Viel Holz für „Enercase“

In den Trierer Caritas-Werkstätten werden Menschen mit psychischen Erkrankungen für ihren Einsatz auf dem Arbeitsmarkt aus- und weitergebildet. Das Angebot umfasst neben einem Berufsbildungszweig Arbeitsplätze in acht Bereichen, von Gartenbau, über Küche bis hin zu Holz. Letzterer ist nicht nur einer der ältesten Fertigungszweige der Werkstätten, mit dem Projekt „Enercase“ des Studierendenwerks Trier stemmt der Holzbereich unter der Leitung von Schreinermeister Hans-Dieter Hamm derzeit auch sein bisher größtes Projekt. Das neue Studentenwohnheim mit seinen 72 Zimmern soll ab dem Herbst auf dem Campus entstehen. Es ist nicht das erste Mal, dass Studierendenwerk und Caritas-Werkstätten miteinander kooperieren.

TRIER. Der Geruch von frisch geschnittenem Holz liegt über dem Hinterhof der Caritas-Werkstätten in der Diedenhofener Straße. Hinter der großen grünen Schiebetür des Holzwerks werden bereits seit dem frühen Morgen fleißig Holzplatten zugeschnitten, geschliffen, gestanzt und gebohrt. Gekonnt und mit größter Präzision bedient Thorsten Wintricht die Kreissäge. „Um Plattenzuschnitte kümmere ich mich erst seit kurzem. Das Arbeiten mit der Säge habe ich neu gelernt“, erzählt der junge Mann. „Bisher habe ich meist mit dem Druckluftnagler gearbeitet.“ Zusammen mit 23 seiner Kollegen aus der Holzverarbeitungsgruppe, arbeitet Wintricht seit wenigen Wochen an den Möbeln für das neue Studentenwohnheim „Enercase“, das ab kommendem Herbst auf Campus I der Universität errichtet wird. Die komplette Innenmöblierung des Wohnheims samt rollbarem Schreibtisch, Schränken und einem mit Regalen unterbauten Hochbett wird in den Caritas-Werkstätten gefertigt. Ein Musterzimmer steht bereits seit Dezember 2012.

Hans-Dieter Hamm ist Gruppenleiter des Holzbereichs. Er führt seine Zöglinge in neue Arbeitsgebiete ein und schaut ihnen dann regelmäßig über die Schulter, damit am Ende auch alles perfekt sitzt. „Unsere Mitarbeiter haben keine bestimmte Ausbildung. Sie werden bei diesem Projekt in Gebiete neu eingeführt. Das ist sehr wichtig, denn so lernen sie den kompletten Produktionsablauf vom Rohmaterial zum fertigen Produkt“, erzählt der Schreinermeister. Seit 1977 betreut der Caritasverband Trier psychisch beeinträchtigte Menschen. Aus der dortigen Beschäftigungs- und Arbeitstherapie heraus, entstanden Anfang der 1980er die Caritas-Werkstätten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Menschen mit Beeinträchtigung in das Arbeitsleben einzugliedern. Mit nur sieben Beschäftigten waren die Werkstätten anfangs noch recht überschaubar.

Doch der Zulauf wurde über die Jahre immer größer, sodass neben einer Außenstelle in Hermeskeil 1995 auch ein komplett neuer Gebäudekomplex in der Diedenhofener Straße eingeweiht wurde. Gearbeitet wird in verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen, neben praktischen Kenntnissen, auch theoretische Grundlagen vermittelt werden. Um die Aus- und Weiterbildung nicht nur auf den geschützten Raum der Werkstätten zu begrenzen, stehen den Mitarbeitern im Rahmen des Wiedereingliederungsprozesses zusätzlich Praktika und Außenarbeitsplätze zur Verfügung. Eine Reihe von Unternehmen und Einrichtungen, darunter auch das Studierendenwerk, beteiligen sich aktiv an der Integrationsarbeit der Werkstätten und bieten Beschäftigten regelmäßig die Möglichkeit, Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt zu sammeln, zum Beispiel in den Mensen der Hochschulen.

Dennis Schmitz ist seit zwei Jahren Mitglied der Werkstätten. Die Großküche begeistert ihn weniger. Dafür hat er den Rohstoff Holz für sich entdeckt. So steht er nun regelmäßig neben Wintricht an der Säge und unterstützt ihn bei den Zuschnitten der Platten. Wie sein Kollege hat auch er bisher hauptsächlich Erfahrung im Umgang mit dem Druckluftnagler gesammelt. „Im Moment lerne ich viele neue Maschinen und Arbeitsschritte kennen. Das macht mir besonders viel Spaß. Diesen orangefarbenen Rahmen an der Schranktür habe ich zum Beispiel selbst angesetzt“, sagt Schmitz stolz. Neben Orange wird es die 72, teils barrierefreien Zimmer des neuen Wohnheims in zwei weiteren Farben geben. Wenn alles glatt läuft, wird der zweiteilige Gebäudekomplex bereits im September 2014 bezugsfertig sein. Dem Bau vorausgegangen ist ein europaweit ausgeschriebener Architekturwettbewerb, den das Dachauer Architektenbüro Deffner Voitländer (DV Architekten) unter 100 Bewerbern schließlich für sich entscheiden konnte. Aufgabe war es, unter dem Motto „leben, lesen, lachen“ 72 hoch energieeffiziente und 20 Quadratmeter große Wohneinheiten für Studierende zu entwerfen. Und das alles zu einem konventionellen Preis. Laut Andreas Wagner, Geschäftsführer des Studierendenwerks, belaufen sich die Kosten des Gesamtprojektes auf rund 4 Millionen Euro. Davon entfallen für die komplette Innenmöblierung 300.000 Euro, wobei das Land Rheinland-Pfalz für die Einrichtung 200.000 Euro zuschießt.

Wolfgang Braun, Geschäftsführer der Caritas-Werkstätten, freut sich über den neuen Auftrag und lobt die gute Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk: „Viele Beschäftigte in unseren Werkstätten haben schon eine Reihe Misserfolge einstecken müssen. Ein solch großes Projekt soll ihr Selbstbewusstsein stärken und sie weiter ermutigen.“ Die Kooperation zwischen dem Studierendenwerk und der Behinderteneinrichtung besteht bereits seit neun Jahren. Während dieser Zeit wurden nicht nur Teile der Wohnheim-Außenanlagen liebevoll von Werkstatt-Mitarbeitern gestaltet. Im Rahmen des Projektes „Solar sozial“ entstanden in Zusammenarbeit mit dem Solarverein Trier auch die hängenden Sonnenkollektoren an der Wohnanlage Petrisberg auf Campus II. Wenn der Holzbereich nicht gerade für das neue Großprojekt werkelt, dann stellen Wintricht, Schmitz und ihre Kollegen hauptsächlich Verpackungs- und Transportkisten, Gestelle und Paletten her. Ein wichtiger Zweig ist außerdem die Herstellung von Reviereinrichtungen, wie beispielsweise Hochstühlen oder Ansitzleitern. „Die Arbeit mit Holz macht einfach riesigen Spaß“, erzählt Wintricht. „Es ist sehr abwechslungsreich und ich lerne mit jedem Projekt neue Arbeitsbereiche kennen.“

Am Ende des Arbeitstages verstummt das schrille Geräusch der Säge. Die beiden Männer räumen noch kurz auf, kehren das Sägemehl zusammen und schalten dann das Licht im Holzwerk aus. Sofort auf den Heimweg machen sie sich danach nur selten. Stattdessen schauen sie noch im Haupthaus, bei einer der zahlreichen Arbeitsgemeinschaften vorbei. Neben verschiedenen Sportangeboten gibt es zum Beispiel einen Chor und eine Theatergruppe. Margret Moravec ist die Vorsitzende des Werkstattrats. Gemeinsam mit drei weiteren Mitgliedern bildet sie die Vertretung der Beschäftigten. Damit neben der Arbeit auch die Gemeinschaft gefördert wird, hat sie mit ihrem Team ein attraktives Freizeit-Programm erarbeitet. Auch für Kritik oder Probleme jeglicher Art ist das Gremium eine Anlaufstelle. „Natürlich wird in unseren Sitzungen auch oft hitzig diskutiert. Über faire Lohnbewertungen zum Beispiel“, erzählt Moravec.

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