Zwischen Hoffen und Bangen

Zum 1. Juli wird es – bis auf wenige Ausnahmen – keine Zivildienstleistenden mehr geben. In Trier zeigt sich bereits seit längerem, dass Zivis an verschiedenen Stellen fehlen. Die Folge sind höhere Personalkosten und Mehrarbeit für das hauptamtliche Personal. Nun hoffen die Personalchefs der sozialen Einrichtungen, dass der neu eingeführte Freiwilligendienst künftig genügend junge Menschen zu einem sozialen Engagement bewegen wird. Dafür braucht es neben allem Idealismus aber auch materielle Anreize, damit sich die Situation nicht weiter verschlechtert.

TRIER. In Trier gibt es schon heute kaum noch Zivildienstleistende. Ob beim Club Aktiv, dem Studierendenwerk oder der Lebenshilfe, viele Organisationen beschäftigen allenfalls noch einen Zivi, wo früher 15 oder mehr Wehrdienstverweigerer ihren sozialen Dienst ableisteten. Das Exzellenzhaus hat dagegen schon seit Jahren ganz auf Zivis verzichtet und stattdessen neue Stellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr geschaffen. Mit der schrittweisen Verkürzung der Dienstzeit auf zuletzt sechs Monate konnten die meisten schon im April ins Studium oder eine Ausbildung wechseln, im Juli endet dann die Dienstzeit der letztmöglich Einberufenen.

Dadurch entstehen den sozialen Trägern neue Herausforderungen, schließlich wollen sie die bisherigen Leistungen für die Bedürftigen aufrechterhalten. „Eine gewisse Not besteht jetzt natürlich. Die macht aber auch erfinderisch“, umschreibt Ulrich Schwarz von den Lebenshilfe-Werken Trier die neuen Engpässe. Durch die schrittweise Reduzierung der staatlich garantierten Hilfskräfte übernahmen hauptamtliche Mitarbeiter deren Aufgaben oder es wurden gleich 400-Euro-Kräfte eingestellt. Dadurch erhöhten sich die Personalkosten, außerdem müssen die Bedürftigen seitdem auf manche Leistungen gänzlich verzichten, die die Zivildienstleistenden in einer 40-Stunden-Woche übernehmen konnten.

Mit dem Wegfall des Zivildienstes entsteht nun der neue Bundesfreiwilligendienst, kurz BFD. Er ist das bundesweite Pendant der bisherigen Freiwilligendienste Freies Soziales beziehungsweise Freies Ökologisches Jahr (FSJ/FÖJ). Die bisherigen Zivildienststellen werden somit zum 1. Juli in BFD-Stellen umgewandelt. Völlig neu ist hingegen die Möglichkeit, den Dienst jederzeit, also auch im Alter von 27 und älter zu absolvieren, sodass dieser auch für Arbeitslose und Rentner eine Beschäftigungsmöglichkeit darstellt. „Der Bundesfreiwilligendienst hat ein großes Potential, den Zivildienst zu ersetzen“, zeigt sich Verena Sommer von dem neuen Konzept überzeugt. Sie arbeitet als Bildungsreferentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband von Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Für die nächsten Jahre plant die Bundesregierung mit rund 35.000 Freiwilligen pro Jahr. Die ersten Kampagnen werben bereits für das Engagement, auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat auf Nachfrage von 16vor schon erste Interessenten für den BFD gefunden. Doch bleibt die Frage, wie man junge Menschen, die direkt ins Studium wechseln könnten, trotzdem für eine freiwillige Auszeit motivieren kann? Antje Mäder, Pressesprecherin des ehemaligen Bundesamts für Zivildienst, das jetzt Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben heißt, weiß, wo Anreize geschaffen werden können: „Wir brauchen mit Sicherheit eine breite Anerkennungskultur, von Wartesemestern bis hin zur Anrechnung von Praktika.“ Außerdem spiele die Bezahlung auch eine entscheidende Rolle. Das durchschnittliche Taschengeld aus dem FSJ/FÖJ von 150 Euro wird durch den neuen BFD sicherlich erhöht, die gesetzlich Obergrenze liegt derzeit bei 330 Euro monatlich. Zusätzlich gibt es finanzielle Ersatzleistungen für Verpflegung, Unterkunft und Arbeitskleidung.

Unterm Strich werden die Freiwilligen zwischen 400 und 500 Euro pro Monat verdienen können. Nach Verhandlungen entschloss sich die Bundesregierung außerdem dazu, auch während des Bundesfreiwilligendienstes weiter Kindergeld an die Eltern zu zahlen. Insgesamt entsteht durch die Öffnung des Freiwilligendienstes für ältere Generationen sowie die neuen Anrechnungsmöglichkeiten tatsächlich ein Potential für eine Kultur der Freiwilligkeit. Könnte sich der neue Bundesfreiwilligendienst schlussendlich also zu einem Gewinn für die sozialen Organisationen entwickeln?

Detlef Böhm von der Personalabteilung des Caritas-Verbands in Trier war von der Idee eines attraktiven freiwilligen Sozialdienstes jedenfalls angetan, wie er einem „Eckpunkte“-Gespräch beim Offenen Kanal bekundete. Heute, ein Jahr später, konnten sich seine Erwartungen noch nicht erfüllen: Die Caritas disponiert derzeit um, einige Zivi-Stellen werden heute von FSJ-lern ausgefüllt, andere wurden jedoch in Minijobs umgewandelt. Böhm ist ob der jüngeren Entwicklung verunsichtert: „Die Übergangsphase wird mit Sicherheit schwierig werden und Prognosen zum Bundesfreiwilligendienst kann ich noch nicht abgeben.“

Ob der BFD die Institution Zivildienst gleichwertig ersetzen kann oder nicht, bleibt also im besten Fall ungewiss. Dafür müssten nämlich bundesweit 55.000 Menschen über 27 Jahre den Dienst machen – eine mehr als optimistische Prognose. Ein Grund, warum Ulrich Schwarz von den Lebenshilfe-Werken ob des abgeschafften Zivildienstes schon heute in Nostalgie schwelgt: „Wir brechen wegen 15 Zivi-Stellen sicherlich nicht zusammen, aber irgendwie fehlt das Salz in der Suppe.“

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