„Wir hatten immer Recht!“

Vor einem Jahr noch war Peter Altmaier das bekannteste Gesicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Obschon nur deren Geschäftsführer, ließ er bisweilen in Vergessenheit geraten, dass es auch noch einen Fraktionschef Volker Kauder gibt. Seit acht Monaten ist Altmaier nun Bundesumweltminister und damit der Mann, der die Energiewende meistern soll. Gestern Abend sprach er auf dem Politischen Aschermittwoch der Trierer CDU. Seine Rede changierte zwischen Fachvortrag und Volksbelustigung. Altmaier attackierte SPD und Grüne, nahm Peer Steinbrück aufs Korn und warb selbstbewusst und mit etwas Chuzpe für eine Wiederwahl der Regierung Merkel. Einen Lagerwahlkampf dürfe man sich nicht aufdrängen lassen, warnte er die eigenen Anhänger.

TRIER. Peter Altmaier bleibt sich treu. Der Bundesumweltminister hat die dunkle Limousine gerade erst verlassen, da fällt auch schon seine erste Bemerkung in eigener Sache: Die angestürmten Fotografen sollten sich doch noch etwas gedulden, bis er sein Jackett gerichtet habe, bittet der Spitzenpolitiker – „sonst könnte man noch meinen, ich sei dick“. Gleich darauf erfährt er, dass seine Zuhörer das obligatorische Heringsessen bereits hinter sich haben. Ob die ihm denn was übrig gelassen hätten, scherzt Altmaier gegenüber Gastgeber Bernhard Kaster und marschiert nun in die Arena. Es sind auch diese andauernden selbstironischen Anspielungen auf die eigene Körperfülle, mit denen der 54-Jährige über Berlin hinaus von sich Reden macht – und mit denen er den Saal unterhält.

An diesem Abend wird er insgesamt mehr als ein halbes Dutzend Mal auf seine Statur zu sprechen kommen, doch mehr noch als seine Konfektionsgröße interessiert die Zuhörer, wie Altmaier denn die Energiewende umsetzen will. Von einer „Operation am offenen Herzen einer Volkswirtschaft“ spricht er, seit seinem Amtsantritt im Mai 2012 sei die Energiewende vom „Waisenkind zum unübersehbaren Thema“ geworden. Dabei sei der Ausstieg aus der Kernenergie noch der leichtere Teil der Übung, glaubt der Minister, der allerdings auch um die Schwierigkeiten zu wissen scheint, welche die Kehrtwende in Sachen Atom für die Glaubwürdigkeit der Christdemokraten bedeutet. Drei Jahrzehnte habe man gegen die Grünen argumentiert und für die Kernenergie gestritten, erinnert er, ob man denn damit so daneben gelegen habe?

Diese Frage stelle sich eigentlich nicht mehr, gibt Altmaier zu verstehen: „Angesichts der Haltung der Bevölkerung“ habe sich die CDU in der Frage der Atomkraft neu positionieren müssen, verteidigt er den Kurswechsel und erklärt an die Adresse der Skeptiker in den eigenen Reihen: „Ob das falsch war, das wird die Geschichte zeigen“, doch könne man nicht abwarten und erst schauen, wie sich die Dinge entwickelten. Und überhaupt: Seit Gründung der Bundesrepublik habe sich seine Partei doch fast nie geirrt: Ob Westintegration oder Wiederbewaffnung, oder die soziale Marktwirtschaft – „wir hatten immer Recht, wir waren immer auf der richtigen Seite“, ruft Altmaier jetzt in den Saal und ergänzt nur scheinbar kleinlaut: „Und selbst wenn wir hier einmal falsch lagen, dann soll es mir recht sein“. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm offenbar nicht.

Für Altmaier entscheidet sich der Erfolg der Energiewende ohnehin nicht allein in Deutschland. Schließlich laute die eigentliche Herausforderung, den Umstieg von konventionellen und nuklearen auf erneuerbare Energien so zu bewerkstelligen, dass Deutschland auch weiterhin eine der wettbewerbsfähigen Volkswirtschaften weltweit bleibe. Das sei kein einfaches Vorhaben, denn vor die Wahl gestellt, den eigenen, bislang bescheidenen Wohlstand zu mehren oder etwas für den Klimaschutz zu tun, würden sich die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern nachvollziehbar für ersteres entscheiden, gibt er zu bedenken. Der Minister erneuert seine Forderung nach einem „nationalen Konsens“ und wirft SPD und Grünen vor, die finanziellen Belastungen der Haushalte durch die Förderung der erneuerbaren Energien kleinreden zu wollen. Man müsse die „Herausforderung realistisch sehen“, so Altmaier, aber „das sind keine Probleme, das sind Chancen“.

Das habe er in der vergangenen Woche auch gegenüber „unseren französischen Freunden“ erklärt. Der deutsche Minister referierte einen ganzen Tag lang in Paris. Das Nachbarland kündigte kürzlich an, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung von bislang 75 auf 50 Prozent senken zu wollen. „Deutschland und Frankreich sind wieder auf einer Linie“, freut sich Altmaier. Was der Unionsmann nicht erwähnt, aber jeder halbwegs informierte Zuhörer im Saal wissen kann: In Paris wechselte im vergangenen Jahr die Regierung, wurden Konservative durch Sozialisten ersetzt. Der Vorgänger des heutigen Präsidenten der Republik, Nicolas Sarkozy, hatte auch nach der Katastrophe von Fukushima am klaren Pro-Atom-Kurs der Gaullisten festgehalten.

Auch in Deutschland wird bekanntlich bald gewählt, und so warf der im September anstehende Urnengang beim Politischen Aschermittwoch der CDU erste Schatten voraus. Mit einer bemerkenswerten Feststellung bedachte der Gast den hiesigen Bundestagsabgeordneten: „Das ist der größte Schlawiner, der in Berlin rumläuft“, meinte Altmaier, „aber dafür schätzen wir ihn“. Zuvor hatte der Minister beschrieben, wie es Kaster gelungen war, ihn nach Trier zu lotsen – obschon er diesem doch direkt klar gemacht habe, dass er am Politischen Aschermittwoch eigentlich seit Jahrzehnten fest im saarländischen Schwalbach gebucht ist. Altmaier pries die Arbeit von Kanzlerin Merkel, vor allem deren Kurs in der Euro-Krise, aber auch in der Arbeitsmarktpolitik. „Noch nie gab es so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie heute“, sagte er. Das war es dann auch schon zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, sieht man von einer Aufzählung einiger Entscheidungen ab: Rentenbeitrag  gesenkt, Praxisgebühr abgeschafft.

Und dann gebe es ja noch Peer Steinbrück: Der Sozialdemokrat habe 2005 alles daran gesetzt, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu verlieren und 2009 maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass seine Partei bei der Bundestagswahl eine Niederlage einfuhr. „Er wird auch alles daran setzen, die dritte Wahl zu verlieren“, höhnte der Redner unter dem Beifall der rund 400 Zuhörer.

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