„Trier spielt in einer Liga mit Hannover“

ForumMittelrhein2klein„Trier zieht an“, steht als Slogan auf einer der Power-Point-Folien des „Einzelhandelskonzeptes Trier 2025+“. Das darf man doppelt wörtlich nehmen, sind es doch vor allem Bekleidungsgeschäfte, die Heerscharen von Shopping-Touristen aus dem Umland in die Moselstadt locken. 2011 wurden von den 190 hier ansässigen und in diesem Segment tätigen Betrieben rund 240 Millionen Euro umgesetzt. Ein Großteil der Kundschaft kommt bekanntlich aus dem Großherzogtum. Etwa 28 Prozent der fast 550 Millionen Euro, die jährlich von Menschen aus der Region in Trierer Geschäften ausgegeben werden, stammen aus dem Nachbarland. Doch dort rüstet man seit Jahren auf, weshalb der Kölner CIMA-Experte Michael Karutz warnt: „Ein Liebesentzug der Luxemburger in Richtung Trier hätte radikale Folgen“. Der Geograph wie auch Dr. Johannes Weinand vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik halten zusätzliche Einzelhandelsflächen grundsätzlich für notwendig, doch auch an einer städtebaulichen Aufwertung der City führe kein Weg vorbei. Wann diese kommen und wie die Aufwertung konkret aussehen wird, scheint aber weiterhin unklar.

TRIER. Michael Karutz kommt viel herum im Land. Der Diplom-Geograph arbeitet für die CIMA GmbH, ein Unternehmen, das von sich selbst behauptet, „das Kompetenzzentrum für Stadt- und Regionalentwicklung und für Marketing im öffentlichen Sektor im gesamten deutschsprachigen Raum“ zu sein. Am Dienstag weilte Karutz in Trier, gemeinsam mit OB Klaus Jensen (SPD), Wirtschaftsdezernent Thomas Egger (parteilos) und Professor h.c. Dr. Johannes Weinand präsentierte er die Grundzüge der Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts. „Trier spielt in einer Liga mit Städten wie Hannover oder Nürnberg“, erklärte der externe Experte. Seine Bemerkung bezog er auf der Einzugsgebiet der Stadt. Was den „Einzelhandelsbesatz“ anbelangt, sei die Moselstadt in Rheinland-Pfalz „klar die Nummer Eins“. Doch darauf dürfe man sich nicht ausruhen, schließlich schliefen die umliegenden Städte nicht, und gerade Luxemburg rüste in Sachen Verkaufsflächen deutlich auf.

In Triers Schwesterstadt sind aktuell die Projekte „Royal Hamilius“ und das „Auchan Shopping Center“ in der Planung. Während ersteres inmitten der Hauptstadt errichtet wird, entsteht das zweite in Gasperich. Allein für das Segment Bekleidung soll das „Auchan Shopping Center“ eine Verkaufsfläche von rund 11.000 Quadratmetern bieten. Eine „Quantité négligeable“, wie der Franzose sagen würde, ist was anderes; wie überhaupt die zahlreichen Projekte im Nachbarland erhebliche Auswirkungen auf den Umsatz des Trierer Einzelhandels haben dürften. Da auch der luxemburgische Konsument einen Euro bekanntlich nur einmal ausgeben kann, wird es entscheidend darauf ankommen, wo er sein Geld lässt.

Bislang lassen die Luxemburger noch die Trierer Kassen klingeln. Der Kaufkraftzufluss von Kunden aus dem Großherzogtum nach Trier liege zwischen 140 und 155 Millionen Euro jährlich, bezifferten Karutz und Weinand am Dienstag in einem Pressegespräch. Auch wenn Trier von der Region Eifel und Hunsrück noch mehr profitiert, entfallen damit 28 Prozent des Kaufkraftzuflusses auf Luxemburger. „Wenn es zum Liebesentzug der Luxemburger kommt, wird das radikale Folgen für den Trierer Einzelhandel haben“, sagte Karutz, was man sich ohnehin leicht ausrechnen kann. Weinand trat Behauptungen entgegen, man müsse den Wettbewerb mit dem Nachbarland schon verloren geben.

„Konsumige Vielfalt, die kaum Wünsche offen lässt“

Das hatte zwar niemand ernsthaft behauptet, doch eine der entscheidenden Fragen bleibt, ob Trier die wachsende Konkurrenz mit zusätzlichen Verkaufsflächen kontern sollte? Denn in vielen Segmenten wie etwa Waren des „periodischen Bedarfs“, zu denen neben Lebensmitteln auch Gesundheitsartikel, Blumen und Zeitschriften zählen, herrscht in der Moselstadt schon jetzt eine Überversorgung. Bei der Unterhaltungselektronik fand in den vergangenen Jahren eine Marktbereinigung statt, unter anderem durch den Wegfall von „Promarkt“. Bei Geschenken, Glas, Porzellan, Keramik und Hausrat ist die „Marktsättigung erreicht“, heißt es im EHK. Für ein Möbel- und Einrichtungshaus gebe es zwar noch ein Potenzial von gut und gerne 50.000 Quadratmetern, schätzt Weinand, doch eine derartige Ansiedlung werde es in der Innenstadt nicht geben. Dann schon eher weitere Bekleidungsgeschäfte. Deren Anzahl ist zwischen 2003 und 2011 bereits von 148 auf 190 angestiegen, doch gebe es noch durchaus Bedarf. Man sehe „Gestaltungspotenziale“ allerdings nur noch „mittels internationaler Filialisten und ‚Labelstores‘, etwa „Desigual“, „Bershka“, „E.Brandt“, „Pull and Bear“.

Es sind dies Namen, auf die man in auch großen Passagen trifft. Nicht nur deshalb stand die Frage nach einem zusätzlichen Shoppingcenter am Dienstag rasch wieder im Raum. Tatsächlich greift auch das EHK dieses Thema auf, wenn auch indirekt und ohne den Namen „ECE“ zu nennen. Stattdessen nennt das Konzept zwei Optionen für „strategische Standortpotenziale Trier-City“: Eine eher konservative, sogenannte Komplementär- und Profilierungsstrategie sieht im Bereich der heutigen Warenhäuser Karstadt und Kaufhof in der Simeonstraße Einzelhandelsstandorte vor, die „aktivierbar“ sein sollen und sich eventuell für einen Umbau anböten. Das Umfeld der Europahalle und der Bereich Trevirispassage werden bei diesem Szenario als Bereiche für eine notwendige Quartiersentwicklung genannt, bei welcher aber eine „Einzelhandelsnutzung eher untergeordnet“ wäre. Doch im EHK wird auch eine offensive „Wachstums- und Wettbewerbsstrategie“ aufgeführt und mit dem Zusatz „Antwort auf Luxemburg“ geführt. Diese sähe für einen großen Bereich um Europahalle, Theater und Rathaus eine „innovative, urbane Standortentwicklung mit dominanter Prägung durch Einzelhandel“ vor.

Für eine solche große Lösung zeichnet sich aktuell keine Mehrheit ab. Der Einzelhandelsverband lehnt eine Shoppingpassage in dieser Lage ab, und auch im Rat gibt es überwiegend ablehnende Stimmen. OB Klaus Jensen (SPD) stellte am Dienstag erneut klar, dass die Frage noch nicht beantwortet sei, ob und in welchen Umfang überhaupt ein Bedarf an zusätzlichen Verkaufsflächen gegeben sei. Solange aber nicht die Ob-Frage geklärt sei, lasse sich auch nicht die Wo-Frage beantworten. Wann die Arbeitsgruppe Strategisches Entwicklungs- und Nutzungskonzept Innenstadt Trier (SENI), der ausschließlich Vertreter von Rat und Verwaltung angehören, diese Fragen beantworten werden, ließ Jensen offen. Wie er auch noch nicht sagen konnte, wann konkrete Vorschläge für eine städtebauliche Aufwertung für die Innenstadt vorgelegt werden. Dass die Aufenthaltsqualität innerhalb der Fußgängerzone gesteigert werden müsse, stehe aber außer Frage.

Denn allein über die Masse, sprich die Anzahl der Geschäfte und die Ausweitung von Verkaufsflächen ist der Wettbewerb mit Luxemburg sowie den Mittelzentren in der Region auf Dauer nicht zu gewinnen. So regen die Autoren des Einzelhandelskonzepts „Marketingansätze“ für „Profilierungsanlagen in der Trierer City“ an. Da wird die Fleischstraße zum „Fashion- und Modeboulevard“ der Stadt, derweil sich im „KonstantinQuartier“ die „Topmarken zwischen Kornmarkt und Palastaula“ ballen sollen. Arg bemüht klingt der Claim für Brot-, Graben- und Fahrstraße, die für „konsumige Vielfalt, die kaum Wünsche offen lässt“ stehen sollen.

Egger: Klare Absage an grüne Wiese!

Als Triers „Überraschungsmeile“ haben Weinand und Karutz die Neustraße ausgemacht. 58 Einzelhändler und 24 Dienstleistungsbetriebe zählt die Straße. Während die „ruhige Quartierslage mit spezifischem Flair“ und der „weitestgehend gepflegte Zustand der Immobilien“ ebenso als Stärken aufgeführt werden wie die „gute Aufenthaltsqualität durch attraktive, der Lage angepasste Außengastronomie“, werden Straßenbelag und Möblierung als „weiter verbesserungsfähig“ aufgelistet und stellen die verbliebenen Flächen und die Befahrbarkeit der Fußgängerzone aus Sicht des EHK Schwächen dar. Man könnte nun die gesamte Neustraße auch als Fußgängerzone ausweisen, derartiges wurde schon diskutiert. Doch das berge auch die Gefahr, dass es zu einer weiteren Steigerung des Mietniveaus komme, warnte Wirtschaftsdezernent Thomas Egger. Und eine Steigerung der Mieten könne relevante Anbieter verdrängen, gab Egger zu bedenken. Das aber wolle niemand, denn das gefährde die „Überraschungsmeile“ in ihrer Substanz. An die Adresse der privaten Eigentümer von Ladenlokalen gerichtet sagte der Dezernent, dass auch diese eine Mitverantwortung dafür trügen, die attraktiv die City sei. Hausbesitzern dürfe nicht egal sein, an wen sie ihre Flächen vermieteten.

Egger und Jensen appellierten auch an die Ratsmitglieder, das EHK, so es denn in dieser Form beschlossen werde, auch konsequent umzusetzen. Man sei froh, dass das Konzept in enger Abstimmung mit dem derzeit ebenfalls diskutierten Flächennutzungsplan erstellt wurde, betonten die beiden Stadtvorstandsmitglieder. „Das ist eine eindeutige Absage an die ‚Grüne Wiese'“, erklärte Egger, und der OB unterstrich das wesentliche Ziel des Konzepts: „Die weitere Entwicklung im Trierer Einzelhandel darf nicht ungesteuert verlaufen“.

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