Trierer Bischof wirft erstmals Priester raus

Im katholischen Kirchenrecht ist es die Höchststrafe, für die Opfer ist es das Mindeste, was sie erwarten durften: Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat in dieser Woche erstmals einen Priester aus dem Klerikerstand entlassen. Der Geistliche soll in den Jahren zwischen 1966 und 1980 mindestens fünf Jungen missbraucht haben, zwei von ihnen auch über einen längeren Zeitraum. Strafrechtlich war der Mann nicht mehr zu belangen, da die Taten verjährt sind. Kirchenrechtlich zog Ackermann nun alle Register – bis der Vatikan ihn dazu aufforderte, das Entlassungsdekret auszufertigen. Bei dem Geistlichen im Ruhestand handelt es sich um einen Theologen, der zuletzt außerhalb des Bistums wirkte und Autor zahlreicher Bücher ist.

TRIER. „Wer Arme, Witwen, Fremde, Frauen, Schwache und Kleine ausbeutet, unterdrückt, versklavt, lädt schwere Schuld und Sünde auf sich und wird sich im Gottesgericht zu verantworten haben“. Ein Satz unter vielen, stammte er nicht von jenem Mann, der über Jahre hinweg mehrere Jungen sexuell missbraucht haben soll und dennoch in der katholischen Kirche Karriere machen konnte. Der renommierte Theologe hatte auch im Bistum Trier eine leitende Aufgabe inne, nachdem er zuvor in Stuttgart an der Spitze eines bedeutenden Vereins gewirkt hatte. Selbst dem Papst ist der emeritierte Professor ein Begriff – als römischer Kurienkardinal soll Joseph Ratzinger ein Geleitwort zu dessen Habilitation verfasst haben.

Vor zwei Jahren sorgte der Fall des Missbrauchspriesters bundesweit für Aufsehen, unter anderem berichtete die Stuttgarter Zeitung ausführlich über die Hintergründe. Zuvor, nach eigener Darstellung im Frühjahr 2010, hatte das Bistum Trier erstmals Kenntnis von den Vorwürfen gegen den Priester erlangt. Entsprechend der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz sei den Anschuldigungen nachgegangen und eine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet worden. Nach deren Abschluss habe man dann die Glaubenskongregation in Rom über die Ergebnisse informiert, teilte das Bistum am Freitag mit. Die Glaubenskongregation prüfte die Unterlagen und wies den Fall an das Bistum zurück – allerdings mit der Maßgabe, auf Basis des kirchlichen Gesetzbuchs ein so genanntes außergerichtliches Strafverfahren auf dem Verwaltungsweg durchzuführen. Nach Abschluss dieses Verfahrens schlug Ackermann, der bekanntlich auch Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist, der Glaubenskongregation vor, den Priester aus dem Klerikerstand zu entlassen. Rom gab grünes Licht und beauftragte den Trierer Bischof, das Entlassungsdekret auszufertigen. Das geschah am vergangenen Dienstag. Dass das Bistum erst heute an die Öffentlichkeit ging, begründete Ackermanns Sprecher damit, dass der Bischof zunächst die Opfer und auch den Täter habe informieren wollen.

Gegen die Entscheidung kann der Priester innerhalb einer Frist von 60 Tagen Rekurs bei der Glaubenskongregation einlegen, das hätte dann aufschiebende Wirkung. Dass sich der Vatikan von einem solchen Rekurs beeindrucken lassen würde, gilt indes als nahezu ausgeschlossen. Denn Rom war in das Verfahren eingebunden und müsste dann zurückrudern. Die Entlassung aus dem Klerikerstand sei das höchste Strafmaß, welche das Kirchenrecht vorsehe, unterstreicht man derweil hinterm Dom noch einmal die Bedeutung des Vorgangs. Der Priester verliere damit sämtliche Rechte, die mit seinem Priesteramt verbunden seien. Es sei überhaupt das erste Mal „in der jüngsten Geschichte des Bistums Trier, dass diese Strafe gegen einen Priester ausgesprochen wird, der sich des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen schuldig gemacht hat“, teilte die Bischöfliche Pressestelle weiter mit.

Ackermann hat die Opfer des Priesters über diese Entscheidung informiert. In einem Schreiben bringt er „sein Bedauern für das Leid zum Ausdruck, das die Opfer durch den Priester erfahren mussten“. Zugleich bittet der Bischof um Entschuldigung „für das, was ein Priester unseres Bistums getan hat, wohl wissend, dass damit nicht ungeschehen gemacht werden kann, was Ihnen widerfahren ist.“ Insgesamt sind im Bistum Trier seit Februar 2010 16 kirchenrechtliche Voruntersuchungen eingeleitet worden. Es ist aber das erste Verfahren, das mit einem Rauswurf aus dem Klerikerstand endet. Priester wird der Täter bis an sein Lebensende bleiben. Einmal geweiht, kann ihm dieser Status nicht mehr genommen werden.

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