Schlachtfest in der Großstadt

Peter Singer (vorne) und Manfred-Paul Hänig gehen nach dieser Spielzeit in den Ruhestand. Foto: Marco Piecuch/Theater TrierKein Zweifel, Reisen bildet oder führt zumindest zu der Erkenntnis, dass es zu Hause doch am schönsten ist. So sicher, wie man in Indien an Durchfall erkrankt, wird man in Paris garantiert übers Ohr gehauen. Kellner und Kassierer gelten als besonders berüchtigt. In der Pause zu Eugène Labiches Komödie „Das Sparschwein“, die am vergangenen Samstag im Trierer Theater Premiere feierte, kam es darüber gleich zum lebhaften Erfahrungsaustausch. Tumbe Landeier und Touristen wurden bei den gewieften Großstädtern schon immer als besonders leichte und lukrative Beute angesehen.

TRIER. Nicht anders ergeht es den Protagonisten im Stück, der Reisegesellschaft aus dem französischen Provinzstädtchen La Ferté-sous-Jouarre, die in Paris den prallgefüllten Inhalt eines Sparschweins auf den Kopf hauen will. Damit alles seine Ordnung hat, wurde darüber zuvor im Beisein eines Notars und des Steuereinnehmers demokratisch abgestimmt. Zusammen sind wir stark und gemeinsam werden wir alle Probleme lösen, lautet denn auch das Fazit dieser Komödie. Dass es dabei recht turbulent zugehen wird, versteht sich bei einem Stück des bekannten französischen Vaudeville-Schreibers aus dem 19. Jahrhundert, Eugène Labiche, von selbst. „Wenn dat auf den Höhepunkt zugeht, wird dat immer bekloppter“, raunt einer im Publikum hinter mir.

Stimmt. Die Inszenierung von Klaus Rohrmoser bietet prächtige Unterhaltung, und die Schauspieler können zeigen, was an komödiantischem Potenzial in ihnen steckt. Wobei einige der altgedienten Kämpen, wie Peter Singer als derb-rauhbeiniger Landwirt und Manfred-Paul Hänig als jovialer Rentier, die nach dieser Spielzeit in den Ruhestand gehen, dazu auch schon zuvor in ihrer langen Schauspielerlaufbahn oft Gelegenheit hatten.

Natürlich wird hier jedes Klischee bedient. Man hat alles schon mal irgendwo gesehen, dennoch lacht sich jeder kringelig über die derbe und gutmütig-trampelige Schar, die in ihren gepolsterten Kostümen im Stil des 19. Jahrhunderts (Austattung: Maria Frenzel) wie wohlgemästete Weihnachtsgänse aussehen. Auch die Charaktere sind universal und wenig originell. Da ist der gerissene Restaurantbesitzer (in Doppelrolle noch als tuntiger Heiratsvermittler Matthias Stockinger), der die derben Landeier, die sein Restaurant für ihren Parisaufenthalt zum Hauptquartier erklären, ganz genüsslich auszunehmen gedenkt. Dass die sich das nicht gefallen lassen, versteht sich von selbst. Schließlich landen alle im Polizeibüro. Dort geraten sie an den besonders fiesen und gerissenen Kriminalassistenten (Klaus-Michael Nix), der sie noch dazu des vermeintlichen Diebstahls einer Taschenuhr überführen will und deshalb einsperren lässt. Die Befreiung à la Graf von Monte Christo mittels einer zufällig mitgebrachten Spitzhacke misslingt. Natürlich.

Dennoch findet sich die Verbrecherbande, die keine ist, im üppig ausgestatteten roten Samt-Plüsch-Boudoir des Heiratsvermittlers ein, wo die dralle Léonida (Bettina Koch) endlich den ersehnten Heiratskandidaten treffen will (der eigentliche Grund dieser Reise). Dass auch das nicht ohne Komplikationen abgeht, überrascht nicht. Der feiste Apotheker (Michael Ophelders) des Provinzstädtchens hatte nämlich die gleich Idee wie die einsame Léonida. Dazwischen taucht der Sohn des Landwirts, natürlich ein verbummelter Student (Jan Brunhoeber), auf, der gleich eine kleine Affäre mit der drolligen Blanche (Alina Wolff) beginnt, die eigentlich mit dem trotteligen Notar (Daniel Kröhnert) verlobt ist. Seine Schusseligkeit war der Auslöser allen Übels.

Hier läuft alles verquer und ist doch so erbaulich. Schadenfreude ist halt die größte Freude. Noch mehr Pariser Flair verbreitet schließlich Tim Olrik Stöneberg als Straßensänger, Postbote und Polizist.

Am Ende findet jedes Töpfchen sein Deckelchen und das verwirrte „Wollknäuel“ (gestrickt wird auch noch in dieser Inszenierung) löst sich in Wohlgefallen auf. Der Applaus fällt etwas hektisch aus, da viele Besucher den Fortgang des WM-Spiels Deutschland gegen Ghana sehen wollen. Gegen die Macht des Fußballs konnte auch dieser kurzweilige Spaß nicht ankommen. Aber es gibt ja noch weitere Vorstellungen.

Zum Beispiel am 28. Juni und am 6. Juli jeweils um 19.30 Uhr im Großen Haus.

Hanne Krier

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