„Wenn es eine Stadt schaffen kann, dann Trier“

ECEDiskussionJensenWilhelmusIn der Aula des Humboldt-Gymnasiums sind am Dienstagabend die Hauptprotagonisten der ECE-Debatte aufeinander getroffen. Befürworter des Projekts wurden nicht gesichtet, sieht man einmal von Gerd Wilhelmus ab. Der eloquente ECE-Manager hatte erwartungsgemäß einen schweren Stand, doch auch Klaus Jensen gelang es kaum, seine Position in der Diskussion zu vermitteln. „Wir sind beim Punkt Null“, versicherte der OB, woraufhin ihm entgegengehalten wurde, dass dies weniger sein Verdienst, sondern das des Stadtrats sei. Die Einzelhändler Michael Müller und Gerd Guillaume waren erkennbar bemüht, nicht als Konkurrenz-Bremsen dazustehen, Raumplaner Muschwitz punktete bei den ECE-Gegnern mit dem Appell, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. Ein Ergebnis des Abends könnte auch sein, dass der Veranstaltungsort HGT-Aula vorerst ausgedient hat.

TRIER. Nancy Poser mag Shoppingcenter – auch weil diese in der Regel barrierefrei seien und alles unter einem Dach böten, wie sie sagt. Die Vorsitzende des Trierer Behindertenbeirats würde die Veranstaltung in der Aula des Humboldt-Gymnasiums deshalb gerne besuchen, gemeinsam mit weiteren Mitstreitern, die allesamt auf den Rollstuhl angewiesen sind. Doch zum Ort des Geschehens auf der ersten Etage des HGT werden sie nicht gelangen. Ein Fahrstuhl? Fehlanzeige! Dafür aber eine behindertengerechte Toilette – im ersten Geschoss. Der Fahrstuhl war bei einem größeren Umbau der Schule dem Rotstift zum Opfer gefallen. Über diesen Irrsinn hatte 2003 auch der Trierische Volksfreund berichtet, „Endstation Treppenhaus“ titelte das Blatt damals.

„Endstation Treppenhaus“ steht auch auf einem Banner, das Poser gemeinsam mit anderen hochhält. Am Treppenaufgang zur Aula haben sie sich postiert, äußern so gemeinsam ihren Unmut darüber, dass ausgerechnet besagter TV als Veranstalter nicht daran dachte, dass die Aula für Rollstuhlfahrer schier unerreichbar ist. Man habe die Redaktion sofort darauf aufmerksam gemacht, erklärt Poser gegenüber 16vor. Aus ihrer Sicht wäre noch Zeit gewesen, einen anderen Veranstaltungsort zu suchen und diesen auch rechtzeitig bekannt zu machen. Dass dies nicht geschehen ist, dafür hat sie kein Verständnis.

„Ich schäme mich“, räumt Moderator Dieter Lintz gleich zum Auftakt der Diskussionsrunde unumwunden ein. Man habe auf die Schnelle keinen anderen Raum für 250 Menschen organisieren können, berichtete der Redakteur, der gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Schmitz die Moderation innehat. Also organisierte man einen Tragedienst des Club Aktiv. Doch die Betroffenen hätten es „aus durchaus nachvollziehbaren Gründen“ abgelehnt, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen. Vielleicht wird dies ein Ergebnis dieses Abends sein – dass sich vorerst kein Veranstalter mehr traut, in die HGT-Aula einzuladen; oder aber dass die Stadt nun rasch prüft, ob und wie sich ein Fahrstuhl nachträglich installieren lässt.

ECEDiskussionPoserWie geht es weiter mit der Einkaufsstadt Trier?, lautete die Frage, die im Mittelpunkt des Forums stehen sollte. Wie geht es weiter mit den Plänen von ECE, in Trier möglicherweise zwei Einkaufscenter zu errichten?, lautete die Frage, welche wohl die meisten der etwa 200 Besucher beschäftigte, und die auch im Mittelpunkt der Diskussionsrunde stand. Nach der ersten Runde auf dem Podium wurde ein PR-Streifen gezeigt. Der bot ECE Gelegenheit, einiger seiner „Erfolgsprojekte“ zu präsentieren, wobei die Wirkung von PR ja bekanntlich meist schon dann verpufft, wenn allen Beteiligten klar ist, dass es sich eben um PR handelt. Bemerkenswert war der kurze Film dennoch – weil er einen ganzen Reigen von Oberbürgermeistern und Dezernenten auffuhr, die allesamt ihre Begeisterung über die Zusammenarbeit mit den Hamburgern kundtaten. Es folgten also eine CDU-Bürgermeisterin aus Karlsruhe und die sozialdemokratischen Stadtchefs von Saarbrücken, Kaiserslautern und Koblenz. Während man sich in den Reihen der Grünen schon in der Einschätzung bestätigt fühlte, dass vor allem Genossen mit ECE-Managern gut können, erschien die grüne Planungsdezernentin von Aachen auf der Leinwand und schwärmte von dem „sehr soliden“ und „sehr erfahrenen“ Projektentwickler aus Hamburg.

Der wollte schon vor mehr als einem Jahrzehnt in Trier aktiv werden, wie 16vor bereits vor Wochen berichtete und Wilhelmus nun wieder bestätigte. Wäre es nach ihm und seinem Unternehmen gegangen, dann hätte ECE die Trier-Galerie errichtet und bei der Gelegenheit auch gleich noch die alte Hauptpost mit einbezogen. Damals kam man nicht zum Zug. Die Galerie steht, Triers Einzelhandelszentralität sank – wenn auch von einem sehr hohen auf ein im Bundesvergleich immer noch überdurchschnittliches Niveau. „Unser Interesse an Trier hat jedenfalls nicht nachgelassen“, erklärte Gerd Wilhelmus. Gerade das Gebiet am Viehmarkt sei eines, das städtebaulich weiterentwickelt werden müsse, ist der ECE-Manager überzeugt; von einem neuen Tor des Südens zur Innenstadt sprach er. Natürlich sei das für ECE nicht der „primäre Impuls“, sich für Trier zu interessieren, konterte Wilhelmus eine entsprechende Zwischenfrage des Moderators. Aber es lasse sich doch nicht leugnen, dass der Viehmarkt, obschon doch innerhalb des Alleenrings gelegen, von der Innenstadt „eigentlich ein wenig abgehängt ist“.

OB Klaus Jensen versuchte unterdessen eine Gratwanderung. Zwar verteidigte der Stadtchef das Vorhaben, mit der ECE eine exklusive Entwicklungsvereinbarung abschließen zu wollen, zugleich machte er aber deutlich, dass Verwaltung und Rat das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben wollten. Der Prozess sei absolut ergebnisoffen, wiederholte der OB eine Zusicherung, die er seit Beginn der Debatte bei jeder sich bietenden Gelegenheit abgibt. Jensen wehrte sich zudem gegen den Vorwurf, er fahre einen Zickzack-Kurs. Er habe von Beginn an deutlich gemacht, dass er seine Unterschrift von einem positiven Votum des Stadtrats abhängig machen werde, und deshalb gehe er nun auch auf den erhöhten Beratungsbedarf der Gremien ein. „Die Zeit nehmen wir uns“. Nichts sei beschlossen und es werde in Trier garantiert keinen „Ayersrock des Einzelhandels“ geben, wie ihn ECE etwa in Ludwigshafen mit der Rhein-Galerie errichtet habe.

Die Chemiestadt ist ohnehin nicht mit Trier zu vergleichen, die Ausgangslage eine völlig andere. Und wenn es denn eines gab, worin sich am Dienstagabend alle Diskutanten einig waren, dann in der Einschätzung von Triers Qualitäten. Die Moselstadt habe mit ihrem Flair als alte Römerstadt etwas zu bieten, was ein Center gar nicht ersetzen könne, meinte auch Wilhelmus. Geht es nach Ex-Einzelhandelsverbandschef Michael Müller und City-Initiativen-Vorstand Gerd Guillaume, dann besinnt sich Trier auf dieses Alleinstellungsmerkmal. Wobei gerade Müller auch dem Eindruck entgegentrat, man sei in der ECE-Debatte vor allem als Konkurrenzverhinderer unterwegs. „Wir haben überhaupt kein Problem mit dieser Firma“, erklärte der Unternehmer, man störe sich vielmehr daran, dass ECE „schon in einer Phase in die Stadtentwicklung mit eingebunden wird, wo wir noch nicht wissen, wo wir hinwollen“.

ECEDiskussionMuschwitzMüllerDabei schloss Müller nicht einmal aus, dass die Hamburger in Trier Gutes tun könnten. Wenn sich denn im Bereich der Simeonstraße etwas tue und eine Lösung für die beiden bestehenden Warenhäuser benötigt werde, biete sich dort doch ausreichend Entwicklungspotenzial. Schließlich böten Kaufhof und Karstadt „nicht gerade die schönste Front“, so Müller, „und man könnte die hässliche Trevirispassage vernichten“. Ob sein Unternehmen denn auch bereit sei, sich auf diesen Bereich zu beschränken, fragte Müller sodann an die Adresse Wilhelmus gerichtet. Der sagt nicht „ja“ und nicht „nein“, machte aber deutlich, dass ECE beide Optionen prüfen wolle. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass beide Standorte untersucht werden“, erklärte Jensen für den Stadtvorstand. Es seien schließlich viele Fragen noch nicht geklärt, und „wir würden uns einer Riesenchance im Prüfverfahren berauben“, wenn sich die Untersuchungen nur auf ein Areal konzentrierten, ist der OB überzeugt.

Für den Raumplaner Dr. Christian Muschwitz ist indes klar: „Center haben das Potenzial, die Innenstadt massiv zu schädigen“. Trier habe sich seine hohe Einzelhandelszentralität ohne Shoppingcenter erarbeitet, und manche Städte wie Freiburg hätten sich bewusst dafür entschieden, ohne zusätzliche Malls auszukommen. Muschwitz forderte einmal mehr ein in der gesamten Region und gemeinsam mit Luxemburg abgestimmtes Einzelhandelskonzept, auch um „Idiotenrennen“ um Investoren zu verhindern. Zugleich zeigte er sich überzeugt: „Wenn es eine Stadt ohne Center schaffen kann, dann ist es Trier“. Da war der Applaus im Saal groß, doch dass sich auch ohne ECE einiges tun müsste, damit die Stadt den verschärften Wettbewerb mit den umliegenden Mittelzentren und vor allem mit dem benachbarten Luxemburg, das in Sachen Shoppingpassagen massiv aufrüstet, bestehen kann, ist auch den Trierer Einzelhandelsvertretern klar.

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