So kocht man an der Mosel

Kochen wie die Großmutter aus Cochem oder wie Alexander Oos im „Wein- & Tafelhaus“ in Trittenheim. Hobbyköche und Profis von Perl bis Koblenz stellen im gerade erschienenen „Die Moselküche“ 85 traditionelle und moderne Gerichte von der Mosel vor. Von Vorspeisen über Suppen und Fischgerichte bis zu Desserts und Kuchen finden sich darin überwiegend einfach und günstig zuzubereitende Mahlzeiten. Gerne würde man aber auch noch etwas über die Eigenarten und Hintergründe der regionalen Küche lesen.

TRIER. Frankfurt hat Handkäs‘ und Grüne Soße, München Weißwurst und Schweinshaxe und Hamburg Brathering und Labskaus, die Pfälzer essen Saumagen, die Kieler Sprotten und die Leipziger Allerlei. Und für welche Speise sind Trier und Umgebung berühmt? Fragte man heute Einheimische unter 40 Jahren nach einem typischen Gericht der Stadt oder der Region, erwiderten wohl die meisten: „Flieten“. Dabei sind die würzig marinierten Hähnchenflügel trotz ihrer mundartlichen Bezeichnung so trierisch wie Wiener Schnitzel oder Italienischer Salat. Wirklich traditionelles Essen von der Mosel findet man allenfalls noch in alteingesessenen Gasthäusern, Rezepte existieren meist nur in Jahrzehnte alten und in Sütterlin verfassten Kladden der Groß- oder Urgroßmutter.

Der Verlag Michael Weyand, der unter anderem sehr erfolgreich Bildbände mit historischen Fotos aus Trier publiziert, möchte nun mit „Die Moselküche“ dazu beitragen, dass originale Speisen aus dieser Region erhalten bleiben und wieder- oder neuendeckt werden. Der Trierer Verlag, die Buchhandlung Mayersche Interbook und der Moselwein e.V. riefen Kunden dazu auf, traditionelle Rezepte von der Mosel (manche werden gewiss auch tief in der Eifel oder im Hunsrück gekocht) einzusenden. Diese wurden mit Rezepten moderner Gerichte ergänzt, von den Köchen Andreas Hoffmann, Franz Kaster und Jan Urban zubereitet und vom Fotografen Hans Georg Eiben appetitlich abgelichtet.

Das Buch hat ungefähr DIN-A5-Format, nimmt also nicht viel Platz auf der Anrichte weg, und ist auch im Umfang handlich (140 Seiten). Der bereits reich bebilderte Umschlag in den Farben schiefergrau, granny-smith-grün und kürbiscremesuppenorange besteht aus robuster Pappe und lässt sich abwaschen. Innen gibt es zu fast jedem der 85 Rezepte ein Foto der fertigen Speise und den Namen des Koches oder Einsenders, von manchen auch mit Bild. Die Zutatenliste wird durch einen dunkegrauen Kasten hervorgehoben, zudem ist ein mehr oder weniger vager Weintipp zu allen Speisen angegeben – sogar zu den Desserts (Winzersekt zu Käsekuchen).

Doch von Anfang an: Das knappe Kapitel „Vorspeisen“ wird wie die anderen Abschnitte durch ein ganzseitiges Foto mit Zitat eingeleitet. „Essen soll erst das Auge erfreuen, dann den Magen“, wird hier mit Johann Wolfgang von Goethe einmalig eine Quelle genannt. Sechs Seiten später ist man schon bei den Suppen angelangt. Der Moselaner hält sich offenbar nicht lange mit Vorspeisen auf. Bei den Suppen wie auch später bei den Nachspeisen machen sich die regionalen Haupterzeugnisse bemerkbar: Mehr als die Hälfte (z.B. „Gebundene Zwiebelsuppe“, „Moselfischsuppe nach Art der ‚Bouillabaise'“ oder „Feine Sauerkrautsuppe“) enthält mindestens einen Schuss Weißwein.

Besonders deftig, günstig und einfach in der Zubereitung sind die Kartoffelgerichte. In keinem anderen Kapitel nehmen die Zutatenlisten so wenig Raum ein. Kartoffeln, Hackfleisch oder Blutwurst, Zwiebeln und Lauch sind die Basisingredienzien. „Krumpernschnietcher“ und „Dippelappes“ dürfen natürlich nicht fehlen. „Dippelappes“ sowie „Gefüllte Kartoffelklöße“ (Tipp von Hans-Albert Becker von der Trierer Tourist-Information) gehören zwar vor allem im Saarland zur Regionalküche, aber schließlich fließt auch dort die Mosel durch. Zudem werden manche Gerichte wie „Himmel und Erde“ (Kartoffeln mit Äpfeln und Wurst) – leicht variiert – auch in anderen Regionen Deutschlands gegessen, sind oder waren aber ebenso in unseren Gefilden beliebt.

Zwar ist die Gegend links und rechts der Mosel sehr ländlich geprägt, aber gerade des Flusses wegen machen natürlich nicht nur die Erträge der Äcker und der Weinberge die traditionellen Speisen von Perl bis Koblenz aus. So beinhaltet „Die Moselküche“ auch zehn Fischgerichte mit Forelle, Moselfisch, Moselzander, Moselhecht und Riesengarnelen (bis es Garnelen in der Mosel gibt, soll man für den „Rhabarberkompott süßsauer“ auch Flusskrebse verwenden können).

Das größte und abwechslungsreichste Kapitel sind die „Fleischgerichte“. Hier sei als typisch trierische Speise besonders auf den „Kappes-Teerdich mit Kasseler“ hingewiesen, dem die Leiendecker Bloas sogar ein Lied widmete (ein Video dazu finden Sie hier; bei 2:07 Minuten geht das Stück los). Stephan Blasius von der „Kartoffelkiste“ empfiehlt, das Sauerkraut und den Kartoffelbrei im Verhältnis 1:2 zu mischen. Auf den Kraut-Brei-Mix kommt das Kasseler und „noch ein paar geschmolzene Zwiebeln on top“. Es heißt übrigens das Kasseler. Der Kasseler ist ein Einwohner einer nordhessischen Stadt.

Weil das Kochbuch möglichst viele Geschmäcker treffen soll, gibt es auch einen kleinen Abschnitt mit vegetarischen Gerichten. Da bis auf den Kochkäse alle Speisen Zwiebeln enthalten, sollte keine Überempfindlichkeit dagegen bestehen. Wohin die Reise bei den Desserts geht, wurde bereits erwähnt, die Namen sprechen für sich: „Apfel in Weingelee“, „Weincreme“, „Winzertraum“, „Aufgeschlagene Safran-Eierweincreme nach römischer Art“.

Beim Backwerk, dessen Zubereitung man sich im letzten Kapitel „Kuchen“ widmet, war man an der Mosel offenbar wenig erfinderisch. Gerade einmal sechs Rezepte wurden hier zusammengetragen – Streusel- und Käsekuchen inklusive. Dafür gehören aber auch Zwiebelkuchen und „Nussecken nach Guildo Horns‘ Mutter Lotti“ dazu. Angeblich lässt Mutter Köhler die Schokoladenglasur für ihren Sohn weg, weil er sie ohne lieber mögen soll.

Die wirklich traditionellen Rezepte sagen viel über die Zeit und die Region aus, in der sie entstanden. Die meisten Zutaten sind leicht zu beschaffen und obendrein nicht teuer. „Wenn ich in meinen Gewürzschrank gucke, finde ich alles“, sagt der Verleger Michael Weyand, der zum ersten Mal ein Kochbuch herausgibt. „Es gibt Gerichte, für die man drei Eier, ein bisschen Mehl und Wasser braucht.“ Zudem sind die meisten Speisen deftig und sättigend.

Deren Zubereitung wird knapp, aber ausreichend und verständlich beschrieben. Schön wäre es gewesen, etwas mehr Hintergründe über die Gerichte zu erfahren. Stattdessen gibt es wahllos einen redaktionellen PR-Text für ein Hotel, drei Anekdoten und ein Portrait eines Koches. Für ein Hardcover und dafür, dass darin keinerlei Werbeanzeigen vorkommen, kann man über den Preis von 12,80 Euro allerdings nicht meckern.

Weyand, Michael (Hrsg.): Die Moselküche. Trier, Verlag Michael Weyand. 2011.

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