„Wir sind schon in Trier“
Zum vorletzten Mal richtete Klaus Jensen am vergangenen Freitagabend seinen Bürgerempfang aus. In wenigen Tagen beginnt das letzte Amtsjahr des amtierenden Stadtchefs. In seiner Rede, die einer Art Erklärung zur Lage der Stadt gleichkam, zeigte der OB eine Auswahl jener Projekte auf, die er in den verbleibenden zwölf Monaten noch realisieren oder auf den Weg bringen möchte. Jensens Credo: Triers Entwicklung kann sich sehen lassen. Angesichts mehrerer kommunaler Urnengänge, bei denen unter anderem auch über seine Nachfolge entschieden wird, hielt der Oberbürgermeister einen Appell für Frieden und Demokratie in Europa und warnte vor einer „Atomisierung durch extremistische Kräfte“ in den Parlamenten.
TRIER. Quasi auf dem Grund der Vitrine wartet der Gastgeber. Während die Besucher die Treppen hinabsteigen, schüttelt Klaus Jensen eine Hand nach der anderen. Bei einigen Gästen belässt er es nicht mit einem Handschlag, dann wird auch schon mal gedrückt und geherzt, und auch Küsschen werden verteilt. So ergeht es etwa Hiltrud Zock, die sich darum bewirbt, im April 2015 Jensens Nachfolge anzutreten. Wie die Unionskandidatin ist an diesem Abend auch SPD-Kandidat Wolfram Leibe gekommen und hat sich unter die Zuhörer gemischt. In zwölf Monaten wird mutmaßlich einer von beiden kurz vor seinem oder ihrem Amtsantritt stehen, ein weiterer aussichtsreicher Kandidat zeichnet sich bislang nicht ab.
Jensen verzichtet auf die namentliche Nennung prominenter Besucher, allein die Mitglieder der FWG-Band werden gesondert begrüßt. Keine Rede zu halten, „würde mir aber wohl übel genommen“, mutmaßt der Redner und ergänzt scherzend: „nicht von allen, das weiß ich“. Klaus Jensen spricht sodann über laufende Projekte und bevorstehende Entscheidungen. Kurz: der OB hält eine Art Stadtregierungserklärung. So kündigt er an, dass Trier-West aus dem Programm „Soziale Stadt“ in den nächsten Jahren „mit einigen Millionen mehr“ rechnen könne. Der OB lobt den Stadtrat für seine „mutige Entscheidung“, bei künftigen Wohngebieten eine feste Quote von 25 Prozent für geförderten Wohnungsbau festzusetzen – „darunter braucht ein Investor erst gar nicht anzufangen“.
Der OB nutzt die Gelegenheit, einige der Ergebnisse seiner Arbeit herauszustellen. Dass allenthalben beklagt wird, in Trier gehe es nicht wirklich voran, der Stadtvorstand sorge allenfalls für Stillstand, will Jensen so nicht stehen lassen. Er ist genervt von dem Lamento, und in der Tat ist ja die Liste der Projekte, die derzeit realisiert werden oder kürzlich fertiggestellt wurden, lang; gerade auch auf Feldern, bei denen Fortschritte wirklich lange auf sich warten ließen, kann der von Jensen geführte Stadtvorstand nun mit Ergebnissen aufwarten. So wurde die Anzahl der Bus- und Radfahrstreifen binnen weniger Monate vervielfacht. Aktuell wird die Verkehrsführung im Mustor komplett geändert – zugunsten von Radfahrern und Fußgängern. Die nun auch offiziell für Radfahrer offen stehende Bustrasse an der Treviris-Passage wurde saniert, und während manche nun über die zum Teil hohen Bordsteine klagen, freuen sich gehbehinderte Nutzer der Stadtbusse über einen einfacheren Einstieg.
In großen Schritten geht es auch in Feyen voran, „in Castelnau wird gebaut wie verrückt“, so Jensen. Wer wollte ihm da widersprechen? Wie ja auch im Westen einiges in Bewegung ist: Das Bobinet-Projekt der EGP nimmt Gestalt an, der Bebauungsplan für das ehemalige Eisenbahnausbesserungswerk steht. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani will hier schon in wenigen Wochen mit dem Eigentümer einen städtebaulichen Vertrag abschließen, dann soll auf einer der größten und hartnäckigsten Brachen der Stadt neues Leben entstehen. Jensen kündigte am Freitag zudem an, dass das Areal der General-von-Seidel-Kaserne bald zu einem neuen Gewerbegebiet umgestaltet werden könne – was nicht zuletzt Wirtschaftsdezernent Thomas Egger freuen dürfte. Außerdem stehe einer Überplanung des Geländes der Jägerkaserne in Trier-West ebenfalls nichts mehr im Wege. Was das Burgunderviertel am Rande des Petrisbergs anbelangt, tritt man indes noch auf der Stelle. Mit der bundeseigenen BiMA werde noch „hart verhandelt um den Preis“, berichtete Jensen.
Erwartungsgemäß ging der OB auch auf die anhaltende Debatte über die Trierer Schullandschaft ein – und warb um Verständnis, handele es sich doch nicht nur um eine komplexe Thematik, sondern auch um eine, bei der sich fortdauernd die Rahmenbedingungen änderten. „Bei allen Fehlern, die uns passieren, gibt es doch kaum einen Bereich, wo sich in so kurzer Zeit die Angebotsformen veränderten und auch das Anmeldeverhalten der Eltern“. Jensen verwies zudem auf den enormen Sanierungsbedarf, der sich über viele Jahre angestaut hat. Doch unverkennbar sei doch auch, dass seit Jahren im großen Stil investiert werde, erklärte der OB. „Im AVG werden Millionen investiert, Ambrosius ist eine echte Vorzeigeschule, in die IGS fließen 18 Millionen“.
Noch deutlich mehr sollen für das Theater fließen – hier würden in den nächsten Jahr wohl bis zu 30 Millionen Euro investiert, kündigte der OB an. Und was die Standortfrage für die neue Hauptwache der Berufsfeuerwehr angeht, werde diese noch in diesem Jahr beantwortet, verspricht er. Mit Blick auf den Kurs der Stadtwerke versicherte deren Chefaufseher Jensen, dass die Energiewende auch unter geänderten Rahmenbedingungen fortgesetzt werde. „Eines ist sicher, es geht weiter. Wir können es uns nicht leisten, hier voll auf die Bremse zu treten“.
Dass Trier als Touristenmagnet eine Zukunft hat, davon ist der OB überzeugt, und auch als Konferenzstadt sei man weiterhin gefragt. Kürzlich erst hätten sich in den Viehmarktthermen 500 Binnenschiffer getummelt, demnächst kämen 300 Staatsanwälte, und für den Herbst haben sich schon mehr als 500 Soziologen aus ganz Deutschland und auch dem Ausland angekündigt. „Alle wissen, dass wir begehrt sind“, so Jensens Fazit, in dem er sich auch durch einen dieser Tage in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Beitrag bestätigt fühlt: „Wer Rom liebt, muss nach Trier fahren“, titelte das Blatt. „Wir sind schon in Trier, wir brauchen nicht nach Rom“, wendete Jensen erheitert die Botschaft der FAZ.
Wie der OB auch daran erinnerte, dass für die Trierer eine Art kommunales Superwahljahr ansteht. Am 25. Mai werden die Ortsbeiräte gewählt, ebenso die Ortsvorsteher und der Stadtrat und das Europaparlament; am 28. September steht die OB-Wahl an, und auch die nächste Wahl des Beirats für Migration und Integration wird noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. „Frieden und Demokratie sind Errungenschaften, die es immer wieder zu bewahren und zu verteidigen gilt“, so Jensen, der vor einer „Atomisierung der Parlamente durch extremistische Kräfte warnte“. Eine Mahnung, die wohl gleichermaßen für das Europaparlament wie auch den neuen Stadtrat galt.
von Marcus Stölb