Unschlagbar günstig unterwegs

Die mehr als 19.000 Studierenden der beiden Trierer Hochschulen wissen es zu schätzen, und nur einige wenige von ihnen würden es am liebsten wieder abschaffen – das Semesterticket. Vor 20 Jahren beschloss der Stadtrat, das Angebot einzuführen. Damit war der Weg frei für das Solidarprinzip im Nahverkehr. Stadtwerke und Studierendenwerk zeigen sich zufrieden mit der Resonanz auf das Ticket, dessen Reichweite nach Meinung mancher Nutzer aber noch ausgeweitet werden sollte. Bei den Stadtwerken schließt man eine Erhöhung der Kapazitäten nicht aus. Schon heute verkehren an Vorlesungstagen 600 Busse zwischen Tarforster Höhe und Talstadt.

TRIER. In Trier dauert manches länger, viele Entwicklungen kommen – wenn überhaupt – erst mit erheblicher Verspätung in der Moselstadt an, lautet ein Klischee, das sich mit einigen Beispielen untermauern ließe. Vor zwei Jahrzehnten jedoch zählten die hiesigen Kommunalpolitiker zu den Vorreitern: Im Februar 1992 beschloss der Stadtrat die Einführung eines Semestertickets. Dass es so kam, daran hatte ein Mann besonderen Anteil: der frühere und inzwischen verstorbene Stadtwerke-Chef Hans-Peter Spruck. Spruck war damals bereits in führender Position bei den SWT, obendrein amtierte er in Personalunion als Verwaltungsratschef des Studierendenwerks. Eine glückliche Fügung, die manches erleichterte und mit dafür sorgte, dass Trier als eine der ersten Städte Deutschlands ein Semesterticket bekam.

Andreas Wagner war 1992 erst kurze Zeit bei den Stadtwerken, und weil er seit nunmehr acht Jahren Geschäftsführer des Trierer Studierendenwerks ist, hat er die Entwicklung des Semestertickets lückenlos miterlebt. Im Gespräch mit 16vor betont Wagner vorab, dass er an der Einführung des Angebots nicht beteiligt gewesen sei – zumindest nicht entscheidend. Weil er in den 90ern aber für das Marketing der Stadtwerke zuständig war, half er mit, das Semesterticket zu etablieren. Zwar musste auch gleich zu Beginn jeder immatrikulierte Student mit seinem Semesterbeitrag einen Betrag für den Nahverkehr zahlen. Doch wollte man Busse und Bahnen nutzen, musste zunächst noch eine Marke erworben werden. Diese wurde auf den Studentenausweis, der damals noch aus Papier war, aufgeklebt. Eine Übung, die einige der angehenden Akademiker offenbar überforderte. Wagner machte sich auf zum Campus und half mit erklärenden Plakaten nach: „So klebt die Marke richtig“.

„So klebt die Marke richtig“

Längst hat die Tunika den alten Studentenausweis abgelöst, und eine Extra-Marke muss niemand mehr erwerben. Die 19.200 Studierenden von Fachhochschule und Universität bekommen das Semesterticket quasi automatisch – ob sie wollen oder nicht. Dafür leisten sie pro Halbjahr einen Beitrag von 105 Euro. „Da sich die Finanzierung auf die Solidargemeinschaft aller Studierenden verteilt, ist der einzelne Beitragsanteil im Vergleich zu einer normalen Fahrkarte unschlagbar günstig“, lobt das Studierendenwerk auf seiner Homepage. Dem lässt sich kaum widersprechen, zumal, wenn man den Geltungsbereich berücksichtigt: So berechtigt das Ticket zur Fahrt in allen Bussen innerhalb des Verkehrsverbunds Region Trier (VRT), der den gesamten alten Regierungsbezirk umfasst; und im Nahverkehr der Bahn können Züge bis Koblenz, Saarbrücken und nach Perl an der deutsch-französischen Grenze genutzt werden. Bis vor einigen Jahren galt das Semesterticket noch in den Intercity-Zügen zwischen Trier und Koblenz. Auch bis zur deutsch-luxemburgischen Grenze reicht der Geltungsbereich. Geht es nach Wagner, dann erlaubt das Semesterticket bald auch Zugfahrten bis nach Luxemburg-Stadt. Diese Forderung ist nicht neu, doch scheint auf luxemburgischer Seite nun Bewegung in die Sache zu kommen. Zumindest gebe es entsprechende Signale, äußert sich Wagner verhalten optimistisch.

Auch Göran Glauer könnte einer solchen Ausweitung einiges abgewinnen. Der Student war drei Jahre lang Mobilitätsreferent des jeweiligen AStA an der Universität, im Sommer letzten Jahres konnten die Studierendenvertreter einen veritablen Erfolg ihrer Arbeit verbuchen: Die Stadtwerke übernahmen die Finanzierung des Nachtbusses, für den die Fahrgäste zuvor noch jeweils einen Euro Zuschlag zahlen mussten, und der den AStA jährlich rund 16.500 Euro kostete. „Das Semesterticket wird angenommen“, weiß Glauer aus Gesprächen, doch vereinzelt gebe es auch Kritik, berichtet er: beispielsweise an überfüllten Zügen. Glauer glaubt auch, dass nicht wenige Kommilitonen eine Ausweitung des Geltungsbereichs wünschen, etwa bis in die Pfalz. Nachfrage an der Bushaltestelle Treviris-Passage: Sie finde das Semesterticket eine gute Sache, sagt eine Studentin, aber es dürfe ruhig in ganz Rheinland-Pfalz gelten, regt sie an. Wohin sie denn müsse? „Nach Nordrhein-Westfalen“, antwortet die junge Frau. Ob sie denn auch bereit wäre, im Gegenzug für eine Ausweitung des Geltungsbereichs einen zusätzlichen Obolus zu zahlen? „Da könnte man drüber nachdenken“. Manchen geht schon das jetzige Angebot entschieden zu weit: Vereinzelt gebe es Rückmeldungen, dass das Semesterticket abgeschafft gehöre, berichten Glauer und Wagner. Die Kritik kommt von Hochschülern, die das Angebot nicht nutzen – weil sie zu Fuß zur Uni kommen oder für die Fahrt zu Triers Hochschulen das Auto nutzen. Dass sie dennoch für die Finanzierung des Nahverkehrs zahlen müssen, leuchtet ihnen nicht ein.

Mehr als 40.000 Fahrgäste wöchentlich

Wie es auf Triers Talstraßen durch Olewig und Kürenz aussähe, gäbe es das Semesterticket nicht, mag man sich kaum vorstellen. Frank Birkhäuer, bei den Stadtwerken zuständiger Mann für die Verkehrsbetriebe, ist überzeugt, dass sich das Angebot bewährt hat: „Wir erreichen so einen sehr hohen Modal-Split unter den Studierenden. Damit werden wir dem Auftrag gerecht, möglichst viele Fahrten in Trier vom motorisierten Individualverkehr auf den Öffentlichen Verkehr zu verlagern, um die Infrastruktur und die Umwelt zu entlasten“. Aktuell nutzten wöchentlich im Schnitt rund 40.000 studentische Fahrgäste die Busse der Stadtwerke. „Diese Zahl ist in den vergangenen drei Jahren um etwa 15 Prozent gestiegen“, beziffert Birkhäuer, der zugleich feststellt: „Die Studierenden liefern aufgrund der Lage der Universität und der sich gut ergänzenden Nachfrageströme zwischen Tarforster Plateau und Innenstadt einen erheblichen Beitrag zur Kostendeckung“.

Allerdings deckten sie nicht die Kosten für das Angebot, weil der Erlös pro Fahrt aufgrund des günstigen Pauschalpreises deutlich geringer als bei frei verkauften Fahrausweisen sei. Das „exklusive Angebot“ funktioniere deshalb nur in Kombination mit dem regulären Ticketverkauf aus den Höhenstadtteilen. Insgesamt werden an Vorlesungstagen 600 Fahrten zwischen Talstadt und Höhenstadtteilen angeboten, wobei das Gros auf die Linien 3 und 13 über Kürenz entfällt. Birkhäuer will nicht ausschließen, dass bei einem weiteren Wachstum der Studierendenzahl die Kapazitäten zu den Spitzenzeiten ab dem nächsten Wintersemester ausgebaut werden. Allerdings hänge das von den dann verfügbaren Finanzen ab.

Wie begehrt das Semesterticket ist, zeigt sich auch daran, dass manche Studierende nach dem Abschluss in andere Studiengänge einschreiben, um das Angebot weiter nutzen zu können. Diesem Mitnahmeeffekt setzten in den vergangenen Jahren die Langzeitstudiengebühren gewissen Grenzen. Inzwischen wurden diese aber abgeschafft, weshalb nun einige versucht sein könnten, das Solidarmodell länger in Anspruch zu nehmen. Wagner weiß von diesem Phänomen, und auch Birkhäuer ist es bekannt. Allerdings erklärt der der Verkehrsbetriebschef gegenüber 16vor: „Derzeit sehen wir keinen wirtschaftlich signifikanten Missbrauch“.

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