„Wer hoch springen will, kann auch tief fallen“

Wenn Klaus Jensen zum Bürgerempfang lädt, nutzt er diese Gelegenheit auch zu Elogen auf die Stadt, an deren Spitze er seit sechs Jahren steht. So war es auch am Freitagabend wieder, als Jensen an die rund 300 Gäste appellierte, sich immer wieder bewusst zu machen, „in was für einer wunderbaren Stadt wir eigentlich leben“. Triers Skater fänden die Stadt noch ein wenig wunderbarer, wenn in diesem Jahr endlich die Zukunft des „Projekt X“ in Trier-West geklärt würde. Die Verleihung des Bürgerpreises an Axel Reichertz wird von manchen in der Szene denn auch als eine Art Versprechen gewertet. Ausgezeichnet wurden am Freitag auch die „Initiative Pro Pfalzel“ und der Verein „Autismus Mosel-Eifel-Hunsrück e.V., Regionalverband Trier – Hilfen für Menschen mit Autismus“.

TRIER. Axel Reichertz ist kein Mann großer Worte, Reden schwingen nicht sein Ding. Ob er denn ein besonderes Gespür dafür habe, was Kinder und Jugendliche sich wünschten, wurde er von Moderator Thomas Vatheuer gefragt. Reichertz hätte nun einfach „ja“ sagen können, doch überlegt er einen kurzen Moment und antwortet schließlich, die jungen Menschen wüssten selbst sehr gut, was sie wollten. Auch wäre es ein Leichtes gewesen, Bühne und Auszeichnung dafür zu nutzen, Rat und Stadtvorstand in die Pflicht zu nehmen. Doch Reichertz erliegt nicht dieser Versuchung, stellt keine Forderungen. Eher zurückhaltend geht er auf die Fragen ein und formuliert dann doch einen wahrhaft philosophischen Satz: „Wer hoch springen will, muss auch lernen, tief zu fallen“. Das bezog sich zwar auf möglicherweise vorhandene Ängste vor Stürzen, wie sie zum Skaten dazugehören, doch bescherte der Satz Reichertz einen Zusatz-Applaus.

Wie ihm ist an diesem Abend auch den beiden weiteren Trägern des Bürgerpreises die Anerkennung des Publikums gewiss. Die Preisträger  könnten unterschiedlicher nicht sein, was gleich zu Beginn der Ehrungen deutlich wird. Da betritt Horst Görgen die Bühne. Der Handwerksmeister ist Erster Vorsitzender der „Initiative Pro Pfalzel“, deren Mitglieder mit bislang mehr als 20 Projekten für mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität im Stadtteil gesorgt haben. Hinzu kommt das „Tagesgeschäft“ von Görgen und seinen Mitstreitern. Das reicht von einem Anruf beim Tiefbauamt, dass der Moselradweg schleunigst gereinigt werden müsse, bis zum Schneiden von Bäumen oder der Ermittlung von Winterschäden an den öffentlichen Sitzbänken in Pfalzel. Weil man bekanntlich nicht nur Gutes tun, sondern auch darüber berichten soll, wird die Liste der dokumentierten Aktivitäten auf der Vereins-Homepage immer länger.

Für dieses Engagement brauche es Herzblut und Leidenschaft, erklärte Görgen bei der Preisverleihung. Und einen guten Schuss Lokalpatriotismus und Heimatverbundenheit braucht es auch, weshalb der Vereinsvorsitzende das Selbstbewusstsein der Pfalzeler nicht unerwähnt ließ. Schließlich habe der Ort in früherer Zeit selbst Stadtrechte besessen, so Görgen. Wäre es hierbei geblieben, der Moselort wäre eine Vorstadt von Trier und für den Bürgerpreis hätte man sich im Rathaus nach einem anderen würdigen Preisträger umschauen müssen. An Kandidaten habe es aber ohnehin nicht gemangelt, so Jensen.

Kandidatinnen wie Brigitte Pfeifer-Jung und der Verein „Autismus Mosel-Eifel-Hunsrück e.V., Regionalverband Trier – Hilfen für Menschen mit Autismus“ , der in diesem Jahr ebenfalls ausgezeichnet wurde. 1989 gegründet, setzt sich der Verein für wirksame Maßnahmen für autistische Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein. Als ihr Sohn geboren wurde, hätten selbst viele Ärzte mit der Diagnose Autismus wenig anfangen können, und bis heute sei das Bild dieser Wahrnehmungsstörung vor allem durch den Hollywood-Streifen „Rain Man“ geprägt, berichtet Brigitte Pfeifer-Jung. Zwar ist Autismus für Außenstehende nicht sofort erkennbar, doch seien die Betroffenen im Alltag oft „schwerst eingeschränkt“; und für die Angehörigen, allen voran die Mütter und auch Väter von Autisten, die Belastungen enorm. „Irgendwann geht es über unsere Kräfte“, so Pfeifer-Jung, deren Verein nun eine Wohngruppe für Erwachsene mit Autismus plant. Auf der Suche nach einer Immobilie sei man in Olewig fündig geworden, berichtete sie, zum 1. Januar wolle man dort einziehen. Doch hierfür sei die Unterstützung von Stadt und Landkreis nötig.

Und vielleicht auch die vom Land und der ehemaligen Gesundheitsministerin, warf Moderator Thomas Vatheuer mit Blick auf Malu Dreyer ein. Die Mainzer Regierungschefin fungierte an diesem Abend als First Lady Triers, und weil es inzwischen zu einem Running Gag zu geraten droht, wenn der Oberbürgermeister die für ihn persönlich und auch protokollarisch bedeutsamste Frau des Landes begrüßt, setzte Klaus Jensen am Freitag noch eins drauf: „Wir sind stolz, dass die Ministerpräsidentin des Landes aus dieser Stadt kommt“, erklärte der OB und erntete Applaus, derweil dem Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster (CDU) zupass kam, dass er just in diesem Moment seine Nase schneuzen musste. Jensen bekam derweil noch die Kurve und erinnerte an den im vergangenen Jahr verstorbenen Carl-Ludwig Wagner (CDU), der von 1988 bis 1991 an der Landesspitze stand. Nach so langer Zeit sei es überfällig gewesen, dass wieder jemand aus der „heimlichen Hauptstadt“ von Rheinland-Pfalz in die Staatskanzlei einziehe.

Wo doch Trier ein so attraktives Pflaster sei, wie auch Gästebefragungen belegten. Laut Jensen schätzten die Besucher nicht nur die Lage der Stadt im Grünen, sondern auch die Internationalität. Und 80 Prozent der Befragten hätten geäußert, in Trier sei „richtig was los“. Zumindest vor Einbruch der Dunkelheit, denn in punkto Nachtleben kam  Trier demnach auf einen Wert von lediglich 2,4, derweil die Gesamtnote laut Jensen bei beachtlichen 1,4 lag. Weil aber auch der OB weiß, dass es immer noch Luft nach oben gibt und es der Stadt nicht an Baustellen mangelt, schaltete der Stadtchef plötzlich ganz präsidial in den Gauck-Modus um: Gleich mehrfach mahnte er zu einer sachlichen und fairen Auseinandersetzung bei Streitfragen, „die Gemeinsamkeiten sind stärker als das Trennende“.  Ob Jensens Appell ankam? 2014 stehen Kommunal- und OB-Wahlen an, ziemlich wahrscheinlich, dass es mit den Gemeinsamkeiten dann erst einmal ein Ende haben wird.

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