Werden die Grünen kneifen?

Im OB-Wahlkampf 2006 unterstützten die Grünen Klaus Jensen. 1998 schickten sie Reiner Marz ins Rennen, 2006 unterstützten die Grünen den als unabhängigen Bewerber gestarteten SPD-Mann Klaus Jensen. Ob sie auch in diesem Jahr wieder bei der Wahl eines neuen Trierer Oberbürgermeisters mitmischen werden, scheint noch völlig ungewiss. Am Mittwoch kommender Woche sollen die Mitglieder auf einer Versammlung entscheiden, ob sie mit einem eigenen Kandidaten antreten werden. Doch bis dato herrscht innerhalb des Kreisvorstands noch kein Konsens darüber, was man der Parteibasis in sechs Tagen empfehlen will. Das bestätigte gestern auf Anfrage Kreisvorstandssprecherin Petra Kewes. Offenbar bringt die OB-Wahl die Grünen arg in die Bredouille. Denn ein zugkräftiger Name ist nicht in Sicht, und für Unionsbewerberin Hiltrud Zock kann man sich bislang ebenso wenig begeistern, wie für SPD-Kandidat Wolfram Leibe.  

TRIER. Er hatte keine Chance, aber die nutzte er: Als 1998 der Trierer Oberbürgermeister erstmals direkt vom Volk gewählt wurde, warteten die Grünen mit ihrem Vormann Reiner Marz auf. Der fünffache Vater war damals Landesvorstandssprecher seiner Partei und hatte sich im Stadtrat einen Namen gemacht. Dass er den Chefsessel im Rathaus erobern würde, stand nicht zu erwarten. Es ging um Eigenständigkeit, die Grünen wollten Farbe bekennen, inhaltlich und auch personell. Den ihnen zutiefst suspekten CDU-OB Helmut Schröer zu unterstützen, stand für sie nicht zur Debatte; doch auch die SPD-Verlegenheitskandidatin Barbara Amelung, die nicht einmal auf die einhellige Unterstützung ihrer seinerzeit noch tief zerstrittenen Partei zählen konnte, überzeugte die Grünen nicht. Also trat Marz an, erzielte knapp 12 Prozent der Stimmen und verlor gemeinsam mit Amelung gegen Schröer, der sich gleich im ersten Wahltag durchsetzen konnten. Es war der 27. September 1998, der Tag, an dem in Bonn Rot-Grün triumphierte und erstmals eine deutsche Bundesregierung komplett abgewählt wurde.

Am 28. September diesen Jahres wählen die Trierer wieder ein neues Stadtoberhaupt, anders als vor 16 Jahren tritt der Amtsinhaber nicht mehr an. Der 2006 auch von den Grünen unterstützte Sozialdemokrat Klaus Jensen verzichtete auf eine erneute Kandidatur, damit werden die Karten in der Kommunalpolitik in den kommenden Monaten völlig neu gemischt. Denn bereits am letzten Sonntag im Mai werden der Stadtrat und die 19 Ortsbeiräte neu bestimmt. Dann wird feststehen, mit welchen Kräfteverhältnissen der oder die künftige OB im Rat rechnen kann. Die Bewerber von CDU und SPD, Hiltrud Zock und Wolfram Leibe, sind schon seit Wochen unterwegs, um sich bekannt zu machen. Beide werden auch im Kommunalwahlkampf für sich und die sie unterstützenden Parteien werben. Der 25. Mai lässt sich somit nicht vom 28. September trennen, wer ernsthaft ab April nächsten Jahres die Geschicke der Stadt bestimmen möchte, muss darauf setzen, dass ihm die Kommunalwahl hierfür Rückenwind verschafft.

Die Grünen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die künftige Nummer Eins der Stadt stellen. Bislang wissen sie nicht einmal, ob eine oder einer der ihren am 28. September auf dem Wahlzettel stehen wird. Die interne Diskussion, was man der am Mittwoch kommender Woche im „Café Balduin“ tagenden Mitgliederversammlung empfehlen soll, dauert noch an, bestätigte Kreisvorstandssprecherin Petra Kewes gestern auf Anfrage gegenüber 16vor. Im Klartext: Nicht einmal die Frage nach dem „ob?“ ist geklärt, geschweige denn die nach dem „wer?“ Klar scheint aber auch: Gäbe es einen überzeugenden Anwärter oder eine viel versprechende Bewerberin aus den eigenen Reihen, die Frage nach dem „ob“ wäre längst geklärt. Doch eine Kandidatur, mit der man glänzen könnte, zeichnet sich nicht ab, und ein potenzieller Interessent, der sich am vergangenen Dienstagabend dem Vorstand seiner Partei hatte vorstellen wollen, sagte seine Teilnahme an der Sitzung kurzfristig ab – „aus persönlichen Gründen“, wie es heißt. Das Treffen werde aber in den nächsten Tagen stattfinden, so Kewes, die keinen Namen nennt.

Für sie und den gesamten Grünen-Vorstand droht die Kandidatenfrage derweil zu einer Zerreißprobe zu werden. Denn wie aus Parteikreisen verlautet, vermochten auch die Bewerber von CDU und SPD bislang nicht zu überzeugen. Sowohl Leibe als auch Zock stellten sich den Grünen in den vergangenen Wochen vor. Hinterher habe für die meisten Teilnehmer nur festgestanden, dass man weder die parteilose PR-Unternehmerin noch den Arbeitsagentur-Manager im ersten Wahlgang unterstützen will, ist zu hören. Ein rot-grünes Angebot namens Leibe wird es demnach ebenso wenig geben wie eine schwarz-grüne Empfehlung namens Zock. Diese Ausgangsposition erhöht den Druck, einen eigenen OB-Kandidaten aufzustellen, zusätzlich. Das Feld zwei Bewerbern zu überlassen, die man der eigenen Anhängerschaft nicht aus voller Überzeugung empfehlen kann, wäre für die Partei, die bei der letzten Kommunalwahl annähernd 18 Prozent erzielte, ein veritables Armutszeugnis. „Es geht darum, Farbe zu bekennen und mit einem eigenen Kopf für unsere Themen einzustehen“, sagt ein Grüner. „Aus meiner persönlichen Sicht spricht viel für einen eigenen Kandidaten“, sagt auch Petra Kewes. Doch es soll intern auch Stimmen geben, die vor einer reinen Zählkandidatur warnen: Besser gar keinen als einen wenig überzeugenden Kandidaten aufstellen, der obendrein nicht über einen Achtungserfolg hinaus käme, argumentieren die Skeptiker. Offenbar hat man die Hoffnung, es mit einem eigenen Bewerber bis in die Stichwahl schaffen zu können, schon fahren gelassen.

Werden die Grünen bei der OB-Wahl also kneifen? Kewes sagt, dass – Stand Mittwoch – noch alles offen sei. Rein theoretisch reichen die Szenarien für die Mitgliederversammlung am 9. April von der Option, keinen OB-Kandidaten aufzustellen, bis zur Präsentation eines Überraschungsbewerbers noch am selbigen Abend. Denkbar auch, dass die Grünen ihren Kreisvorstand damit beauftragen werden, sich ab Donnerstag nächster Woche auf die Suche nach einem überzeugenden Namen zu machen; bislang gibt es ein solches Mandat formal nicht. Gelänge es der Parteispitze dann noch vor der Kommunalwahl, eine achtbare Bewerberin oder einen respektablen Kandidaten aus dem Hut zu zaubern, wäre eine Blamage erst einmal abgewendet; zudem könnte man die mögliche Unterstützung des SPD-Bewerbers oder der CDU-Kandidatin in einer eventuell notwendigen Stichwahl mit Absprachen verknüpfen, etwa über die künftige Aufgabenverteilung im Stadtvorstand. Würde der Vorstand vor dem 25. Mai indes nicht fündig oder lediglich eine allzu offenkundige Verlegenheitslösung präsentieren, könnte das den Elan der eigenen Anhängerschaft bremsen und sich in einem schwachen Abschneiden bei der Kommunalwahl niederschlagen.

Während in zwei bayerischen Landratsämtern nun erstmals Grüne das Zepter übernehmen und Städte wie Stuttgart, Tübingen und Freiburg zum Teil schon seit Jahren von Grünen regiert werden, wirkt die Partei in ihrer rheinland-pfälzischen Hochburg Trier derzeit eher kopflos. Viel Zeit bleibt nicht mehr, um diesen Eindruck zu korrigieren.

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