„Riesige Anteilnahme der Trierer“

bobbycarrennen_AfAAngesichts der in manchen Städten geführten Auseinandersetzungen um Asylbewerberheime, in der auch meist die rechtsextreme NPD kräftig mitmischt, könnte man meinen, dass es auch die Bewohner der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende nicht immer leicht haben mit ihrer Nachbarschaft. Doch das Gegenteil scheint der Fall: Die Spendenbereitschaft von Menschen aus der Stadt und der Region ist immens, von einer „Welle der Hilfsbereitschaft“ ist gar die Rede. Ob Privatleute oder Vereine, Schulen, Behörden oder auch Unternehmen – viele helfen mit, um die Lebensbedingungen der in der Moselstadt neu angekommenen Flüchtlinge ein wenig zu verbessern. Von der Unterstützung profitieren nicht zuletzt auch die vielen Kinder, die mit ihren Eltern in den ehemaligen Kasernen im Norden Triers untergebracht sind. 

TRIER. Gerlinde Hoegen und Irene Schmidt sorgen regelmäßig für Nachschub. Seit dem letzten Sommer bringen die beiden „Keller Strickfrauen“ Kleidungsstücke in die AfA. Auf die Idee brachte die gemeinnützige Gruppe aus dem Hochwald eine Kellerin, die ein Praktikum in der Einrichtung im Norden Triers absolvierte und „uns immer von den armen Kindern erzählte“, wie Hoegen berichtet. Selber mit dem Thema Asyl und Flucht völlig unvertraut, hinterließ der erste Besuch bei ihr einen bleibenden Eindruck: „Das war für mich alles ganz neu. Ich wusste bei meinem ersten Besuch gar nicht, wohin mit mir“. Das große Gelände und die Schicksale der Menschen hätten sie regelrecht geschockt, räumt sie ein. Hoegens Mitstreiterinnen in Kell wollten die Berichte dabei zuerst gar nicht so recht glauben, „denn da oben auf dem Land wird man ja mit so etwas nicht konfrontiert.“ Im Herbst nahm dann die ganze Gruppe eine Einladung zum gemeinsamen Besuch in der AfA an. Die Frauen seien daraufhin „sehr deprimiert“ gewesen, erzählt Irene Schmitt: „Es ging einem dermaßen unter die Haut, nach dem Besuch sind wir nach Hause gefahren und haben erst einmal nicht miteinander gesprochen. Wie das hier abläuft und was hier alles ist, das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen.“

Seit diesem Besuch gehören die „Keller Strickfrauen“ zu den tatkräftigsten Unterstützern der AfA – auch „mit Freude“, wie Irene Schmitt berichtet: „Man sieht, wo es hin geht, man hilft hier den Kindern.“ Seitdem bringt Gerlinde Hoegen alle zwei bis drei Wochen neue Kleidung vorbei, selbst aus dem Dorf werde sie nun öfter gefragt, wann sie wieder fahre und ob sie etwas mitnehmen könne.

Neben Kleidung gehört auch Spielzeug zu den Dingen, die naturgemäß schnell verschleißen und daher ständig gebraucht werden. Insgesamt 247 Kinder und ihre Familien sind auf dem Gelände untergebracht. Zur Zeit sind die Kleinsten besonders stolz auf ihre Bobbycars – die ihren Weg in die Einrichtung ebenfalls durch Spenden fanden. Martin Höhl, Leiter des Sozialdienstes, spricht von einer „intensiven Nutzung“ der Spielzeuge, die Bobbycars seien bei gutem Wetter quasi „rund um die Uhr“ im Einsatz.  Eine Schulklasse der Privatschule Eberhard tat sich bei den Spielzeugspenden besonders hervor. Lehrerin Barbara Frick wirkt selbst davon beeindruckt, wie gründlich die Schüler vorgegangen sind. „Sie haben ihre Kinderzimmer geräumt, die Gegenstände auf einer Liste eingetragen und dann verpackt“, berichtet sie. „Der Konflikt zwischen der Trennung von einem geliebten Gegenstand und der Erkenntnis, dass man sowieso zu alt dafür ist“, sei zwar interessant zu beobachten gewesen, habe der Hilfsbereitschaft jedoch keinen Abbruch getan, wie sie betont. Ihre Schüler stammten selbst aus unterschiedlichen Ländern und hätten „nicht immer nur Schönes erlebt.“

Wie es in diesem Zusammenhang kaum angebrachter sein könnte, gehört auch das Trierer Spielzeugmuseum zu den Unterstützern der Einrichtung. Die Idee geht auf das Gründerpaar des Museums zurück, das Ehepaar Scheurich. Anstatt auf Sachwerte wird dabei auf ein kleines Bildungs- und Unterhaltungsprogramm gesetzt: Busweise werden die Kinder aus der AfA dazu in die Innenstadt gebracht, um „bei uns im Museum eine schöne Stunde verbringen zu können“, wie Inge Ginter erläutert. Dabei gebe es keine Führungen für die oft traumatisierten Kinder, stattdessen könnten diese sich in den Räumlichkeiten frei bewegen. Derweil stehen Mitarbeiter des Museums bereit, um einzelne Ausstellungsstücke zu zeigen und vorzuführen.

Zu der bunt gemischten Gruppe der Spender gehört auch das nur unweit der AfA ansässige Unternehmen Natus. Geschäftsführer Dr. Stephan Keidel kam gemeinsam mit Kollegen während eines Abendessens auf die Idee; „als das Thema Ausländerfeindlichkeit diskutiert wurde“, erinnert er sich. Dabei musste er sich eingestehen, dass „wir hier zwar alle sitzen, aber eigentlich gar nichts tun.“ In Zusammenarbeit mit der AfA entstand daraufhin das Konzept einer größeren „Spielstube“ mit mehreren Räumen, denn die jetzige ist mit der Größe eines Klassenraums für die momentan untergebrachten Kinder bei weitem nicht ausreichend. Sobald durch die Verlegung von 150 Bewohnern nach Trier-West wieder Platz geschaffen ist, werden die Arbeiten beginnen. Dabei legt Keidel Wert auf die Feststellung, dass es sich nicht allein um finanzielle Zuwendungen handele. So würden die Führungskräfte des Unternehmens selbst mit Hand anlegen und bei den Renovierungsarbeiten in ihrer Freizeit helfen. Im Unternehmen stoße der Plan „auf extrem positive Resonanz“, so Keidel.

Die neue Außenstelle soll derweil von der Caritas betrieben werden. AfA-Leiter Wolfgang Bauer erläutert, dass dies mit Unterstützung von ganz oben geschehe: „Der Bischof hat sehr großen Wert darauf gelegt, dass die Caritas das macht.“ Das Land bezahle zwar dafür, aber das Personal der überbelegten Einrichtung werde durch diese Maßnahme erheblich entlastet. Dagmar Barzen, Präsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, zeigte sich auf einer Pressekonferenz sichtlich begeistert von der breiten Unterstützung: Die „riesige Anteilnahme der Trierer“ sei überwältigend, auch die Resonanz im Umfeld der Einrichtung in Trier-Nord falle sehr positiv aus. Vor allem in den letzten zwei Jahren stieg die Spenden- und Hilfsbereitschaft stetig an. Durch die Ereignisse in Syrien und die mediale Berichterstattung habe sie noch einmal zugenommen, so Barzen weiter.

Wenn man bedenkt, dass noch bis Ende der 90er Jahre im Hinblick auf die Gefahr aus dem neonazistischen Umfeld Polizeischutz und die „kriminaltechnische Herrichtung“ einzelner Bereiche durch das Landeskriminalamt nötig waren, so mag der heutig Status mitunter überraschen. Gar nicht überraschend findet dies ihr Leiter Wolfgang Bauer: Seitdem er im Amt ist, lege er „großen Wert auf gute nachbarschaftliche Beziehungen“, zu denen auch das Engagement für den Stadtteil gehöre. So würden Asylbegehrende beispielsweise in den Sommermonaten der Stadtreinigung im benachbarten Nells Park aushelfen und manche für Anwohner potenziell unangenehme Situation wie die Suche nach Pfandflaschen in Mülleimern werde schnell durch Gespräche mit den Bewohnern gelöst, so Bauer. „Die Menschen wollen hier vor allem Frieden finden“, betont Bauer. Ohnehin bleiben die meisten nicht lange – die Aufenthaltszeit wird mit 5 bis 6 Wochen beziffert, danach werden die Asylbwerber auf die Kommunen in ganz Rheinland-Pfalz verteilt.

Barzen und Bauer zeigen sich dankbar über die bisherigen Spenden, über weitere Zuwendungen freue sich die AfA dennoch. Vor allem an Herrenbekleidung, warmen Wintersachen und Schuhen in den Größen 42 und 43 mangele es. Für jedes Kleidungsstück müssten sonst bei der Kleiderkammer der Caritas 5 Euro entrichtet werden. Auch Spielzeug und Schulsachen wie beispielsweise Stifte und Hefte würden immer gebraucht. Wer eine größere Spende plant, sollte vorher unbedingt mit der Leitung in Kontakt treten. So können die Lebensumstände der Bewohner zielgerichteter verbessert werden.

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