Die unglaubliche Reise in verrückten Autos

111 Teams aus über einem Dutzend Nationen starten am 28. April bei der achten „Allgäu-Orient-Rallye“ von Oberstaufen nach Jordanien. Mit dabei sind sechs junge Menschen aus Trier und Luxemburg. Als Team „DesORIENTiert“ gehen die 24- bis 33-jährigen Abenteurer mit drei alten Mercedes-T-Modellen an den Start der über 6500 Kilometer langen Rallye, bei der es nicht auf Geschwindigkeit ankommt. Während der Etappen müssen Aufgaben erfüllt werden, die der Völkerverständigung und der Unterstützung Hilfsbedürftiger dienen. Im Ziel im jordanischen Amman werden zudem alle Fahrzeuge für einen guten Zweck versteigert. Für Sebastian Schwarz, Uli Schwarz, Ayline Schwarz, Britta Faßian, Jasmin Jabbar und Laurent Claes ist es nicht weniger als eine Urlaubs-, Abenteuer-, Hochzeits- und Benefizreise.

TRIER. Durch Zufall stieß Sebastian Schwarz im vergangenen Sommer im Internet auf die „Allgäu-Orient-Rallye“. „Es wäre schön, daran teilzunehmen“, dachte sich der abenteuerlustige Elektrotechniker. Dies teilte er seinem Bruder Uli und seiner noch abenteuerlustigeren Freundin Britta mit. „Ich habe eine neue Idee. Wir fahren nächstes Jahr eine Rallye!“ Uli überredete seine Frau Ayline zum Mitmachen, Britta ihre Arbeitskollegin Jasmin, mit der sie vor anderthalb Jahren schon vier Wochen lang mit dem Fahrrad durch Indonesien reiste. Sechster und letzter Mitfahrer wurde Sebastians Freund Laurent Claes aus Burglinster, der in seiner Freizeit an Autos rumschraubt und das luxemburgische Team kennt, das 2011 die Rallye gewonnen hat. „Laurent ist unser Joker“, sagt der 27-Jährige darüber, einen erfahrenen Mechaniker mit an Bord zu haben.

Am 7. Juli 2012 um 3.33 Uhr war Anmeldestart, keine zwei Minuten später wurde die Liste mit 111 Teilnehmern geschlossen. Mehr als doppelt so viele Nachrücker gibt es. Das Trierer Team „DesORIENTiert“ hat die Teamnummer 66. Vielleicht kein schlechtes Zeichen in einem an Schnapszahlen nicht armen Wettbewerb: Das Startgeld beträgt 222,22 Euro, die Fahrzeuge dürfen nicht mehr als 1111,11 Euro wert sein und eine Übernachtung während der Rallye muss weniger als 11,11 Euro kosten.

Über ein Gebrauchtwagenportal wurden die Wagen besorgt: drei über 22 Jahre alte Mercedes 230 TE – alle haben mehr als 200.000 Kilometer auf dem Tacho. „Es sollten drei gleiche Autos sein“, sagt Sebastian. „Wir haben sie so ausgesucht, dass sie Schadstoffklasse Euro 2 und noch mindestens bis Mai TÜV haben.“ Die Verkäufer seien begeistert gewesen, erzählt Uli, als sie erfuhren, was mit ihren Wagen passiert. Während die Herren vor allem an den Wochenenden an den Fahrzeugen arbeiten – so wurden schon Bremsen und Stoßdämpfer ausgetauscht und bei zweien der Kofferraum schlaftauglich gemacht – kümmern sich Britta, Jasmin und Ayline um die Routenplanung und die Spendenakquise. Denn mit der Rallye werden Hilfsprojekte im Nahen Osten unterstützt.

„Nachdem es uns zunächst ums Abenteuer ging, steht mittlerweile der gute Zweck im Vordergrund“, sagt Ayline. Im Freundes- und Bekanntenkreis, auf der Arbeit und über seine eigene Internetseite sammelt das Team, das dafür einen gemeinnützigen Verein gegründet hat, Sach- und Geldspenden. 20.000 Euro kostet es die Teilnahme an der Rallye. Auf Betterplace kann man die Gruppe gezielt bei der Finanzierung der Autos, der Reparatur- und der Benzinkosten unterstützen. Für Verpflegung, Übernachtungen und Rückflüge kommen die Teammitglieder selbst auf.

Alle Rallyefahrzeuge werden nach der Ankunft im Zielland Jordanien versteigert. Der Erlös kommt dort oder in Nachbarländern Hilfsorganisationen zugute. So gingen beispielsweise 2011 250.000 Euro an den „Türkischen Roten Halbmond“ (das türkische Rote Kreuz), der das Geld für Projekte im Erdbebengebiet im Osten der Türkei und für Flüchtlingsprojekte an der syrisch-türkischen Grenze eingesetzt hat. Die Fahrzeuge der „Allgäu-Orient-Rallye“ 2012 erhielt der „Flüchtlingshilfeverein Bergkarabach“, der dafür sorgte, dass sie an bedürftige Flüchtlingsfamilien als Existenzgrundlage übergeben wurden. Zudem wurden in den vergangenen Jahren schon Nähmaschinen, Rollstühle, Hörgeräte, Kleidung und Spielzeug an Institutionen verteilt. Das Team „DesORIENTiert“ will zusätzlich mit Kinderkleidung und Schulmaterial den Hilfe für Bosnien e.V. und mit Geldspenden die „Ärzte ohne Grenzen“ unterstützen, die sich in Jordanien in einer Klinik für Kriegsopfer einsetzen. 

Die „Allgäu-Orient-Rallye“ dient aber nicht nur dem Spaß und humanitären Zwecken, sondern auch der Völkerverständigung. Die Teams müssen auf der Strecke Aufgaben erfüllen, die sie erst kurz vor dem Start erhalten. Zwei Aufträge sind jetzt schon bekannt: „Zum einen soll in einem Park in Istanbul ein mitgebrachtes Bäumchen gepflanzt werden“, erzählt Britta. „Zum anderen für eine Musikschule in Anatolien ein gebrauchtes Musikinstrument mitgenommen werden – je größer, desto besser.“ Die Trierer Gruppe hat bereits ein Harmonium organisiert. Welches Team welches Instrument transportieren muss, wird jedoch erst vor dem Start ausgelost. Bei früheren Rallyes mussten Teilnehmer die türkische Nationalhymne auswendig lernen und in einem Stadion vortragen. Oder mit fremden Familien kochen.

„Für gelöste Aufgaben bekommen die Teilnehmer Punkte“, erklärt Uli. „Bei der Rallye geht es nicht darum, wer am schnellsten ist, sondern wer am Ende die meisten Punkte hat.“ Täglich dürfen im Schnitt nicht mehr als 666 Kilometer zurückgelegt werden, und Autobahnen und Mautstraßen sind tabu – genauso wie Navigationsgeräte. Alle Teams müssen innerhalb von fünf Tagen Istanbul erreicht haben, wo vor der Blauen Moschee ein Fahrerlager errichtet wird. Nach mehreren Etappen durch die Türkei geht es mit der Fähre nach Zypern, da wegen des Bürgerkrieges in Syrien nicht der Landweg nach Jordanien genutzt werden kann. So werden die Teilnehmer, die aus über einem Dutzend Nationen stammen, sich vom Süden her ihrem Ziel nähern – über Israel und Palästina. Dort angekommen werden sie über 6500 Kilometer durch 14 Länder zurückgelegt haben. „Das wird ein Abenteuer, so lange zu fahren“, sagt Jasmin, die wie Britta in Luxemburg für eine namhafte Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatergruppe arbeitet.

Bis zum 18. Mai, also innerhalb von 21 Tagen, will das Team „DesORIENTiert“ in Amman angekommen sein. Für diesen Tag ist der Rückflug gebucht. Alles, außer ihrer Kleidung, werden sie dann unterwegs oder im Zielort gespendet haben. Wenn sie gewännen, müssten sie sogar ihren Preis dort lassen. Der Sieger erhält ein Kamel. Nach deutschen Bestimmungen darf ein solches Tier aber nicht aus einem arabischen Land eingeführt werden. Bisher haben die Gewinner ihr Kamel immer einem Beduinen oder Bauern geschenkt.

Nicht nur euphorisch, sondern angeblich auch furchtlos gehen die sechs jungen Abenteurer in die Rallye. „Die Verwandten haben mehr Angst als wir“, sagt Ayline. „Es wird schon alles gutgehen.“ Für sie und ihren Mann Uli, der kurz vor dem Start seine Meisterprüfung als Metallbauer absolviert, hat die Rallye eine besondere Bedeutung. „Es wird mehr oder weniger unsere Hochzeitsreise“, so die 24-jährige Weiterbildungsberaterin. „Wir haben 2011 geheiratet und das Geld dafür beiseite gelegt.“

Es werde schon lustig werden, ist sich Sebastian gewiss. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir eine Woche nach der Rallye sagen: ‚Was machen wir als nächstes?'“

Weitere Informationen über das Trierer Team und wie man es unterstützen kann, finden Sie hier.

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