„Da muss eine Linie rein!“

Es war ein Novum in der jüngeren Stadtgeschichte, und es ging gründlich schief: Im Herbst 2009 vereinbarten SPD, Grüne und FDP eine formelle Zusammenarbeit, „Bündnis für Trier“ nannte sich die Rathaus-Koalition, die im Frühjahr 2011 bereits Geschichte war. Nun wollen die Grünen im Rat einen neuerlichen Anlauf wagen. Auf einer Mitgliederversammlung beschloss die Partei am Donnerstagabend, nach der Kommunalwahl den demokratisch gesinnten Kräften im Rat Gespräche über die Bildung eines neuen Bündnisses anzubieten. Ob sie mit ihrem Ansinnen Erfolg haben wird, scheint ungewiss. Gegen eine schwarz-grüne Liaison sprächen zwei wichtige Personalien. Vor allem aber dürfte angesichts von noch mehr Fraktionen im künftigen Stadtrat eine Mehrheitsbildung ohnehin schwieriger denn je werden. Bei den anderen Parteien reagiert man eher reserviert auf den Vorstoß der Grünen, wie eine Umfrage von 16vor ergab. Allerdings wollen bislang lediglich die Freien Wähler ein Bündnis kategorisch ausschließen.

TRIER. Als Anja Reinermann-Matatko, parteiloses Mitglied der Grünen-Fraktion, vergangene Woche in einem offenen Brief der Baudezernentin vorwarf, sie lasse es gegenüber Mitarbeitern und Ratsmitgliedern am nötigen Respekt missen, blieben Solidaritätsbekundungen für Simone Kaes-Torchiani gänzlich aus. Auch in den eigenen Reihen, sprich in der CDU, sah sich niemand veranlasst, der Unionsfrau beizuspringen. Ähnlich erging es indes auch deren Kollegin Angelika Birk. Als 16vor im Dezember über personelle Turbulenzen im Sozialdezernat berichtete, wartete man vergeblich auf eine öffentliche Reaktion ihrer Partei; beredtes Schweigen bei den Grünen, bei denen sich heute kaum mehr jemand mehr vorstellen mag, dass man die ehemalige Landesministerin eigentlich schon als Kandidatin für das OB-Amt auserkoren hatte.

Dass die Unterstützung der „eigenen“ Fraktionen ausblieb, sagt einiges über das Standing der beiden Frauen in ihren jeweiligen Lagern aus. Wenn am Sonntag ein neuer Stadtvorstand gewählt würde, bräuchten weder Birk noch Kaes-Torchiani anzutreten – beide Parteien, so viel scheint gewiss, würden sie nicht mehr aufstellen. Bei der Union hat man ohnehin einige Übung darin, um ihre Bestätigung im Amt kämpfende Dezernenten fallen zu lassen. So war es zuletzt bei Dr. Norbert Neuhaus und Christiane Horsch, und auch Ulrich Holkenbrink stand am Ende allein auf weiter Flur. Einzig Georg Bernarding wollte die CDU unbedingt halten. So zumindest kolportieren es immer wieder Grüne, die nach der Kommunalwahl mit dem einstigen politischen Gegner Nummer Eins über ein Bündnis verhandelten. Dass es 2009 nicht zu Schwarz-Grün kam, habe maßgeblich daran gelegen, dass die Union den Bürgermeister um beinahe jeden Preis in eine weitere Amtszeit habe retten wollen. So kam es zur „Ampel“, Bernarding wurde abgewählt, Birk kam ins Amt. Seither sind die Grünen erstmals im Stadtvorstand vertreten und damit indirekt mitverantwortlich für das, was in der Verwaltung geschieht; wie die Partei seit 2011 auch in Mainz Verantwortung trägt. Die Ausgangslage für 2014 lässt sich somit kaum mehr mit jener von 2004 oder 2009 vergleichen. Für die Trierer Grünen ist nichts mehr so, wie es einmal war – als Oppositionspartei werden sie dieses Mal nicht die Kommunalwahl ziehen können.

Da scheint es nur konsequent, dass man Teil einer Rathaus-Mehrheit werden möchte. Bei nur zwei Enthaltungen beschlossen die Grünen am Donnerstagabend, es nach der Kommunalwahl wieder mit dem Schmieden eines Bündnisses versuchen zu wollen – so sich denn eine rechnerische Möglichkeit hierzu biete, wie es in dem Positionspapier heißt. Einiges spricht dafür, dass viel gerechnet werden muss nach dem Wahltag im Mai. Denn nicht nur auf den Fluren des Rathauses geht man inzwischen davon aus, dass neben CDU, SPD, Grünen, FWG, FDP und Linken auch Piratenpartei sowie Alternative für Deutschland Chancen haben, in den Rat einzuziehen. Die AfD könnte davon profitieren, dass am selben Tag die Europawahlen stattfinden. Auch ein Wiedereinzug der rechtsextremen NPD scheint nicht ausgeschlossen; erst recht, wenn die Wahlbeteiligung dieses Mal ähnlich verheerend ausfallen sollte wie bei den vorangegangenen Kommunalwahlen. Sollten am Ende aber tatsächlich Vertreter von acht oder gar neun politischen Gruppierungen am Augustinerhof Platz nehmen, werden klare Mehrheiten schwieriger denn je zu finden sein.

Bei den Grünen ist die Neigung dennoch groß, im Sommer 2014 einen neuerlichen Bündnisvertrag zu schließen. Der von 2009 sei einer „mit grüner Handschrift“ gewesen, so Ratsmitglied Reiner Marz. Auf die FDP würde er dieses Mal aber nicht wetten. Der ehemalige Landtagsabgeordnete spricht sich klar für ein Bündnis aus: Der Rat fasse absurde Beschlüsse. „da muss eine Linie rein“, verlangt Marz. Bei den Grünen zeige sich, dass sie ein anderes Verständnis von Verlässlichkeit haben, meint Bürgermeisterin Birk. „Die moralische Enttäuschung ist heftiger als bei den älteren Parteien“. Sie teile die Einschätzung, dass die programmatische Nähe zur SPD höher sei, aber wie die handelnden Personen dann agierten, hänge nicht nur vom Programm ab, gibt die Bürgermeisterin zu bedenken. Andere Grüne wie Ratsmitglied Richard Leuckefeld wollen sich alle Optionen offen halten: Nur so könne man einen eigenständigen Wahlkampf führen. Denn wenn man sich auf die SPD festlege, reduziere man sich auf einen Juniorpartner der Genossen, warnt Leuckefeld. Sein Parteifreund Rainer Landele fordert ebenfalls, ohne Festlegung in den Wahlkampf zu ziehen: Man solle einfach nach den Wahlen schauen, wie die Verhältnisse seien. Die Grünen dürften zudem keinen Oppostionswahlkampf führen, schließlich habe man eine hohe Gestaltungspflicht, so Landele. Die programmatische Distanz zu den anderen Parteien sei zwar unterschiedlich groß, aber entscheiden werde sich eine mögliche Zusammenarbeit daran, was die Parteien bereit seien, mit den Grünen umzusetzen, gibt Vorstandssprecher Wolf Buchmann die Marschroute vor.

Bei den anderen Parteien reagiert man noch verhalten auf die Überlegungen bei den Grünen. Mit Koalitionsaussagen in die Wahl ziehen möchte keine der schon im Rat vertretenen Gruppierungen.  „Als SPD haben wir in der nun endenden Wahlperiode sowohl die Vorzüge von festen als auch die von wechselnden Mehrheiten kennengelernt. Entscheidend ist für uns, was können wir im Sinne einer sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung erreichen“, so Fraktionschef Sven Teuber, und weiter: „Das Ziel bestimmt daher den Weg, um dieses zu erreichen“. Letzen Endes sei es aber ohnehin am Wähler zu entscheiden, „wie sie sich die Gestaltung ihrer Stadt vorstellen und für welche politischen Ansätze sie Mehrheiten schaffen“. Alles andere, so Teuber, sei „aktuell zweitrangig.“ Sein Kollege von der Union will ein Bündnis ebenfalls nicht kategorisch ausschließen: „Für uns als CDU stehen nicht Koalitionen, sondern das Wohl der Stadt Trier und ihrer Bürger an erster Stelle“, erklärt Dr. Ulrich Dempfle auf Anfrage. Man sei in der Vergangenheit immer „ohne Absprachen zu einer Koalition in die Kommunalwahlen gegangen, und so werden wir auch dieses Mal verfahren“, kündigt der CDU-Spitzenkandidat an. Unabhängig davon sei es aber „dann natürlich nach der Wahl unsere Pflicht, mit allen demokratischen, im Stadtrat vertretenen Parteien zu sprechen – ob über langfristige Projekte oder in einzelnen Sachfragen mit wechselnden Mehrheiten.“

Die FWG-Fraktion bietet „allen demokratischen Kräften im Trierer Rat ihre Mitarbeit an“, so Christiane Probst. Um eine möglichst breite Mehrheit in Sachfragen zu finden, sei „ein konstruktives Miteinander und eine gute Zusammenarbeit unerlässlich“. Allerdings betont Probst auch: „Die Unabhängigkeit unserer Ratsmitglieder bei Beschlüssen des Stadtrates lässt ein formales Bündnis der FWG mit Bündnis 90/Die Grünen – wie im übrigen auch mit allen anderen Parteien – aufgrund eines daraus indirekt resultierenden Fraktionszwangs bei wichtigen Entscheidungen des Rates nicht zu.“ Dass Grüne und FWG ausreichend Schnittmengen für eine Zusammenarbeit finden könnten, liegt ohnehin jenseits des Vorstellbaren. Aber auch eine Neuauflage eines Bündnisses, an dem Grünen und FDP beteiligt wären, scheint nach Lage der Dinge schier unmöglich. „Generell stehen wir Gesprächen mit allen demokratischen Parteien natürlich offen gegenüber. Klar ist aber auch, dass nach den Erfahrungen der vergangenen Legislatur die Grünen sicher nicht unsere ersten Ansprechpartner in einer solchen Frage wären“, sagt FDP-Kreischef Tobias Schneider. Der Freidemokrat sagt auch, dass er das Ziel, eine Koalition zu bilden, „natürlich interessant“ findet, jedoch muss auch deutlich gesagt werden, dass es auf der kommunalen Ebene durchaus auch gute Argumente für wechselnde Mehrheiten gibt“.

Die Linke „versteht in erster Linie die EinwohnerInnen der Stadt Trier als ihren Koalitionspartner“, so Katrin Werner und Marc-Bernhard Gleißner.“Wenn sich eine soziale Politik in einem Bündnis der demokratischen Fraktionen umsetzen lässt, werden wir uns der Verantwortung stellen“, erklären die beiden Linken-Kreischefs. Schon 2009 sei man bereit gewesen, politische Verantwortung zu tragen. „Dieses Gesprächsangebot unsererseits wurden von den anderen Fraktion nur spärlich wahrgenommen“, so Werner. Dennoch werde man auch 2014 „offen für eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen sein, denn eine langfristige politische Planung zur Erreichung politischer Ziele sehen wir als sinnvoll an und dies gehört zum politischen Alltag.“

Marcus Stölb und Johann Zajaczkowski

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