und bugsierte das Spielgerät mit dem Kopf zum 1:0 über die Torlinie (16.).
Der weitere Verlauf des Spiels schien vorprogrammiert. Schalke war frühzeitig angezählt, der Tabellenführer von der Mosel hatte den gewünschten Vorsprung im Rücken. Die ideale Voraussetzung also, sich Gegner und Begegnung passend zurecht zu legen. Sofern die Konzentration auf hohem Niveau bleibt und das Spiel nicht schon im Geiste abgehakt ist. Nachlässigkeiten aber sind gerade gegen zweite Mannschaften tödlich. Wer sich bereits früh als Sieger fühlt, wird desto härter bestraft. Wenn sich dann zudem Leistungsträger wie Jeremy Karikari und Fahrudin Kuduzovic mitten in der Arbeit eine mentale Auszeit nehmen, nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
Die Gäste lauerten ein wenig, kaum mit der Hoffnung beseelt, dass die Eintracht ihnen tatsächlich die Möglichkeiten quasi auf dem silbernen Tablett präsentieren würde. Urplötzlich stand Manuel Torres auf der rechten Trierer Abwehrseite völlig alleine. Keiner fühlte sich für den Mann mit dem großen Namen zuständig. Auch nicht André Poggenborg. Triers Schlussmann machte fünf Schritte aus dem Tor, blieb dann stehen und schaute dem Ball verdutzt hinterher, als Torres in Anlehnung an seinen berühmten Namensvetter die Kugel über ihn ins Tor hob (29.).
Kein Vorwurf von den Kollegen an Poggenburg, auch wenn er in dieser Situation einfach nur schlecht aussah. Nichts war passiert außer dem unnötigen Ausgleich, den die Schalker ausgelassen feierten. Mit vielem hatten sie angesichts der Trierer Führung gerechnet, aber damit sicher nicht. Doch es kam noch besser für die Elf aus dem Pott, die dem angeschlagenen Gegner im Stil einer Spitzenmannschaft den zweiten Schlag verpasste. Pires-Rodrigues nahm aus gut 20 Metern Maß und jagte das Spielgerät für den diesmal machtlosen Poggenborg in die Maschen (33.). Torge Hollmann war der Ärger unmittelbar nach dem Schlusspfiff anzusehen. „Wir haben einfach zwei Tore weggeschenkt“, sagte Triers Kapitän. „Das tut richtig weh!“
Schalke hatte das Spiel innerhalb von vier Minuten gedreht. Jetzt wussten Seitz‘ Männer, warum ihr Trainer so eindringlich vor diesem Gegner gewarnt hatte. Was gegen Wiedenbrück und auch in Idar-Oberstein noch ausgebügelt werden konnte, wurde dem Tabellenführer nun zum Verhängnis. Wer mit angezogener Handbremse in ein Spiel startet, kann nicht erwarten, stets mit einem blauen Auge davon zu kommen. Die Verkrampfung in seiner Mannschaft musste Seitz zur Pause lösen. Das versuchte er auch personell: Chhunly Pagenburg kam für Karikari. Mehr Druck, mehr Kreativität, mehr Torgefahr – so sollte das Ruder herumgerissen werden.
Vordergründig schien die Maßnahme aufzugeben. Die Eintracht erarbeitete sich jetzt mehr Spielanteile, hatte die optische Überlegenheit und machte auch zunehmend Druck auf den Gegner. Die gewinnbringende Nachhaltigkeit fehlte indes weiter im Spiel des Tabellenführers. Kaum ein Pass in die Tiefe, dafür Spielereien um den gegnerischen Strafraum herum. So war das Bollwerk der Knappen um Routinier Frank Fahrenhorst nicht zu knacken. Kombiniert wurde nur selten, und wenn, dann verpufften die Versuche in der stabilen Abwehr der Gäste. Mit einer Ausnahme. Als sich Ahmet Kulabas nämlich in der 75. Minute durchsetzte und uneigennützig auf den eingewechselten Olivier Mvondo passte. Der jedoch brachte das Kunststück fertig, den Ball aus vier Meter an die Latte zu schießen. Dabei war das Tor frei gewesen.
Nicht nur in dieser Szene klafften Anspruch und Wirklichkeit beim Aufstiegsaspiranten von der Mosel weit auseinander. Hollmann war selbstkritisch genug, um ohne Umschweife zu konstatieren: „So zu spielen, kann und darf nicht unser Anspruch sein.“ Dennoch wäre heuer zumindest noch ein Punkt möglich gewesen. In der Nachspielzeit setzte Pagenburg den Ball knapp am Torwinkel vorbei. „Da haben wir das Glück gehabt, das uns gegen Lotte fehlte“, sagte Trares. Schalkes Trainer feierte mit seiner Mannschaft, während die meisten der Trierer Anhänger, die diesmal zahlreich erschienen waren, enttäuscht aus dem Stadion gingen.
Eintracht Trier: Poggenborg – Cozza, Stang, Hollmann, Drescher – Kraus (ab 66. Mvondo), Karikari (ab 46. Pagenburg), Herzig, Hauswald – Kuduzovic – Kulabas.
FC Schalke 04 II: Himmelmann – Ernst, Langlitz, Sabah, Fahrenhorst – Stommel, Wiegel (ab 61. Erwig-Drüppel), Pires-Rodrigues (ab 65. Taskin), Torres – Quotschalla (ab 78. Muhovic), Hofmann.
Tore: 1:0 Kraus (16.), 1:1 Torres (29.), 1:2 Pires-Rodrigues (33.)
Schiedsrichter: Rafael Foltyn (Mainz-Kastel)
Zuschauer: 2.384
von Eric Thielen