„Von der Stadt kommt keine Unterstützung“

Blockiert die Stadt in Zewen ein millionenschweres Bauvorhaben? Nicht nur die Eigentümer eines rund 7.000 Quadratmeter großen Areals haben diesen Eindruck gewonnen, auch die „Interessengemeinschaft BZ 12“ und eine Mehrheit des Ortsbeirats fühlt sich vom Wirtschaftsdezernenten und der Baudezernentin ausgebremst. Anlass für die Auseinandersetzung ist der Wunsch, ein Gewerbe- in ein Mischgebiet umzuwidmen und so die rechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnbebauung zu schaffen. Im Rathaus lehnt man dies ab und wirft den Eigentümern indirekt vor, sich nicht ausreichend um die Vermarktung ihrer Liegenschaft gekümmert zu haben. Die verweisen auf 70 potenzielle Interessenten, die allesamt nicht zu einer Investition bereit gewesen seien – wegen der ungünstigen Topographie und der unzureichenden verkehrlichen Erschließung. Während man sich seit Jahren bemühe, neue Perspektiven für das Gewerbegebiet zu entwickeln, lasse die Stadt jegliche Unterstützung vermissen und habe bis heute nicht einen Lösungsvorschlag präsentiert.  

ZEWEN. Eingestürzte Dächer, zerstörte Fenster, Schutt füllt das Inneres des maroden Gemäuers. Der ehemalige Gewerbebetrieb an einem Hanggrundstück in der Wasserbilliger Straße gäbe eine optimale Kulisse ab – für einen Film über die Nachkriegszeit. Das Trümmergrundstück im Eingangsbereich eines Ortsteils ist ein Ärgernis und stößt nicht nur vielen Zewenern übel auf.

Auch Rainer und Peter Friedrich sähen es lieber heute als morgen, dass sich auf dem Areal etwas tut. Im Auftrag ihrer Mutter, der Grundstückseigentümerin, kümmern sich die beiden Brüder um eine Nutzung der Brache. Bis Mitte der 90er wurden in dem Betrieb, an den heute nur noch die Ruine erinnert, Natur- und Kunststeine sowie Marmor und Platten verarbeitet. Nachdem die Friedrichs auch nach Jahren keinen Käufer fanden, entwickelten sie einen alternativen Plan: Betreutes Mehrgenerationenwohnen soll auf dem Grundstück einziehen, eine Anlage mit barrierefreien Domizilen sowie Arztpraxen schwebt ihnen vor; auch ein Café und eine Kita zählen zum Konzept. Würde dieses realisiert, dann profitiere der ganze Stadtteil, ist Architekt Rainer Friedrich überzeugt. Schließlich würden auch in Zewen die Menschen älter. Mit der neuen Anlage schaffe man ein Angebot, dass es Alteingesessenen ermögliche, vor Ort wohnen zu bleiben, wenn sie Betreuung benötigten. Das Problem der Friedrichs: Ihr Grundstück liegt im Gewerbegebiet „BZ 12“, die Genehmigung eines Wohnprojekts ist nicht zulässig. Seit Jahren versuchen die Brüder deshalb, die Stadt zu einer Umwidmung in ein Mischgebiet zu bewegen.

Termin vor Ort, in der Wasserbilliger Straße 69: Fast die komplette „Interessengemeinschaft BZ 12“, der sämtliche Grundstückseigentümer angehören, ist gekommen; außerdem Vertreter des Ortsbeirats, darunter Stadtteilchef  Helmut Mertesdorf (CDU). Nicht nur die Außentemperaturen sind an diesem Aprilmorgen frostig, auch die Stimmung tendiert nahe Null – wenn das Gespräch auf die Stadtverwaltung kommt. Dann verhehlt auch Mertesdorf sein Unverständnis nicht – Unverständnis darüber, dass man im Rathaus keinerlei Bewegung zeigt. Eine klare Mehrheit des Ortsbeirats unterstütze das Anliegen der „IG BZ 12“, so Mertesdorf, es müsse etwas geschehen. Zustimmendes Nicken in der Runde, auch von Emil Welsch, der gemeinsam mit seiner Frau Elvira gekommen ist. Ihr Grundstück grenzt an das der Friedrichs, Gewerbe wird auch hier nicht mehr betrieben. Stattdessen dienen Hallen und Außengelände als Lager und Abstellfläche für Wohnwagen.

Wer die Hintergründe nicht kennt, käme ohnehin nicht auf die Idee, sich in einem reinen Gewerbegebiet zu befinden. Zwischen Hallen und Brachen findet sich eine Handvoll Wohnhäuser, einst gebaut für Firmeninhaber und Aufsichtspersonen. Doch neben dem Friedrich-Grundstück ragt ein neun Wohneinheiten zählender Bau heraus – „das Hochhaus“, wie ein Mitglied der IG über das gerade mal dreigeschossige Gebäude spöttelt. Es sei doch klar, dass für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass sich doch noch ein Gewerbe auf dem Gelände seiner Mutter ansiedeln würde, Konflikte programmiert seien, sagt Peter Friedrich. Solche absehbaren Konflikte seien bekanntlich nicht verkaufsfördernd, was ihm schon in mehreren Gesprächen mit Interessenten bedeutet worden sei.

Nachfrage im Rathaus: Weshalb wurde das Mehrfamilienhaus seinerzeit genehmigt? Antwort: Weil der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans erst im Dezember 1997 erfolgte, die Genehmigung für das Gebäude aber bereits im Dezember 1995. Dass der gesamte Bereich seit 1982 im Flächennutzungsplan als „gewerbliche Baufläche“ ausgewiesen war, reichte als Hindernis für eine Baugenehmigung nicht aus. Am Ende musste es der berühmte Paragraph 34 Baugesetzbuch richten: Der besagt, dass im sogenannten ungeplanten Innenbereich ein Vorhaben dann zulässig ist, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist“. Darüber, ob sich das Gebäude in die Umgebung einfügt, ließe sich trefflich streiten – genehmigt wurde es.

Der Baudezernentin wird man das nicht vorwerfen können, Simone Kaes-Torchiani kam erst 2007 ins Amt. Doch der Vorgang macht ihre Haltung und die ihres Stadtvorstandskollegen Thomas Egger zumindest angreifbar. Die Unionsfrau und der Freidemokrat lehnen eine Umwidmung in ein Mischgebiet kategorisch ab, wie sie auf Anfrage mitteilten. Man habe den Sachverhalt „intensiv beraten“, betonen die Spitzen von Bau- und Wirtschaftsdezernat und verweisen auf den 2001 vom Stadtrat beschlossenen Bebauungsplan, der für den gesamten Bereich südöstlich der Wasserbilliger Straße ein Gewerbegebiet ausweise – „mit besonderen Regelungen für die bereits hier in untergeordnetem Umfang bestehende Wohnbebauung“. Eine weitere Wohnnutzung würde nach Darstellung der Stadt „den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen“. Im Rathaus argumentiert man auch mit der „Knappheit an Gewerbeflächen“ im Stadtgebiet, die Wasserbilliger Straße dient somit auch als Flächenreserve.

Bei den Friedrichs und den weiteren Grundstückseigentümern sowie Ortsvorsteher Mertesdorf ist derweil von Blockadehaltung die Rede. Ein IG-Mitglied mutmaßt gar, der Familienname der Eigentümer des Grundstücks Nummer 69 werde diesen zum Verhängnis. In der Tat ist man bei der Kombination von „Platten“ und „Friedrich“ rasch bei „Platten-Friedrich“ – und damit auf den ersten Blick auch bei einem der größten Immobilienbesitzer der Stadt. Mit diesem liegt die Stadt seit Jahren über Kreuz; etwa weil Johannes Friedrich, Inhaber des „Altstadthotels“ sowie des Hotels „Römischer Kaiser“ es war, der vor Gericht die Kultur- und Tourismusförderabgabe zu Fall brachte. Die fast einem Jahrzehnt klaffende Baulücke im Süden der Paulinstraße geht ebenso auf das Konto der Familie Friedrich, wie das vor sich hin gammelnde ehemalige Central-Hotel in der Sichelstraße. Allerdings handelt es sich bei den Brüdern, die das Zewener Grundstück entwickeln wollen, zwar um Verwandtschaft von Johannes Friedrich, mit den besagten Immobilien in Paulin- und Sichelstraße haben sie jedoch ebenso wenig zu tun, wie mit dem Kultur-Euro.

Nachfrage bei der Stadt: Wie man denn die Vermarktungschancen der Flächen in der Wasserbilliger Straße einschätze? Für diese ließen sich sicherlich weitere gewerbliche Nutzer finden, heißt es aus dem Wirtschaftsdezernat; schließlich sei die äußere Erschließung des Geländes über die Wasserbilliger Straße mit kurzer Anbindung an die Bundesstraße B 49 „hervorragend, vor allem auch in Bezug auf die mögliche Anbindung und Orientierung nach Luxemburg.“ Eine erfolgreiche Vermarktung setze „aber in jedem Fall eine Eigeninitiative der Eigentümer voraus. Insbesondere wenn die Eigentümer bereit sind in Vorleistungen zu treten, und mit einem Projektentwickler die gewerbliche Vermarktung aktiv betreiben“. Eine Ansage, die bei den Friedrichs schlecht ankommen dürfte: Mehr als 70 potenzielle Interessenten habe man seit 1996 angesprochen, 15 hätten sich vor Ort ein Bild gemacht; zuletzt sei 2012 der Vertreter einer Naturkostladenkette in Zewen gewesen. Alle hätten abgewunken und als Gründe in erster Linie die „unzulängliche Verkehrsanbindung für einen Gewerbebetrieb“ und die angrenzenden Wohnungen ins Feld geführt. „Unabhängig von unseren Aktivitäten haben sich die Verhältnisse auf dem Areal aber doch derart grundlegend verändert, dass die „tätsächliche von der vorgesehenen Nutzung“ der Flächen inzwischen „weit entfernt“ sei, ist Rainer Friedrich überzeugt; somit sei auch „die Verwirklichung der Zweckbestimmung des Bebauungsplans auf lange Sicht ausgeschlossen und in seiner Wirkung funktionslos“.

Auf die Frage, was die städtische Wirtschaftsförderung unternommen hat, um Investoren  für die Gewerbeflächen in der Wasserbilliger Straße zu finden, heißt es, dass man „in zahlreichen Gesprächen“ mit Investoren auf die Liegenschaften hingewiesen habe. Ob diese dann mit den Eigentümern Kontakt aufnahmen, „entzieht sich unserer Kenntnis“, ergänzt das Wirtschaftsdezernat und betont: „Tatsache ist aber, das wir als Stadt Trier diese Fläche nicht selbst entwickeln, sondern allenfalls die Eigentümer hierbei unterstützen können“. Rainer Friedrich sagt, dass ihm und seinem Bruder von der Stadt in all den Jahren nicht ein potenzieller Interessent genannt worden sei – „sonst wären wir doch proaktiv auf den zugegangen“. Vor zwei Jahren habe man mit Egger und Kaes-Torchiani das Anliegen einer Umwidmung erörtert, die Stadt habe bei der Gelegenheit Unterstützung bei der Vermarktung des Geländes zugesichert. Rainer Friedrich: „Bis heute haben wir von einer Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung nichts gesehen, nichts gehört und auch nichts gemerkt“. Ihn und die Interessengemeinschaft verärgere vor allem, dass vonseiten der Verwaltung bis heute nicht ein Lösungsvorschlag gekommen sei, wie sich das Areal weiterentwickeln lasse, beklagt er.

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