„Wir lassen uns nicht teilen“

Rund 1.000 Studierende und Mitarbeiter der Trierer Hochschulen haben am Dienstagabend gegen die Mainzer Bildungspolitik protestiert. Auch wenn mehrere Redner dazu aufriefen, nach konstruktiven Lösungsansätzen für die Finanzmisere im Bildungssektor zu suchen, wurde erneut deutliche Kritik laut. Besonders Äußerungen von Bildungsstaatssekretärin Vera Reiß (SPD), die erklärt hatte, dass sich die Studienbedingungen trotz zusätzlicher Studenten nicht verschlechtert hätten, sorgten für Unverständnis. Die ehemalige Vize-Präsidentin der Universität, Helga Schnabel-Schüle, griff die Hochschulleitung an – diese habe den Eindruck erweckt, dass es der Sparvorgaben bedurft hätte, „bis wir in die Gänge kommen“.

TRIER. Doris Ahnen war einmal Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses der Mainzer Gutenberg-Universität, und Professor Franz Kluge hofft, dass dieser kurze Lebensabschnitt nicht ganz spurlos an ihr vorübergegangen ist. „Wir sollten davon ausgehen, dass Doris Ahnen noch ein bisschen AStA-Chefin in sich hat“, erklärte der Dekan des Fachbereichs Gestaltung der Trierer Fachhochschule am Dienstagabend auf dem Viehmarkt. Kluge ist auch überzeugt, dass die gebürtige Triererin, die nur vier Jahre nach ihrer AStA-Chefinnen-Zeit Büroleiterin des damaligen Mainzer Bildungsministers Jürgen Zöllner (SPD) wurde, die aktuelle Problematik erkannt hat – „aber sie muss sich nun auch durchsetzen“.

Äußerungen von Ahnens Staatssekretärin hatten Kluge auf den Plan gerufen, in einem Leserbrief zu einem Beitrag auf 16vor nahm er die Beschwichtigungen der Sozialdemokratin auseinander. Am 13. Juni hatte Vera Reiß zunächst geleugnet, dass es für die Studierenden und Mitarbeiter der Hochschulen überhaupt Anlass zur Sorge gibt: „Aktuelle Gründe, die Ängste vor massiven Einschnitten zulasten Studierender und Mitarbeiter rechtfertigen würden“, bestünden nicht, und weiter: „Zwischen 2008 und 2010 konnten die Hochschulen des Landes über 12.000 zusätzliche Studienanfänger aufnehmen, ohne dass sich die Studienbedingungen verschlechtert hätten“. Mehr Studenten, insgesamt weniger Finanzausstattung, und dennoch eine bessere Betreuung? „Da funktioniert der Dreisatz nicht mehr“, kommentierte Kluge in seiner Rede die Darstellung der Staatssekretärin. Der Landesregierung warf er eine „paradoxe Kommunikation“ vor. Kluge verlangte  mehr Transparenz bei der Finanzausstattung der Hochschulen, damit deutlich werde, wo es tatsächlich Optimierungsbedarf gibt. Zudem forderte er: „Wir brauchen informierte Abgeordnete, die wirklich wissen, worum es geht“.

Ahnen ist Abgeordnete, auch wenn sie bei der letzten Landtagswahl ihr Mainzer Direktmandat knapp verlor. Dass sie sich als Ministerin bislang vor Ort nicht dem Protest der Studierenden und Mitarbeiter gestellt hat, stößt nicht wenigen an den Trierer Hochschulen übel auf. Ihrem Genossen Kilian Krumm etwa, der am Dienstagabend meinte, dass es in der DDR einfacher gewesen sei, einen Wartburg zu bekommen, als bei Ahnen einen Termin. „Wir lassen uns nicht teilen, wir stehen zu unserer Uni und kämpfen weiter“, hatte Krumm die Parole ausgegeben. Drohende Personalkürzungen träfen vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Stellen klaut“, könnten die Dozenten in Anlehnung an einen bekannten Spruch rufen, der gestern Abend auf Triers Straßen skandiert wurde. Lautstark zog der Demonstrationszug vom Viehmarkt zum Willy-Brandt-Platz und von dort über Balduin- und Christophstraße zur Porta Nigra.  Zwischenfälle gab es keine, alles verlief friedlich.

Vor der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ergriff Luzie Sennewald das Wort. „Erst durch unseren nicht mehr zu ignorierenden Protest wurde das Ausmaß der Einsparvorgaben des Landes an der Uni Trier mehr schlecht als recht offengelegt“, erklärte sie unter großem Beifall. Sie sprach von 7,5 Millionen Euro bis 2014, welche die Universität einsparen müsse. Sennewald kritisierte, dass die Uni-Leitung erst für kommende Woche eine Veranstaltung für die Mitarbeiter geplant habe. „Mitbestimmung und gleichberechtigter Dialog bei einem so wichtigen und alle Angehörigen der Universität betreffenden Thema sieht anders aus!“ Doch Sennewald wurde noch deutlicher mit ihrer Kritik an der Hochschulspitze: Anstatt dass diese sich klar gegen die Sparvorgaben des Landes zur Wehr setze, würden „die Fächer zu einer Mitgestaltung der Sparmaßnahmen gezwungen“. Sie forderte dazu auf, den Protest unvermindert fortzusetzen, denn „wenn wir im Oktober zum Wintersemester an die Uni zurückkehren, werden die entscheidenden Weichen für das Sparen und Einsparen von Stellen der Universität Trier gestellt sein“, warnte sie. Der Unileitung warf Sennewald „vorauseilenden Gehorsam“ vor, das habe sie auch mit dem Moratorium bewiesen.

Auch die ehemalige Vizepräsidentin der Universität, Helga Schnabel-Schüle sparte nicht mit Kritik an der Spitze der Hochschule: „Bei aller Solidarität, aber bei bestimmten Dingen hat sie ein Spiel mit dem Feuer begonnen“, erklärte die Professorin. So habe Präsident Michael Jäckel mit Äußerungen wie jener, dass alles auf den Prüfstand kommen müsse und es einer umfassenden Strukturreform bedürfe, dem Eindruck „Tür und Tor geöffnet, als hätten wir uns noch nicht mit den Strukturen beschäftigt“. Diese Annahme sei „töricht“, so Schnabel-Schüle, und weiter: „Als hätte es erst der Sparmaßnahmen bedurft, damit wir in die Gänge kommen“. Viel Beifall erhielt sie auch für die Forderung, dass „die Politik“ den Studierenden „höhere Wertschätzung“ entgegenbringen solle. Zugleich nahm sie die Hochschüler in die Pflicht und schlug eine „Zielvereinbarung“ vor: Die bekanntermaßen desaströse Beteiligung an den Wahlen studentischer Vertretungen müsse verdoppelt werden, zudem wolle sie bei der nächsten Demonstration viermal so viele Teilnehmer sehen.

Tatsächlich konnte sich die Resonanz zwar sehen lassen, etwa im Vergleich zu Mainz, wo am Dienstagmorgen weniger als 500 Studenten demonstriert hatten. Doch eine andere Rechnung muss ernüchtern: In Trier gingen gestern Abend kaum mehr als fünf Prozent der rund 18.000 Studierenden beider Hochschulen auf die Straße.

Weitere Informationen zum Thema: „Gnadenlose und unehrliche Kürzungspolitik“

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