Das Basketballmärchen aus Vechta geht weiter

Scheinbar schwerlos: Trevon Hughes setzt zum Wurf an. Foto: ThewaltRiesenjubel in der Arena Trier – allerdings im Gästeblock. Zahlreiche und lautstarke Fans aus der niedersächsischen Kleinstadt waren ihrer Mannschaft nach Trier gefolgt und wurden dafür mehr als belohnt: Kurz vor Schluss drehte der Aufsteiger das Spiel gegen die TBB und gewann mit 87:84. Noch lange nach der Sirene herrschte im Block K und L Partystimmung. Nicht nur der Auswärtssieg an sich wurde gefeiert, sondern auch die Art und Weise, wie er zustande kam.

TRIER. Am Tag der deutschen Einheit geht es wieder los. Das ist nichts Neues, war der 3. Oktober schon vorher regelmäßig der erste Spieltag für die TBB. Neu ist allerdings der Gegner. Ein Club, der nicht nur durch seinen Namen schnell zum Kult avancierte. Der SC RASTA Vechta gibt sein Bundesligadebüt an der Mosel, wo seit über zwei Jahrzehnten in der höchsten Klasse gespielt wird.

Tradition vs. Moderne – so könnte man die Begegnung ein wenig pathetisch titulieren. Aussagekräftig wäre das nicht. Für Viele treffen in erster Linie zwei potenzielle Abstiegskandidaten aufeinander, für manche zwei potenzielle Überraschungsmannschaften. Klar ist, für Vechta wäre ein Nichtabstieg mindestens eine Überraschung, wenn nicht gar eine Sensation. Nach zwei Aufstiegen in zwei Jahren darf angezweifelt werden, ob die Strukturen schnell genug mit dem sportlichen Erfolg mitgewachsen sind. Alleine dadurch, dass Vechta die Lizenz unter anderem dank Hallenausbau und Mindestetat erhalten hat, verdiente sich der Verein eine Menge Respekt. Dennoch, Optimisten gibt es, die mehr als nur ein „Belohnungsjahr“ erwarten.

Die Vorbereitungen liefen unterschiedlich. Die Gastgeber haben kaum Erfolgserlebnisse gehabt, die Gäste schon. Allerdings sind beide Teams nicht in Vollbesitz ihrer Kräfte. Vechta verpflichtete seinen neusten Spieler erst am Sonntag, und Trier vermisst gleich zwei Rotationsspieler – sowohl Warren Ward als auch Anthony Canty fallen wegen Verletzungen aus. Zudem kann Andreas Seiferth nur angeschlagen in die Partie einsteigen.

Trier startet die Saison mit Jermaine Anderson, Trevon Hughes, Mathis Mönninghoff, Vitalis Chikoko und Stefan Schmidt. So ganz sind die Spieler zu Beginn noch nicht bei der Sache. Vechta kann sich früh ein kleines Polster von fünf Punkten erspielen, so dass Coach Henrik Rödl schon nach vier Minuten zur Auszeit bittet. Schwache Reboundarbeit und mangelnder offensiver Output prägen die ersten Trierer Minuten.

Zum Ende des Viertels werden die Spieler aktiver, attackieren vermehrt den Korb, was zu Foulproblemen bei Vechta führt und einfache Punkte an der Linie für die TBB bedeutet. Gleichzeitig gelingt es den Gästen kaum, offensiv weitere Akzente zu setzen, zu schwach ist ihre Trefferquote zu diesem Zeitpunkt. Auch die flinken Hände der Trierer Verteidiger machen Vechta das Leben schwer. Allerdings hätte Trier die Ballgewinne noch stärker bestrafen müssen. Dennoch können die Gastgeber das Spiel drehen, es geht mit 20:17 in die erste Pause.

Ab sofort kann das Publikum beobachten, wie die Big Men von der Mosel sich gegen einen 134-Kilo-Koloss aufreiben müssen. Isaac Butts macht seinem Namen alle Ehre und schiebt mit ebendiesem regelmäßig seine Gegenspieler Richtung Korb, was immer wieder in Fouls endet und ihn vier Mal an die Linie wandern lässt. Generell wird ab dem zweiten Viertel das Spiel zu einem kleinen Freiwurffestival, was die RASTAs jedoch durch eine schwache Quote kaum zu nutzen wissen.

Die Partie wird hitziger, kleinere Scharmützel entstehen. So muss beispielsweise Mönninghoff wegen einer blutenden Nase vom Feld – was die Schiedsrichter nicht davon abhält, zu früh den Ball für einen Einwurf für Vechta freizugeben. Dadurch werden auch die Trierer Fans und Rödl Teil der brodelnden Stimmung. Zudem bekommen Hughes und Rudewitz je ein unsportliches Foul abseits des Balles und ein paar nette Worte werden dazu gewechselt.

Doch auch spielerisch wird Einiges geboten. Talley legt im zweiten Viertel acht Punkte auf, davon zwei von vier Dreiern. Das Viertel endet mit einem Fastbreak-Dunk von Mathis Mönninghoff nach Assist von Trevon Hughes – mit 38:36 geht es in die Kabinen.

In der Halbzeitpause tankt die TBB eine Menge Energie, es wird schnell gespielt, wie es vor der Saison vom Trainerteam angekündigt wurde. Erneut ist es der junge Deutsche, der einen Schnellangriff nach intelligentem und schnellem Pass-Spiel mit Anderson und Hughes erfolgreich beendet. Auch Jermaine Bucknor und Laurynas Samenas können die Punktetafel durch Fastbreaks nach oben verändern. Trier kann sich bis zum Time-Out von Vechtas Coach Patrick Elzie um zehn Punkte absetzen.

Erneut erreichen die Gäste schnell die Teamfoulgrenze – sage und schreibe 30 Freiwürfe werden im dritten Viertel an beide Mannschaften vergeben. Dazu geraten die Gastgeber in Foulprobleme: Gleich drei Spieler sammeln je vier persönliche Fouls. Mit einem And One kurz vor Schluss von Butts kann Vechta noch einmal aufschließen auf 66:62.

"Meiner!" - Jermaine Anderson im Zweikampf mit Richard Williams. Foto: ThewaltNach drei Minuten im letzten Spielabschnitt scheint sich das Spiel auf die Trierer Seite zu verlagern. Nach einem Steal, schnellen Pass und Fastbreak-Punkten und anschließendem erfolgreichen Dreipunktewurf kann sich die TBB wieder auf neun Punkte absetzen, die Stimmung in der Arena lässt die Mannschaft fliegen. Rödls Mannen kämpfen um jeden Ball, das Rebounding wird stetig besser, es geht hart in jedem Positionskampf zu. Fünf Minuten sind noch auf der Uhr, der Gastgeber spielt wie in einem Rausch. 14 Punkte Vorsprung (80:66) entstehen.

Dem Rausch folgt aber bekanntlich oft der Kater. Vechta kann schnell den sicheren Vorsprung verringern, bei 1 Minute 48 Restspielzeit ist dieser auf 84:80 dahingeschmolzen. Dies verdanken sie vor allem Dylan Talley und dem Kleinsten auf dem Feld: Der 1,78 Meter große Richard Williams stellt durch seine giftige Spielweise die TBB-Defensive vor einige Probleme.

Zudem verabschiedet sich eine Minute vor Schluss Hughes mit seinem fünften Foul. Er folgt damit den schon ausgefoulten Samenas und Seiferth. Sowohl Vechta als auch Trier lassen in der Folge Chancen an der Freiwurflinie liegen. Hier wird Vitalis Chikoko zum tragischen Helden. Bis dahin mit einer soliden Leistung zeigt er zunächst Nerven an der Linie (null von zwei Freiwürfen) und verschenkt zwei Mal hintereinander den eigenen Ballbesitz durch einen haarsträubenden Fehlpass, der mit einem Dreier von Talley bestraft wird, und einem Dribbling ins Aus.

Zudem kann Butts nach einem Offensivrebound (es werden ganze 22 am Ende im Scouting für Vechta stehen) einnetzen und eine 85:84-Führung fabrizieren. Bei noch fünf Sekunden auf der Uhr geht der starke Bucknor zum Korb hoch, wird oben sauber, doch unten weniger sauber beim Wurfversuch getroffen. Die Pfeife bleibt stumm, das Publikum nicht. Mathis Mönninghoff muss sich mit einem Stop-the-clock-Foul nach einer hervorragenden Leistung nun auch als vierter Spieler auf bittere Art und Weise vom Feld verabschieden. Die Freiwürfe sitzen, der Notwurf von Anderson nicht. Das Spiel endet 87:84 für die Gäste.

Nun will die Mannschaft von Rödl am Sonntag in Braunschweig zeigen, dass sie auch konstant von Anfang bis Ende ohne Leistungseinbruch auf hohem Niveau agieren kann. Und der Bundesliga-Debütant aus Vechta fügt ein weiteres Kapitel in seiner Erfolgsgeschichte hinzu. Die Party auf der Gästetribüne mit der Mannschaft dürfte den Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben.

Manuel Maus

TBB: Hughes (15), Seiferth (5), Schmidt (1), Mönninghoff (20), Samenas (10), Chikoko (8), Bucknor (20), Anderson (5).

Vechta: Butts (10), Doerksen (13), Krause (0), Stückemann (2), Talley (16), Igbavboa (2), Mädrich (16), Weber (1), Neal (5), Rudowitz (8), Williams (14).

Zuschauer: 4324

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