Wild trieben es die alten Trierer

Wussten Sie, dass der Stadtteilname Quint mit der Entfernung zu Trier zusammenhängt? Und ist Ihnen bekannt, dass das Wort für das Gericht Teerdisch ursprünglich ein textiles Mischgewebe bezeichnete? Wenn es für Sie auch neu ist, das in Trier schon in der Antike Bier gebraut und der Prostitution nachgegangen wurde, dann wird Ihnen das gerade erschienene Buch „Nacktarsch, Viez und Ledertanga“ von Dr. Stefan Barme ein paar amüsante und interessante neue Erkenntnisse liefern. Wer ein bisschen tiefer in die Sprache und Kultur der Stadt Trier und des Mosellandes eintauchen möchte, dem sei dieses kompakte und verständlich geschriebene Büchlein sehr empfohlen.

Dr. Stefan Barme ist Privatdozent für Romanische Sprach- und Kulturwissenschaft – und Lokalpatriot. Im Titel seines im Stephan Moll Verlag veröffentlichten Werkes „Nacktarsch, Viez und Ledertanga“, das ein bisschen so klingt wie eine RTL II-Reportage über die Moselregion, soll zum Ausdruck gebracht werden, was den Leser erwartet: Erklärungen über die Herkunft regionaler Wörter und über die Ess- und Trinkkultur der Trierer und Moselaner sowie das Nachtleben in der römischen Antike. Das Buch, das während einer Busfahrt zwischen Trier und Frankfurt ausgelesen werden kann, ist auch aufgeteilt in einen sprach- und einen kulturwissenschaftlichen Teil – der Übergang ist fließend.

Apropos Frankfurt: Wie die Stadt am Main hat auch Trier seinen Namen seiner Lage an einem Fluss zu verdanken. Die Treveri, der keltische Volksstamm des Trierer Landes, erhielten ihre Bezeichnung, weil sie für Händler, die nach Trier kamen, Waren über die Mosel schafften, indem sie den Fluss an den seichteren Stellen durchquerten. „Der Name Treveri setzt sich nämlich aus keltisch tre- (‚durch‘) und keltisch wer- (‚waten‘) zusammen und bedeutet somit: ‚die den Fluss Durchquerenden‘.“

Auch Straßen-, Stadtteil-, Flussnamen und Weinlagen hat Barme auf ihre Herkunft hin untersucht. So schreibt er über die „Brauneberger Juffer Sonnenuhr“: „Juffer ist die moselfränkische Form von ‚Jungfrau‘, was darauf hindeutet, dass sich dieser Weinberg im Besitz eines Nonnenklosters befand.“ Nüchterner als erwartet ist auch die Erklärung des Sprachforschers, wie der „Kröver Nacktarsch“ zu seinem Namen kam. Es hat jedenfalls nichts mit besagtem Körperteil zu tun.

Bis der Leser bei den kulinarischen Spezialitäten aus dem Moselland und einer neuen Theorie über das Wort „Viez“ angelangt ist, hat er bereits eine brauchbare, leicht verdauliche Einführung in die Sprachgeschichte erhalten – vom Indogermanischen bis zum Moselfränkischen. Ab der Hälfte des Buches verlässt Barme langsam den linguistischen Bereich und arbeitet sich über Getränke- und Essensnamen zur Tischkultur und Trinksitten der Antike vor.

Zuvor überrascht der gebürtige Trierer mit der These, dass sich das Wort „Viez“ nicht wie bisher angenommen vom lateinischen Ausdruck „vice vini“ („Vize“-Wein, Ersatz für Traubenwein) ableite, sondern vom lateinische „potio“, das „Trank, Getränk“ bedeutet. Er begründet dies auch, hat allerdings nur eine einzige Quelle dafür. Die „vice vini“-Erklärung hält er für falsch, „denn das kurze ‚i‘ im lateinischen ‚vice‘ hätte im Moselfränkischen nie ein langes ‚i‘ ergeben, wie wir es in ‚Viez‘ antreffen, sondern vielmehr wäre daraus der Doppellaut ‚ei‘ entstanden.“ Das trifft durchaus auf viele Wörter im Moselfränkischen zu, allerdings nicht im vorliegenden Fall. Schließlich spricht auch der Trierer einen Stellvertreter „Fietse“ [?fi?ts?] und nicht „Feitse“ [?faits?] aus.

Über Teerdisch, die luxemburgische Spezialität mit dem politisch nicht ganz korrekten Namen „Jud mat Gaardebounen“ und den Elbling gelangt Barme zu den Speisen und Getränken der Römer, schließlich waren die ja auch mal in Trier. Er beschreibt, wie sie vor 2000 Jahren aßen, was sie aßen und wie sie es zubereiteten – es gibt sogar vier antike Rezepte, die allerdings nicht alle leicht nachkochbar sind (z.B. gefüllte Haselmäuse).

Vom Alkohol ist es nicht weit bis zum Sex. Anlässlich des Fundes eines Ziegenledertangas aus der Römerzeit in der Walramsneustraße Mitte der 90er Jahre widmet sich der Autor genüsslich dem Thema „Prostitution“, das er mit deftigen, lateinischen Inschriften unter anderem über Sexualpraktiken und die Qualität sexueller Dienstleistungen beschließt. Spätestens in diesem Kapitel dürfte der Leser auf einige überraschende Informationen über Trier stoßen.

Die Lebensfreude unserer Vorfahren kam ihnen offenbar selbst nach den Eroberungen und Verwüstungen im 5. Jahrhundert nicht abhanden. So kritisiert der Priester Salvian, der zu den bedeutendsten Geschichtsschreibern dieses Jahrhunderts gehört, dass die Bewohner der Stadt Trier trotz der Überfälle an ihrem dekadenten Lebenswandel festhalten wollten und vom Kaiser Pferderennen und Schauspiele verlangten. In seinem Hauptwerk „De gubernatione Dei“ lobt er Trier allerdings als „prächtigste Stadt Galliens“, „herausragendste Stadt Galliens“ und „bedeutendste Stadt Galliens“. Mit derlei Zitaten, die einen Lokalpatrioten erfreuen, endet das Buch – etwas abrupt, da Barme auf ein Schlusswort verzichtet hat.

„Nacktarsch, Viez und Ledertanga“ ist ein gelungener, gut verständlicher Abriss über die Sprach- und Kulturgeschichte des „zweiten Roms“ und der Moselregion. Stefan Barme kann auch vielen Trierern noch reichlich Neues erzählen.

Barme, Stefan: Nacktarsch, Viez und Ledertanga. Ausflüge in die Kulturgeschichte des Mosellandes. Kordel, Stephan Moll Verlag. 2012. 148 Seiten. 10 Euro.

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