„Zum Zärtlichsein geboren?“

Guildo Horn lädt am 23. Dezember wieder zum traditionellen Weihnachtskonzert in die Europahalle. Foto: PromoSo bunt und abwechslungsreich wie seine Garderobe ist auch das Spektrum seiner Arbeit: Guildo Horn war und ist – teilwei­se auch gleichzeitig – Musiker, Entertainer, Diplompädagoge, Talkmaster, Operetten- und Musicaldarsteller. Derzeit testet er für einen Bezahlsender Bundesliga-Stadien auf ihre Barrierefreiheit und bastelt an ei­nem neuen Album. „Wir werden die Musik neu erfinden, die Polschmelze stoppen und die Welt retten“, kündigt der 51-Jährige, der natürlich am 23. Dezember wieder zu seinem Weihnachtskonzert in die Europa­halle einlädt, im Interview mit 16 VOR an.

16 VOR: Seit einem Jahr sind Sie Sky-Botschafter. Sind Sie seitdem auch Sky-Kunde?

Guildo Horn: An den Wochenenden bin ich meist mit meinen Orthoposteln auf interemo­tionaler Mission, um aus unserem Liederzy­klus „Satanische Schlager“ zu zitieren. Da ist es mir leider so gut wie unmöglich, auch mal ins Stadion zu gehen. Ich liebe es, via SkyGo überall am Ball zu sein und finde stets gute Freunde, wenn ich mich mit meinem Tablet irgendwo niederlasse. Sky: Ein soziales Me­dium also. Ein fussballerischer Heilsbringer!

16 VOR: Hat das Ihr Zuschauerverhalten verändert? Sind Sie deswegen privat noch seltener im Stadion?

Horn: Die größte mediale Umstellung hat sich bei mir als Fernsehgucker mit der Erfin­dung des Festplattenrecordings eingestellt. Zeitversetztes Fernsehen löst die 20.15-Dok­trin und macht dich leichter!

16 VOR: Hat der Sender von Ihnen schon verlangt, eine seiner grauenhaften Schul­uniformen zu tragen?

Horn: Beim Franz und bei mir ist man da et­was toleranter.

16 VOR: Welcher Mannschaft drücken Sie derzeit am meisten die Daumen? Die Entwicklung des 1. FC Köln sieht etwas rosiger aus als die der Trierer Eintracht.

Horn: Fußballfan zu sein verlangt von ei­nem, vor allem viel Sorg und Leid auf seine Schultern laden zu können. Ich habe breite Schultern und obendrein zwei schlanke Dau­men, also für jede meiner Mannschaften min­destens immer ein Däumchen am Start.

Der FC scheint auch vereinsintern stabili­siert, spielt aber jetzt so ein Defensivriegel­gekicke, was nicht gerade ansehnlich ist. Parole: „Hauptsache nicht absteigen“. Das verlangt eine Menge Kraft von mir, aber alles wird gut und Helmes feiert eine glorreiche Auferstehung und Poldi kommt natürlich wieder in die Heimat.

Was unsere Eintracht angeht: Die gilt als einzig legitimer Verfolger vom derzeitigen Playoff-Kandidaten Saarbrücken und wird sich bald wieder auf den oberen Plätzen eta­blieren. Das hab ich jedenfalls im Urin.

16 VOR: Als Sky-Botschafter testen Sie unter anderem Bundesliga-Stadien auf Barrierefreiheit. Wie ist Ihr Eindruck bis­her?

Horn: Das sind zwei verschiedene Dinge. Als Botschafter der Sky-Stiftung setzte ich mich für Projekte ein, die Kinder und Ju­gendliche für mehr Bewegung und eine ge­sunde Lebensweise begeistern sollen, zum Beispiel für Sportferienlager oder Fußball­projekte für Jugendliche mit Migrationshin­tergrund.

Als Sky-Reporter mache ich die Barriere-Checks in den Stadien. Alle Bundesligaclubs sind sich mittlerweile der Wichtigkeit dieses Themas bewusst und bemüht, eine passen­de Infrastruktur zu bieten, damit man auch mit einer Behinderung seiner Fußballleiden­schaft frönen kann. Blindenreportage, geeig­nete Sitzplätze für Gehörlose, Rollstuhlram­pen und vieles mehr. Das ist mal mehr, mal weniger perfekt, aber Barrierefreiheit ist ein Prozess, an dem man ständig arbeiten muss. Am besten funktioniert es, wenn die Verei­ne direkt mit den Betroffenen selbst planen – was sie meistens auch machen, denn das sind die Spezialisten auf dem Gebiet.

Bei meiner Arbeit in den Stadien finde ich es vor allem faszinierend, mich in die Erlebnis­welten der behinderten Fans entführen zu lassen. Dann sieht man plötzlich, dass die vermeintliche Behinderung manchmal auch Vorteile mit sich bringt. Beim Spiel HSV ge­gen Eintracht Frankfurt war ich mit einem Gehörlosenfanclub unterwegs und begeistert davon, wie Präsident Holger sich mit seinem Kumpel, der zehn Plätze weiter saß, bei all dem Getöse um uns herum via Zeichenspra­che über das Spiel unterhalten konnte.

16 VOR: Diese Tätigkeit muss für Sie ein Traumjob sein – sie verbindet ihre Liebe für die Arbeit mit beeinträchtigten Men­schen und der für Fußball.

Horn: Das ist noch besser als ein Job in ei­ner Konfiserie oder einer Brauerei. Oder so­gar im Nordbad.

16 VOR: Besteht noch Kontakt zu ihrem früheren Arbeitgeber Lebenshilfe?

Horn: Die Arbeit in der Lebenshilfe hat mich für mein ganzes Leben geprägt. Ich war leider länger nicht in der Diedenhofener­straße, arbeite aber oft und gerne mit der Bundesvereinigung der Lebenshilfe in unter­schiedlichen Projekten zusammen.

Mitte Februar trat Guildo im Rahmen seiner Botschafter-Tätigkeit für die Sky-Stiftung in München zum Blindenfußballspiel an. Foto: Promo16 VOR: Ein wichtiges Thema der Lebenshil­fe ist derzeit die Etablierung eines Netzwer­kes für Leichte Sprache in Trier. Eigentlich böte sich dabei auch wieder die Zusammen­arbeit mit einem Schlagersänger an.

Horn: Das sag ich ja schon immer: Kinder, der Schlager hat uns so viel zu geben!

16 VOR: Mit August Schrader scheidet jetzt der – meines Wissens – letzte Origi­nal-Strumpf aus. Was ist der Grund da­für? Und stimmt Sie das wehmütig, dass nun niemand mehr aus der Gründungs­zeit mit dabei ist?

Horn: Der liebe August kam erst 1997 zu den Strümpfen, aber wir haben jetzt 17 Jahre gemeinsam auf der Bühne verbracht. Das waren über 2000 verschwitzte Konzer­te, über eine Million Kilometer zu zweit im Auto, plus Flüge, Schiffs- und Bahnreisen und vor allem Tage, Wochen und Monate Diskussionen über den Zustand des 1. FC Köln. Eine intensive Zeit. So lange hält heute kaum eine Ehe mehr.

Das hätten wir jetzt einfach so weitermachen können, bis einer von uns vom Ast oder Äst­chen fällt. Aber wir haben uns gemeinsam dazu entschieden, noch mal neue Wege zu gehen. Schrader stürzt sich vollends in sei­ne Arbeit mit Purple Schulz und wir, die neuformierte Orthopädentruppe, eine An­sammlung von ehemaligen Klassenclowns, stehen seit Jahresanfang mit roten Wangen wie frisch verliebt im Proberäumchen und im Studio und auf der Bühne. Aber der Au­gust wird stets in meinem kleinen warmen Herzen sein. Ein Orthopäde vor dem Herrn.

16 VOR: Demnächst soll ein neues Album mit neuen Schlagern und Weihnachtsti­teln erscheinen. Was wird neu daran sein?

Horn: Wir werden die Musik neu erfinden, die Polschmelze stoppen und die Welt retten. Das Ganze zu übersichtlichen Preisen und in Stereo!

16 VOR: Was war die Ursache dafür, dass es sechs Jahre lang kein Album gegeben hat?

Horn: Sechs Jahre? Das hab ich ja gar nicht gemerkt, weil wir allzu oft im Studio sind. Aber dann treibt es einen halt mal wieder in eine andere Sache hinein und dann liegen die Liedchen plötzlich wieder ein paar Jahre in der Schublade. Mit CD oder Plattenverkäufen ernährt sich heutzutage ohnehin kein einziges Eichhörnchen mehr. Deshalb konzentrieren wir uns meist auf unseren Livebereich. Aber das lange Warten hat ja jetzt nun ein Ende.

16 VOR: Ende der 90er und Anfang der Nuller Jahre gab es ein großes Schlager­revival – vor allem durch Sie. Haben Sie den Eindruck, dass die Zeit langsam wie­der reif dafür ist?

Horn: Ich bin nun seit mehr als 20 Jahren auf dem Kreuzzug der Zärtlichkeit und habe eigentlich stets nur auf meine saftige Nasen­spitze geschaut. Was ich sehe, gefällt mir, und was drumherum läuft, kriege ich gar nicht mit, weil ich mich jenseits meiner schönen Arbeit nie mit meiner schönen Arbeit beschäf­tige. Aber der Schlager war doch nie weg?

16 VOR: Zumindest ist seit etwa zwei paar Jahren aktueller Schlager wieder für Me­dien, vor allem für den Boulevard, inter­essant – wenn er sexy daherkommt mit In­terpretinnen wie Helene Fischer oder der Leder-Berg. Verfolgen Sie diese Musik? Was machen Sie beispielsweise, wenn „Atemlos durch die Nacht“ im Radio läuft?

Horn: Letzt abends habe ich vor einem Hotel in Stuttgart im Biergarten gesessen. Schräg gegenüber in einer salzigen Fußgängerunter­führung hat sich gerade eine Truppe Punks nebst Hund, Katze, Maus komplett Klein- und Großhirn mit diversen Flüssigkeiten verbo­gen. Der Höhepunkt war eine Polonäse zum selbstgesungenen „Atemlos durch die Nacht“. Da fand ich den Titel plötzlich richtig klasse.

16 VOR: Ihre Weihnachtskonzerte in Trier sind inzwischen so etabliert wie Weihnachten selbst. Es hat den Eindruck, als würden Sie irgendwann mit den Fü­ßen voran die Bühne verlassen wollen.

Horn: Das stimmt. Mit 51 Jahren sollte je­der vernünftige Erwerbstätige in Ruhestand treten.

16 VOR: Ursprünglich strebten Sie eine Karriere als Rockmusiker an. Denken Sie manchmal daran, wie es gewesen wäre, diesen Weg einzuschlagen? Sie hätten dann vermutlich vor allem Ihr Bühnen­outfit ändern müssen.

Horn: Ursprünglich strebte ich ein Le­ben als unerbittlicher Schlagzeuger an und träumte davon, ein Mal den Großen Saal in der Tufa füllen oder gar vielleicht einmal von der Musik leben zu können. Zum Warlord von Wacken hat‘s ja leider nicht gereicht, aber ich freue mich, als zarter Schlagerstern die Tanzcafés und Seniorenheime unserer Republik beleuchten zu dürfen. Vielleicht bin ich ja zum Zärtlichsein geboren?

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