„Von grundsätzlicher Bedeutung“

Vor gut zwei Jahren flog der Kreisvorsitzende der NPD aus dem Trierer Stadtrat. Seither ist der Sitz der rechtsextremistischen Partei im Großen Rathaussaal verwaist. Nun befasst sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Rauswurf. Die Leipziger Richter gaben kürzlich einer Beschwerde von Safet Babic statt und ließen die Revision gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts zu. Gut möglich, dass sich das Verfahren über die im Mai kommenden Jahres anstehende Kommunalwahl hinaus hinziehen wird. Doch auch dann wäre der Fall Babic wohl noch nicht erledigt. Denn wie auch immer das Gericht am Ende entscheiden wird – eine neuerliche Kandidatur für den Stadtrat bliebe davon unberührt. So kündigt die NPD denn auch an, 2014 wieder antreten zu wollen. Ob ihr ein weiteres Mal der Einzug in den Ratssaal gelingt, wird dann nicht zuletzt von der Wahlbeteiligung abhängen.

TRIER. Vor wenigen Tagen starb in Rom Erich Priebke. Bis zu seinem Tod stand der Kriegsverbrecher in der italienischen Hauptstadt unter Hausarrest. Als der frühere SS-Mann, der im März 1944 an der Erschießung von mindestens 335 Zivilisten beteiligt war, im Juli 100 Jahre alt wurde, nahm die örtliche NPD dies zum Anlass, eine Versammlung anzumelden und „Freiheit für Priebke“ zu fordern. Eine Solidaritätskundgebung zu Ehren eines Kriegsverbrechers, der nie auch nur einen Anflug von Reue erkennen ließ – spätestens jetzt musste auch dem letzten Trierer klar sein, welcher Gesinnung Safet Babic und seine Kameraden anhängen.

Dass die rechtsextremistische Partei mit unschöner Regelmäßigkeit auf Plätzen und Straßen der Moselstadt in Erscheinung tritt, daran wird sich vorerst wohl wenig ändern. Man werde die „außerparlamentarische Präsenz fortsetzen“, kündigt der NPD-Kreischef in einer Mitteilung an und lässt zugleich wissen, dass seine Partei „den kommunalen Wahlantritt für den 25. Mai“ vorbereite. Eine Ansage, die nicht wirklich überraschend kommt. Dass die Rechten 2014 wieder antreten würden, war in und außerhalb des Rathauses ohnehin erwartet worden. Dass man sich mit dem im September 2011 erfolgten Rauswurf des wegen schwerer Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Mannes lediglich Zeit verschafft hatte, zeichnete sich frühzeitig ab; und bis dato kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass Babic‘ seinerzeit sofort vollzogener Ausschluss aus dem Stadtrat nicht doch noch von einem Gericht kassiert wird.

Seit Jahren beschäftigt der Mann Polizei und Gerichte. Im Dezember 2010 wurde er vom Landgericht Trier zu besagter Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Als dieses Urteil Rechtskraft hatte, schloss der Stadtrat ihn auf Basis einer Bestimmung der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung aus. Demnach kann ein Ratsmitglied dann ausgeschlossen werden, wenn es nach seiner Wahl rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt worden ist und durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Nach seinem Rauswurf bemühte der Rechtsextremist das Trierer Verwaltungsgericht ebenso wie den Verfassungsgerichtshof, und auch das Oberverwaltungsgericht urteilte. In allen Fällen zog die NPD den Kürzeren. Im März diesen Jahres befanden die Koblenzer OVG-Richter, der Ausschluss sei „unter Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens erfolgt“. Babic habe „als Mittäter zusammen mit anderen Personen einen politischen Gegner nicht unerheblich körperlich verletzt“ und somit „grundlegende Anforderungen an die politische Auseinandersetzung im demokratischen Rechtsstaat auf eklatante Weise missachtet und zugleich das Ansehen des Stadtrates in besonders starkem Maße beschädigt“. Zur Bestimmung der Gemeindeordnung, welche den Ausschluss ermöglichte, erklärte das OVG im März, dass gegen diese Vorschrift „keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“ bestünden. Eine Revision gegen das Urteil ließ das Oberverwaltungsgericht nicht zu.

Gegen diese Nichtzulassung einer Revision rief die NPD die nächste Instanz an und legte beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein. Ein halbes Jahr später gaben die Leipziger Richter dieser Beschwerde nun statt und ließen eine Revision zu. Zur Begründung heißt es: „Der Rechtssache kommt die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (…). Im Revisionsverfahren wird voraussichtlich zu klären sein, ob es die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Wahlrechtsgrundsätze der Unmittelbarkeit, der Allgemeinheit und/oder der Gleichheit der Wahl verbieten, dass eine Vorschrift des Landeskommunalrechts die Gemeindevertretung ermächtigt, einem gewählten Mitglied der Gemeindevertretung, das straffällig geworden ist, durch Mehrheitsbeschluss nach seinem Ermessen das Mandat zu entziehen.“ Damit kommt nun die Regelung als solches auf höchstrichterlichen Prüfstand. Dass in der Sache noch vor der nächsten Kommunalwahl entschieden wird, steht nicht zu erwarten – den Beteiligten läuft schlicht die Zeit davon. Ob Leipzig die Regelung der Gemeindeordnung kippt oder bestätigt, scheint völlig offen.

Die NPD spekuliert ohnehin schon auf den nächsten Wahltermin und hofft darauf, dann erneut den Sprung in den Trierer Stadtrat zu schaffen. Ausgeschlossen ist das nicht, und sehr viel dürfte von der Wahlbeteiligung abhängen. Als Babic kürzlich als Direktkandidat der Rechten für den Bundestag kandidierte, gaben 489 Trierer ihm seine Erststimme. Das waren zwar lediglich 0,9 Prozent und obendrein 0,3 Prozentpunkte weniger, als die Rechten in ganz Rheinland-Pfalz bei den Erststimmen verbuchten. Aber es waren auch ein paar Stimmen mehr, als Babic bei der Bundestagswahl 2009 in Trier erhalten hatte, und angesichts der bei Kommunalwahlen erfahrungsgemäß deutlich geringeren Wahlbeteiligung würde es ihm wohl reichen, um noch einmal in den Rat zu kommen. Es sei denn, den demokratischen Parteien und Vereinen gelingt es, ausreichend Wähler zu mobilisieren.

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