„Sonst ist der Zug abgefahren“

Gemessen an Deutschlands gefühltem Vizekanzler ist Bernhard Kaster in Berlin ein Newcomer. Als Wolfgang Schäuble erstmals in den damals in Bonn residierenden Bundestag gewählt wurde, ging der Trierer noch zur Schule. „Wenn ihr’s noch mal ertragt, dann bin ich bereit“, erklärte der Bundesfinanzminister und ließ sich für 2013 wieder als Direktkandidat im Wahlkreis Offenburg aufstellen – mit 95,5 Prozent Zustimmung. Ähnlich gut schnitt am Mittwochabend Kaster ab, für den in Konz 86 von 92 Christdemokraten stimmten. Ein klares Votum für den 55-Jährigen, der SPD und Grünen vorwarf, sich an der Region zu „versündigen“. Von einer Ministerpräsidentin Dreyer erhofft er sich wenig, und dass OB Jensen in Sachen Ausbau der Wehrtechnischen Dienststelle wenig Begeisterung an den Tag gelegt habe, sei „schon sehr bezeichnend“.

TRIER/BERLIN. Die beste Sendezeit war es nicht, aber es war auch kein dankbares Thema, zu dem sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion äußern sollte: Als die DFB-Elf kürzlich gegen Schweden ein historisch zu nennendes Spiel bestritt, strahlte der Dokumentationskanal Phoenix seine allabendliche Runde aus. Um Nebeneinkünfte von Abgeordneten drehte sich die Diskussion, Kaster saß Thomas Oppermann gegenüber, dem in dieser Wahlperiode wohl am häufigsten abgefilmten Sozialdemokraten Deutschlands. Dem Trierer begegnet man im Fernsehen eher selten, doch lässt er sich von Oppermanns ebenso souverän wie süffisant gesetzten Sticheleien nicht verunsichern. Sachlich kontert Kaster die Anwürfe, auch wenn er an der Wahrnehmung, dass sich seine Partei samt Liberalen beim Thema Nebeneinkünfte selbst in die Defensive gebracht haben, wenig ändern kann.

Am Mittwochabend kommt der Bundestagsabgeordnete erneut auf dieses Thema zu sprechen. Er frage sich, ob es nicht wichtigere Themen in diesem Land gebe, leitet er ein, um dann mit einem Scherz die Kurve zu kriegen: „Meine Rede heute Abend ist kostenlos“, sagt Kaster, genießt das Gelächter und setzt dann hinzu: „aber hoffentlich nicht umsonst“. Kaster gibt seinen Rechenschaftsbericht ab und kommt zunächst auf die Berliner Politik zu sprechen. Dass die schwarz-gelbe Koalition von Beginn an ein wenig stimmiges Bild abgab, weiß auch Kaster. Er ist schließlich nah genug dran an Geschehen und Akteuren. Gegenüber seinen Wahlkreisdelegierten verhehlt er nicht das Problem der Außendarstellung – „zur Politik gehört auch Verpackung“, gerade hier habe man manches versäumt, räumt er ein.

Doch Kaster verteidigt auch die Bilanz der Regierung Merkel/Rösler. Die Eckdaten könnten sich sehen lassen. So habe der Finanzminister nun erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Haushalt vorgelegt, der im Ansatz niedriger ausfalle als der des Vorjahres – „das hat es noch nie gegeben“. Er verweist auf die im europäischen Vergleich niedrige Jugendarbeitslosigkeit – „und da müssen wir nicht nach Spanien schauen, da reicht auch Frankreich mit seinen 20 Prozent“. Überhaupt sei die Beschäftigungssituation hierzulande erfreulich: „Wo standen wir denn 2005? Damals hatten wir 5 Millionen Arbeitslose“, erinnert er an das Ende von Rot-Grün unter Gerhard Schröder. Dass die Einkommen in der Region Trier nach wie vor unter dem bundesweiten Durchschnitt liegen, die ostdeutschen Länder inbegriffen, sei jedoch ein Phänomen, das man im Blick behalten müsse.

Kaster kritisiert OB Jensen wegen verhaltener Reaktion

Am 17. Oktober jährte sich die konstituierende Sitzung des 2002 gewählten Bundestags. „Fast vergessen“ habe er sein „Firmenjubiläum“, postete der Christdemokrat an jenem Tag abends auf Facebook. „Mehr aus Quatsch“ habe er das gemacht, ein „Jux“ sei der Post gewesen. Zehn Jahre ist er nun dabei, wirbt für sich als „Unsere Stimme in Berlin“. Kaster scheint omnipräsent, im Sommer tingelte er in seinem Wahlkreis von einem Fest zum nächsten. Bei manchen Gelegenheiten traf er auch auf Katarina Barley von der SPD. Die will sich morgen in Kordel als Direktkandidatin ihrer Partei aufstellen lassen und wird so zur gefährlichsten Mitbewerberin. Kaster erwähnte Barley am Mittwoch mit keinem Wort und setzte sich auch sonst nicht mit der Schweicherin auseinander. Anders verfuhr er bei der künftigen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin: Malu Dreyer habe beim Thema Infrastruktur der Region bis dato „noch keine Akzente“ gesetzt, und er erwarte auch nicht, dass der Aufstieg der Sozialdemokratin zur Regierungschefin daran etwas ändern werde. Als Kurt Beck Ende September bekannt gab, dass eine Triererin in die Staatskanzlei einziehen soll, kommentierte das mit beredtem Schweigen – soweit ging sein Lokalpatriotismus dann doch nicht. Anders als beispielsweise bei Reinhard Marx, dem ehemaligen Trierer Bischof, dessen Ernennung zum Kardinal den Bundestagsabgeordneten seinerzeit zu einer Glückwunsch-Pressemitteilung veranlasste.

Einmal mehr setzte sich der Bundestagsabgeordnete in Karthaus als Kümmerer mit besten Verbindungen zu den wirklich Wichtigen in Szene. So wenn er berichtete, wie ihn am Abend des 21. Dezember nach 22 Uhr Peter Ramsauer auf dem Handy anrief, um ihm zuzusagen, dass die Finanzierung der Ortsumgehung Konz-Koenen steht. Erneut erinnerte Kaster auch an seinen Einsatz für die Stärkung der Trierer Bundespolizei und dankte dem Verteidigungsminister dafür, dass die Wehrtechnische Dienststelle (WTD 41) auf dem Grüneberg ausgebaut werden soll. Bei diesem Punkt sei es „sehr bezeichnend“ gewesen, „mit welcher Zurückhaltung der Trierer Oberbürgermeister auf diese Nachricht reagiert hat“. Einen Dank gab es auch für Norbert Röttgen, von dem manche in der Union inzwischen so tun, als hätten sie ihn nie gekannt. Dem vormaligen Bundesumweltminister sei es zu verdanken, dass die zunächst geplante strikte Einführung der Wertstofftone durch eine Öffnungsklausel gelockert wurde – sehr zum Wohlgefallen der regional A.R.T., die an ihrer Form der Abfalltrennung festhalten konnte.

Die kniffligste Personalie kommt noch

„Da gelingt nicht alles“, bemerkte Kaster mit Blick auf seine Abgeordnetentätigkeit, womit Themen wie die erneuten Verzögerungen beim Ausbau der Moselschleusen ebenso abgehandelt waren, wie die bislang vergeblichen Mühen, Trier besser an den Fernverkehr der Bahn anzuschließen. Von allen Akteuren verlangte er, dass in Sachen Verkehrsinfrastruktur endlich Prioritäten gesetzt werden müssten. Zu diesen zählt Kaster nach wie vor den Moselaufstieg und die Nordumfahrung. Die Frage, woher das Geld für solche Projekte kommen soll, sei nebensächlich: „Darum geht es jetzt nicht“, redete sich der Christdemokrat in Rage. Aktuell komme es darauf an, diese Projekte in den Bundesverkehrswegeplan 2025 hinein zu bekommen – „sonst ist der Zug abgefahren“. Die frühere rot-grüne Bundesregierung habe sich bei diesem Thema ebenso „an der Region versündigt“, wie die amtierende Mainzer Koalition.  Mit solchen Attacken traf der gelernte Verwaltungsmann den Nerv seiner Anhänger, und auch Deutschland-Achter-Olympiasieger Richard Schmidt klatschte anerkennend. Schmidt war Ehrengast der Wahlkreiskonferenz. Kaster habe ihn angerufen und da habe er zugesagt, erklärte er gegenüber 16vor. Nein, Mitglied der CDU sei er nicht, stellt er klar, doch hege er Sympathien für die Partei. Und die möchte offenbar ein wenig von dem Sympathieträger profitieren.

Kasters Wahl zum Direktkandidaten geriet zur reinen Formsache. Einen Gegenkandidaten gab es nicht, eine Aussprache über seinen Rechenschaftsbericht wurde nicht gewünscht. „Du hast richtig gute Arbeit geleistet“, attestierte CDU-Landeschefin Julia Klöckner per Videobotschaft ihrem Parteifreund, „der Volker Kauder will nicht auf dich verzichten“. Und der Trier-Saarburger CDU-Kreisvorsitzende Arnold Schmitt gab die Messlatte vor: Es gelte, den Erfolg von 2009 zu wiederholen. Damals kam Kaster auf 45,7 Prozent der Erststimmen. Die Wahlkreisdelegierten seiner Partei schickten ihn nun mit 93,5 Prozent ins Rennen. Damit ist auch klar: Der örtliche CDU-Chef sieht seine Zukunft weiterhin in Berlin. Die Mainzer Bühne bietet für ihn kaum Perspektiven, zumal erst 2016 wieder Landtagswahlen sind. Die mutmaßlich kniffligste Personalie muss Kaster spätestens bis zur Jahreswende 2013/2014 gelöst haben: Wer bewirbt sich für die CDU um das Amt des Trierer Oberbürgermeisters? Sollte er antreten und Erfolg haben, wären die Christdemokraten im Wahlkreis ihren Abgeordneten los. Würde er  verlieren, könnte er weiterhin in Berlin Politik machen. Beide Optionen bergen Risiken.

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